Er redet den Kandidatinnen und Kandidaten ins Gewissen: Bürgermeister und Finanzdezernent Günter Beck appelliert an den finanzpolitischen Sachverstand.

In Wahlkampfzeiten wird üblicherweise viel versprochen. Es ist das gute Recht und dient dem Profil der Kandidatinnen und Kandidaten das zu verlautbaren, wofür sie einstehen, wenn sie gewählt werden. Ob sich Projekte wie Bezahlbarer Wohnraum, Neun Euro Ticket, mehr Grün in der Stadt, eine bessere Betreuung in den Kitas etc. umsetzen lassen, hängt u.a. davon ab, ob der Kommune dazu ausreichend Gelder zur Verfügung stehen.

Auf dem Foto: »Kämpfen« gemeinsam für solide Finanzen und stabile Haushalte in Mainz: Stefan Mossel (Leiter des Amtes für Finanzen, Beteiligungen und Sport) und Günter Beck (Bürgermeister und Finanzdezernent).

Die Stadt Mainz kam infolge des BioNTech-Corona-Impfstoffes in den Genuss unerwarteter Gewerbesteuer-Zahlungen und konnte sich u.a. aus eigener Kraft von dem drückenden Schuldenberg befreien: Der Schuldenstand betrug Ende 2023 475 Mio. €, davon sind 325 Mio. € Investitionskredite und 150 Mio. € für Liquiditätskredite hinterlegt. Das ist gut so. Würden die Schulden noch immer 1,1 Mrd. € betragen, müssten derzeit pro Jahr allein 30 Mio. € an Zinsen bezahlt werden. Das ist eine der finanziellen Kennziffern, die Finanzdezernent Günter Beck in seiner Stadtratsrede Anfang März 2024 nannte. Die Rede will der Grünen-Politiker als Mahnung verstanden wissen: »Fangt nichts mehr Neues an!« Die Botschaft richtet sich an alle Kandidierenden für die Kommunalwahl am 9. Juni 2024.

Defizit anstelle von Überschuss

Beck hat in der Vergangenheit immer wieder gemahnt und darauf gedrungen, die wie vom Himmel gefallenen Steuergelder »nachhaltig« einzusetzen.

Mit dem Ende der Corona-Pandemie war absehbar, dass der unerwartete Geldsegen versiegen, zumindest nachlassen wird. So ist es geschehen. Im Mai 2024 muss der Mainzer Stadtrat nach 2023 einen weiteren Nachtragshaushalt verabschieden. Anstelle des  im Etat 2023/24 prognostizierten Überschusses in Höhe von 133 Mio. € steht im Nachtragshaushalt 2024 ein Defizit in Höhe von 90 Mio. €. Defizite waren bis 2020 in der Mainzer Haushaltsplanung normal. An diese Zeiten können sich vermutlich nicht alle amtierenden Politiker:innen erinnern, auch nicht daran, dass um jede Freiwillige Ausgabe und jede zusätzliche Personalstelle gerungen werden musste – und letztlich die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in vielen Fällen entschied, was in der  Stadt umgesetzt wurde.

Höhere Zahlungen, niedrigere Zuweisungen

Profitiert von den Mainzer Gewerbesteuereinnahmen 2021 und 2022 haben auch das Land Rheinland-Pfalz und der Bund. 2021 und 2022 zahlte Mainz 106 Mio. € Gewerbesteuerumlage an Bund und Land und 2023 als Finanzausgleichsumlage ans Land 247 Mio. €; 2024 wird die zu zahlende Finanzausgleichsumlage derzeit auf 40 Mio. € geschätzt; gleichzeitig sind die Schlüsselzuweisungen aus dem Landestat entfallen: 2022 zahlte das Land letztmalig 110 Mio. €, 2023 und 2024 gab es keine Schlüsselzuweisungen; die Finanzverwaltung rechnet aber bei fortbestehenden Haushaltsdefiziten damit, dass ab 2026 wieder Schlüsselzuweisungen ge- und keine Finanzausgleichsumlage mehr bezahlt werden.

Zurück zur Haushaltsdisziplin

Ein dringender Appell von Beck richtet sich an diejenigen, die nach der Kommunalwahl im Stadtrat politische Verantwortung übernehmen werden. Es gehe nicht an, dass nach der Verabschiedung eines Haushalts immer wieder neue Projekte mit teils erheblichen finanziellen Auswirkungen vom Stadtrat beauftragt würden, so Beck.

Eine Vorgehensweise, die sich aufgrund der unerwarteten zusätzlichen Gelder in den vergangenen beiden Jahren unter den amtierenden Stadtratsmitgliedern breit gemacht habe. Die aber mit Blick auf die aktuelle und in Zukunft zu erwartende Haushaltslage nicht mehr möglich sei. Bei der Aufstellung des Etats 2025 sei die allgemeine Liquidität wieder zu beachten, alle angemeldeten Projekte und Personalaufstockungen stünden dann wieder unter Finanzierungsvorbehalt und müssten von der ADD geprüft bzw. genehmigt werden.

Der Finanzdezernent fordert außerdem die Dezernate und Ämter zu mehr Steuerungskompetenz auf. 400 Mio. €, die im Etat 2023 genehmigt sind, wurden nicht abgerufen: Die Projekte konnten nicht oder nicht vollumfänglich realisiert werden, die Gelder mussten in den Etat 2024 übertragen werden.

Der Finanzdezernent mahnt bei der Anmeldung von Projekten mehr Realitätssinn an: aufgrund von Personalengpässen in den Dezernaten und Ämtern, sowie absehbaren Lieferengpässen oder nicht zur Verfügung stehender Bau- und Handwerksleistungen könnten Projekte nicht umgesetzt werden – siehe der für diesen Sommer geplante Umzug des Gutenberg Museums ins Naturhistorische Museum. Der wird verschoben, weil die Sicherheitstüren nicht rechtzeitig geliefert werden.

»Es braucht mehr Planungssicherheit für die im Etat angemeldeten Projekte, da ist mehr Steuerungskompetenz in Ämtern und in Dezernaten gefragt und gegebenenfalls sind Projekte zurückzustellen. Stehen sie im Haushalt, können die entsprechenden Gelder nicht ohne weiteres für andere Aufgaben genutzt werden.«

Einnahme- und Steuererhöhungen

Beck geht davon aus, dass sich der im Juni neu zu wählende Stadtrat wieder mit Einnahme- und Steuererhöhungen beschäftigen wird. Möglich wäre die Erhöhung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer, was die ADD auch anordnen könnte. Der Finanzdezernent kommentiert diese Möglichkeit nicht: »Das mögliche haushalterische Vorgehen der ADD ist für uns manchmal wie eine black box.«

Dann erinnert der Grünen-Politiker  noch an die bereits bis 2030  beschlossene  Investitionsliste, die 200 laufende Projekte mit einem Volumen von 1,3 Mrd. € umfasst. Wobei die Finanzierung all dieser Projekte nicht komplett gesichert ist. »Es gibt eine politische Prioritätenliste, auf der steht ganz oben das Gutenberg Museum und die Großsporthalle, die werden auf jeden Fall gebaut«, sagt Beck.

Ob der im Mai zu verabschiedende Nachtragshaushalt für 2024 genehmigt wird, ist derzeit offen. Es besteht die Möglichkeit, dass das Innenministerium die ADD anweist, auch den defizitären Nachtragshaushalt 2024 ohne Prüfung einzelner Ausgaben passieren zu lassen. Falls nicht, stehen Kürzungen ins Haus.

»Im Herbst sehen wir klarer« so Stefan Mossel. Der Leiter des Amtes für Finanzen, Beteiligungen und Sport ist mit seinem Team dabei die Zahlen für den Etat 2025 zusammenzustellen. Im Oktober soll der im neuen Stadtrat eingebracht und im November 2024 verabschiedet werden.

| SoS

siehe auch:

Schon wieder Ebbe in der Mainzer Kasse