Die 2022er Spargelsaison kommt in die Gänge. Die Frage, Spargelanbau mit oder ohne Folie, treibt Landwirtschaft und Verbraucher:innen um.

Seit Jahren sind in den Kulturlandschaften des Ballungsgebiets Rhein-Main ab Mitte Januar die mit weißer und schwarzer Folie abgedeckten Felder zu sehen. Spargel und Erdbeeren wachsen unter der Folie oder in den Plastiktunneln schneller und kommen so früher in den Handel. Goutiert wird »Plastik auf dem Acker« nicht von allen; dabei geht es nicht nur um den Geschmack von »Folienspargel« und Erdbeeren aus Folientunneln, sondern vor allem um die Grundsatzfrage, was hat Plastik auf dem Acker zu suchen? Während Einkaufstüten aus Plastik im Handel verboten sind, rollen Landwirte Kilometerlange Plastikbahnen auf ihren Feldern aus. Widersinnig?

Auf dem Foto: Spargeldämme in Plastik eingepackt zwischen Mainz-Finthen unf Layenhof.

Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd nennt einige Argumente für den Einsatz von Folien im Spargelanbau: Die Folien auf den Spargel-Dämmen können ca. zehn bis zwölf Jahre verwendet werden, sie sind lebensmittelecht, müssen entweder fachgerecht und gebührenpflichtig entsorgt werden oder können über das Rücknahmesystem »Erde« der Wiederverwertung zugeführt werden. Der Folieneinsatz ermöglicht es, Spargel früher zu ernten, sorgt für einen geringeren Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln (in der abgedunkelten Erde wächst kaum Unkraut) und verhindert bei Wind den Abtrag der Erde. Mithilfe der Folie lässt sich zudem die Verfärbung der Spargelköpfe hinauszögern, das Wachstum besser steuern, die Landwirte können so für ein gleichmäßigeres Angebot sorgen.

Laut Köhr ist der Plastikeinsatz in der Landwirtschaft eine Abwägungsfrage – für die landwirtschaftlichen Betriebe und für die Verbraucher:innen. Die Betriebe müssen Aufwand und Kosten kalkulieren, die Verbraucher:innen müssen entscheiden, ob sie früh Spargel essen wollen, ob sie deshalb Importware kaufen oder den »Folien-Spargel«. Köhr sagt, wer auf seinen ökologischen Fußabdruck achten will, sollte immer die Alternativen zu regional erzeugten Produkten in den Fokus nehmen. Produktionsstandards in anderen Herkunftsländern sind oft niedriger und der Transport über weite Strecken sei zu berücksichtigen. Das alles müsse in die Bewertung des Folieneinsatzes im hiesigen Spargelanbau einfließen, meint Andreas Köhr.

Das Beste für die Natur – und den Betrieb

Spargel-Liebhaber:innen, die grundsätzlich nur »Freiland-Spargel« essen wollen, haben es bei diesen Abwägungsfragen leichter. Zumal es Landwirte gibt, die grundsätzlich nur Spargel ohne Folien anbauen – z.B. der Gemüsehof Reinheimer in Ginsheim. Kai Reinheimer antwortet auf die Frage, warum er seine Spargel-Dämme nicht in Folie verpackt mit der Gegenfrage: »Würden Sie sich in eine Plastikfolie wickeln und dann in die Sauna gehen?« Unter der Folie auf den Spargel-Dämmen findet kein Gasaustausch statt, es kann zu Staunässe kommen und Regenwasser fließt an der Folie vorbei. Außerdem muss die Folie ständig bewegt werden: Ist es warm, wird sie gelüftet, ist es kalt, werden die Dämme wieder eingepackt. Das kostet einiges an Arbeitszeit und damit Geld.

Auf den Äckern in Ginsheim folgt Reinheimer mit seiner Familie und seinen Mitarbeiter:innen dem Credo: Spargel gibt es, wenn es warm genug ist. Da er mit der Spargel-Ernte später anfängt, könne er den Spargel bis zum Johannistag anbieten und seine Spargel-Felder hielten länger durch: bis zu zehn Jahre, im Vergleich zu fünf bis sechs Jahre Nutzung bei Folienbewirtschaftung.
Reinheimer hat den Vorteil, dass er direkt an die Endkundschaft verkauft, im Hofladen in Ginsheim und auf dem Mainzer Wochenmarkt. Die Kundschaft wisse, dass sie den Reinheimer-Spargel erst später bekomme; bis es soweit ist, bietet er »Folien-Spargel« aus Büttelborn an. »Den Verbrauchern ist es nicht egal, ob sie Freiland- oder Folien-Spargel kaufen«, weiß Reinheimer. Um den 20. April herum schätzt der Gemüsebauer, könne er in diesem Jahr den ersten »Folien freien« Spargel ernten – wenn das Wetter so bleibt, wie es Mitte März den Anschein hat.

Nun ist der Folieneinsatz beim Anbau von Spargeln in den Kulturlandschaften nicht zu übersehen und wird jedes Jahr aufs Neue diskutiert. Kunststoffe kommen in der landwirtschaftlichen Produktion und Vermarktung aber auch andernorts zum Einsatz – was den Verbraucher:innen manchmal erst auffällt, wenn der Kunststoff durch andere Materialien ersetzt wird.

Angesagt: Weniger Plastik

Die Reinheimersche Kundschaft bekommt feuchte Produkte wie Salat und Spargel bereits seit 2019 in plastikfreie Tüten aus Maispapier eingepackt. »Eigentlich müssten wir für die Tüten Geld verlangen, die sind schon teurer als Plastiktüten«, sagt Reinheimer. Aber: »Wir wollen grundsätzlich weniger Plastik einsetzen, Papier erschien uns kein nachhaltiger Ersatz, also kam das Maispapier zum Zuge.« 70 % weniger Verpackungsmaterial verbraucht der Gemüsehof Reinheimer seit 2017. Noch relativ neu im plastikfreien Sortiment hat der Gemüsehof ein Bindegarn aus einem sich fast komplett selbstzersetzenden Material. Bislang kommt es beim Suppengrün zum Einsatz, aber die Ginsheimer tüfteln gerade an den Einstellungen der Maschine, damit auch Schnittlauch, Petersilie und Co. künftig nicht mehr mit Gummiringen zusammengehalten werden müssen. Gummi ist nicht abbaubar, der Materialeinsatz des neuen Bindegarns ist zudem geringer und es lässt sich gut mit einem kleinen Etikett versehen – als Produktinformation und zu Werbezwecken.

Den Gemüsebauer Kai Reinheimer kosten solche Veränderungen in Produktion und Vermarktung immer erst einmal Zeit und Geld. Längerfristig aber, so seine Erfahrung, zahlen sich solche Änderungen auch betriebswirtschaftlich aus – weil damit Kosten reduziert werden. Im Vordergrund seiner Tüfteleien stehe allerdings das Credo: »Wir nutzen die Natur aber wir nutzen sie nicht aus!«

Ähnlich wie beim Spargel, verfährt Reinheimer auch beim Anbau von Erdbeeren: Folien sind tabu. Heißt: Die Verbraucher:innen müssen auch auf die Ginsheimer Erdbeeren länger warten. Obwohl Reinheimer dem Wachstum »nachhilft«: die Erdbeerpflanzen wachsen auf einer Mulchfolie, die vollständig abbaubar ist und nach der Ernte komplett untergepflügt wird – sie dient Insekten und Co. im Boden als Nahrung und trägt zur Bodenverbesserung bei.

| SoS

 

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