Kerstin Stumpf (Foto) ist seit 1. April 2024 stellvertretende Vorständin an der Spitze der Mainzer Stadtwerke AG; seit 25 Jahren im Unternehmen, ist die Bauingenieurin bereit, die Herausforderungen der Mobilitäts-, der Energie- und der Wärmewende zu bewältigen.

Worthülsen sind ihre Sache nicht. Als Bauingenieurin ist Kerstin Stumpf den Umgang mit Menschen gewohnt, die eindeutig und direkt sagen, was Sache ist: »Ich komme gut klar mit dem Umgangston, der z.B. auf Baustellen üblich ist. Da ist oft nicht viel Zeit für viele Worte, es müssen in kurzer Zeit plötzlich aufgetretene Probleme gelöst werden.« Aufgewachsen mit zwei Brüdern ist sie einen burschikoseren Ton gewohnt und als Volleyballspielerin hat sie gelernt, auch frontal von oben Kommendes zu parieren. Sie kann ihr Wissen technischer Details gut und überzeugend erklären – passende Voraussetzungen, um die vielen »Baustellen«, auf denen die Mainzer Stadtwerke AG aktuell und in den kommenden Jahren gleichzeitig unterwegs sind, zu bearbeiten.

Neues – immer wieder

Vor 25 Jahren begann die 52-Jährige im Bereich Wasserversorgung der MSW. 2001 übernahm sie erstmals eine Abteilungsleitung im Bereich Instandhaltung und Montage, eine spartenübergreifende Aufgabe für die Bereiche Strom, Gas Trinkwasser und Straßenbeleuchtung. Im April 2005 wurde sie Hauptabteilungsleiterin »Technische Planung und Facility Management«. Ihr größtes Projekt war die Sanierung und der Umbau des MSW-Hochhauses an der Rheinallee: »Ich hatte die Projektleitung inne, konnte aber nicht an der Einweihung teilnehmen, weil unsere Zwillinge kurz zuvor auf die Welt kamen.«

Karriere und Familie – in einem männerdominierten technischen Bereich? Kerstin Stumpf sagt, sie habe sich das genau überlegt und es, unterstützt von der kooperativen Unternehmensführung, umsetzen können. »Für meinen Mann und mich war klar, wir wollen die Kinder gemeinsam groß ziehen und wir wollen gleichzeitig beide nicht aus dem Arbeitsleben zurücktreten. Also schlug ich dem damaligen Vorstand Dr. Werner Sticksel vor, vier Tage in der Woche zu arbeiten – das wurde akzeptiert und so nahm alles seinen Lauf.«

Den »Lauf« beschreibt Kerstin Stumpf als ein stetes Austarieren von Möglichkeiten (Aufgaben im Unternehmen) und Gegebenheiten (Familie) bei dem Zufälle eine Rolle spielen – wie 2017 das Taubertsbergbad. Die Stadtwerke wurden vom damaligen OB Ebling gebeten zu prüfen, ob sie den Betrieb nach der Deyle-Insolvenz übernehmen könnten. Kerstin Stumpf leitete die technische Prüfung und das Schwimmbad wurde zu einem ihrer Arbeitsschwerpunkte: »Jeden Tag ein neues Problem, das es zu lösen gab. Ziel war, trotz der laufenden Sanierung das Bad offen zu halten, das Schulschwimmen zu gewährleisten – das gelingt uns immer noch«, resümiert die Stadtbad-Geschäftsführerin stolz.

2023: mehr als zufriedenstellend
Daniel Gahr

Daniel Gahr (© Stadtwerke Mainz AG)

Die Mainzer Mobilität, zuständig für den öffentlichen Nahverkehr in Mainz bis in die AKK-Gemeinden und in Richtung Region Mainz-Bingen, ist eine Tochtergesellschaft der Mainzer Stadtwerke AG. Alljährlich übernimmt die Konzernmutter den Verlustausgleich der Mainzer Mobilität und investiert in den Ausbau des Mainzer ÖPNV.

Im Frühjahr 2024 hatte der MSW-Vorstand die Mainzer Politik aufgeschreckt: Im Finanzausschuss des Mainzer Stadtrats erläuterte MSW-Vorstand Daniel Gahr, das Unternehmen sei nicht in der Lage, das in einigen Jahren drohende wachsende Defizit des ÖPNV-Bereichs vollumfänglich auszugleichen.

MSW tragen Defizite der Mainzer Mobilität

Bislang tragen die MSW den Verlust der Tochter Mainzer Mobilität in Höhe von 17 bis 25 Mio. € jährlich; aufgrund der im Rahmen der Mobilitätswende geplanten Erhöhung der Fahrgastzahlen und dem damit einhergehenden Ausbau des Mainzer Straßenbahnnetzes bei gleichzeitigen Kostensteigerungen und Einnahmeausfällen könnte dieses Defizit in den kommenden Jahren auf bis zu 54 Mio. € jährlich klettern. Der MSW-Vorstand sprach im März von einem kumulierten Minus für die Stadtwerke AG in Höhe von 63 Mio. Euro für die Jahre 2026-2028 und erläuterte Einsparmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Einnahmeverbesserung. U.a. wird das Angebot Mainz Rider eingestellt und der ÖPNV soll etwas weniger schnell wachsen. Anstelle der für 2028 ursprünglich prognostizierten Fahrgastzahlen von 67 Mio. seien nun 60 Mio. Fahrgäste pro Jahr anvisiert – das wären aber immer noch sechs Millionen mehr als heute.

Drei Monate später, im Juni 2024, verwies Daniel Gahr gegenüber dem MAINZER (ohne dem Geschäftsbericht vorzugreifen, der im Juli dem Aufsichtsrat vorgestellt wird) auf ein mehr als zufriedenstellendes Ergebnis für das Wirtschaftsjahr 2023, das zugleich über den Erwartungen des Wirtschaftsplans liege. Bemerkenswert sei insbesondere die Höhe der Eigenkapitalquote, so der MSW-Vorstand. Sie liege inzwischen bei über 40 %, eine Quote die nur wenige Stadtwerke vorweisen könnten.

Auf die Frage, wie der Ausbau des Straßenbahnnetzes (Anbindung des Heiligkreuz-Viertels und Innenstadtring) weitergehe, sagte Gahr, die Stadtwerke allein seien nicht in der Lage, in den kommenden Jahren den geplanten Ausbau des Straßenbahnnetzes zu stemmen, das überfordere die Finanzkraft des Unternehmens. »Wir müssen viel Geld in den Ausbau der Netzinfrastruktur, in die erneuerbaren Energien und in die Wärmewende investieren, um die Versorgungssicherheit der Menschen und der Unternehmen zu gewährleisten.« Gahr sieht die Politik gefragt, um die Finanzierung der Mobilitäts- und der Energiewende zu unterstützen. Die Planungen für die beiden Straßenbahnprojekte würden weiter voran getrieben bis zum jeweiligen Planfeststellungsbeschluss – bis dahin müssten die Finanzierungsfragen geklärt werden. | SoS

Kerstin Stumpf mit Unternehmen und Stadt verbunden

Zur Erinnerung an Reparaturarbeiten, die Mitarbeitende im Taucheranzug durchführen mussten, hat sich Kerstin Stumpf eine der Kacheln aus dem Nichtschwimmerbecken im alten Sportbad mit nach Hause genommen.

Hatte sie nie den Wunsch, ein anderes Unternehmen als Arbeitsort kennenzulernen? »Ich fühle mich mit dem Mainzer Lebensgefühl, mit der Stadt und mit dem Unternehmen Stadtwerke sehr verbunden – diese Unternehmenskultur ist etwas Besonderes. Wir ziehen alle an einem Strang. Nach der Devise ‚Versorgungssicherheit geht vor‘ werden Aufgaben und Probleme gemeinsam gelöst – das gefällt mir gut.« Zudem habe sich im Unternehmen immer wieder Neues ergeben, zuletzt die Bewerbung als Vorständin. »Nachdem Dr. Brosze kundtat, er wolle die MSW verlassen, habe ich mir überlegt, ob ich an der Seite von Daniel Gahr die MSW AG leiten will – die Zwillinge sind jetzt fast 15 Jahre alt, das eröffnet neue Handlungsspielräume. Ich habe mich für die Aufgabe beworben und freue mich, dass es geklappt hat.«

Die Geschäftsführung der Stadtbad GmbH wird Kerstin Stumpf voraussichtlich abgeben, wenn die Sanierung des Taubertsbergbades abgeschlossen ist, der neue Saunen- mit dem neu gestalteten Schwimmbereich seinen Betrieb aufnimmt.

Politische Unterstützung

Als Vorständin ist Kerstin Stumpf unter anderem für den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Ausbau der Wärmeversorgung, die permanente Instandhaltung und den Ausbau der gesamten Netzinfrastruktur zuständig: »Wir brauchen künftig zusätzlichen Strom für die E-Mobilität, für Wärmepumpen und Rechenzentren. Dieser Strom soll möglichst klimafreundlich produziert werden und zuverlässig rund um die Uhr über unsere Netze den Menschen zur Verfügung stehen. Dabei arbeiten wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette: Erzeugung, Transport und Vertrieb – ein sehr vorausschauendes Geschäft mit langen Vorlauf- und Planungszeiten.«

Auf Kerstin Stumpf kommen ergänzend zu den überwiegend technischen Aufgaben als MSW-Vorständin jetzt auch verstärkt kommunikative Aufgaben hinzu. Es braucht auf allen Ebenen politische Unterstützung, damit die Mobilitätswende gelingt, damit der Wärmemasterplan umgesetzt werden kann, damit die erneuerbaren Energien zu stabilen Stromverhältnissen führen – und es braucht viel Geld, um all das in den nächsten Jahren umzusetzen. Geld, das nicht nur von Stadtwerken erwirtschaftet werden kann.

 

 

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