Daten- statt Handtaschenklau, Berge von Elektroschrott statt Müllhalden.

Zehn bis 20 Anrufe an einem Tag sind schon mal drin. Obwohl wir mittlerweile jede dieser Telefonnummern gesperrt haben. Die Ansage per Band erzählt irgendwas mit Europol. In Englisch, mit einem schwer verständlichen Akzent. Der erste dieser Anrufe war ein Schock. »Was will die Polizei von uns?« Dann setzte das Hirn ein. Die Polizei fragt in unverständlichem Englisch Daten am Telefon ab? Undenkbar! Gesprächsabbruch! Der Rückrufversuch landete bei der Ansage »Diese Telefonnummer ist nicht bekannt«. Ah ja.

Zwischenzeitlich gibt es genügend Infos und Berichte zu Anrufen von vermeintlichen Europol-Mitarbeiter:innen. Dass keine Daten weitergegeben werden sollen, wissen jetzt hoffentlich alle. Aber es nervt. Die Anrufe
hören ja nicht auf und die Ermittlungsbe­hörden halten sich bedeckt.

Geschockt standen die Kundinnen und Kunden in einigen Supermärkten und Tankstellen Ende Mai vor der Kasse. Nur noch Barzahlung möglich, lautete die Schockmeldung. Seit gefühlten Ewigkeiten werden wir animiert, keine »teures Bargeld« mehr zu benutzen, stattdessen die EC- und Bankkarte mit den dafür vorgesehenen Geräten zu verbin­den – dann streiken die Verifone H5000.

Cyberangriff auf die Mainzer Stadtwerke

Die Krönung fand dann Mitte Juni statt. Die elektronische Anzeige für Busse und Straßenbahnen der Mainzer Mobilität funktionierte, aber die Webseite war lahmgelegt, Kontaktaufnahme war nur telefonisch möglich. Das betraf (und betrifft) alle Tochterunternehmen der Mainzer Stadtwerke AG. Ein Cyberangriff auf einen IT-Dienstleister, mit dem u.a. die MSW zusammenarbeiten, ist die Ursache. Zwischenzeitlich sind die MSW unter neuer Web-Adresse wieder online.

Halb im Scherz, halb entsetzt machte schnell die Behauptung »dahinter stecken bestimmt die Russen« die Runde. Wahrscheinlicher klingt allerdings die Erklärung von IT-Forensikern, es könne sich um Kriminelle handeln, die mit Randsomware-Angriffen Unternehmen erpressen. Das passiert schon länger und überall in der Welt. Ist dann offensichtlich auch hier in der Region angekommen. Der Ausfall von Verifone H5000-Terminals hängt dagegen mit fehlgeschlagenen Updates der Software zusammen. Die Geräte sind zu »alt« und müssen ausgetauscht werden. Deutschlandweit waren Recherchen des Finanz-Blogs »Finanz-Szene« zufolge 2018 rund 350.000 der Geräte in Betrieb. Wieviel Elektro-Schrott wird wohl durch den Austausch dieser Geräte produziert? Und wie viele wertvolle (und teils seltene) Rohstoffe verbraucht die Herstellung der Nachfolgegeräte?

Deutlich wird an allen drei Beispielen, die Digitalisierung unserer Lebenswelt bringt manche Nachteile mit sich. Kriminelle klauen keine Handtaschen mehr sondern Daten und erpressen damit Unternehmen, ohne Bargeld kann der Wocheneinkauf nicht bezahlt werden und die Berge an Elektroschrott, die wir produzieren stinken zwar nicht zum Himmel wie die Müllhalden vergangener Zeiten aber sie verrotten auch nicht.

| SoS