Alles kostet mehr Geld, auch Obst und Gemüse. Ein Bund Radieschen direkt
vom Erzeuger kostet 1,60 € – wieso?

Die Preisunterschiede zwischen Gemüse aus dem Supermarkt und dem Discounter sind häufig beträchtlich. Kostet ein Bund Radieschen im Lebensmittel-Einzelhandel derzeit unter einem 1 €, sind am Stand des Gemüsehofs Reinheimer auf dem Mainzer Wochenmarkt 1,60 € zu zahlen. Warum das so ist, erklärt Carolin Reinheimer dem MAINZER.
Auf den Feldern in Ginsheim sind zurzeit Salate, Kräuter, Spinat, Kohlrabi und Radieschen erntereif; folienfreier Spargel und Erdbeeren brauchen noch eine Weile, Karotten ebenso; gepflanzt sind diverse Kohlsorten, Bohnen, Erbsen und Tomaten; Salate und Kräuter werden regelmäßig nachgepflanzt. Reinheimers bauen bewusst eine breite Palette an Gemüsesorten an, die sich an den Jahreszeiten orientieren. Die Kundschaft soll möglichst alles, was hierzulande auf dem Feld gedeiht, im Hofladen und auf dem Mainzer Wochenmarkt kaufen können. Für diese Vielfalt ist meist viel Handarbeit erforderlich. Carolin Reinheimer erklärt es am Beispiel der Radieschen so: die werden von Hand geerntet, von Hand gewaschen, von Hand gebündelt und von Hand in die Kisten gepackt – die wiederum von Hand kommissioniert werden: was geht in den Hofladen, was geht auf den Wochenmarkt.

Die Menge bestimmt den Preis

«Was bei uns in Handarbeit geerntet und für den Verkauf vorbereitet wird, können wir nicht günstiger anbieten«, sagt Carolin Reinheimer. Und: 1,60 € für einen Bund Radieschen reiche allenfalls, um die Kosten zu decken. Gewinn sei damit nicht zu machen.
Ökonomisch gesehen ist es logisch, dass ein mittelständischer Gemüsehof, der viele Gemüsesorten anpflanzt, preislich nicht mithalten kann mit einem Großbetrieb. Der kann sich auf wenige Sorten beschränken, baut sie in großen Mengen an, setzt für die Ernte Maschinen anstelle von Menschen ein und verkauft große Mengen an den Lebensmittel-Einzelhandel. Gemüseanbauer wie die Familien Reinheimer aus Ginsheim oder Stahl aus Bauschheim, die direkt an die Kundschaft verkaufen, sind Nischenbetriebe. «Wir bauen bewusst verschiedene Kulturen auf unseren Äckern an, so werden die Böden nicht ausgelaugt, die Pflanzen sind resistenter und die Fruchtfolgen sind besser für die Insekten. Die Kundschaft schätzt in der Regel die kurzen Wege, die gleichbleibend-gute Qualität und die Möglichkeit, am Stand oder im Hofladen nachzufragen.« Z.B. warum kostet ein Bund Radieschen 1,60 €? Transparenz ist wichtig, sagt Carolin Reinheimer. Deshalb informiert der Gemüsehof auch über solche Themen auf seinen Socialmedia-Kanälen.

Radieschen-Anbau – auch mit Mindestlohn?

2022 kostete ein Bund Radieschen am Reinheimer-Wochenmarktstand 1,50 €. Der Preis war Ergebnis eines Experiments erzählt Carolin Reinheimer. «Wir haben unseren Mitarbeiter:innen schon 2022 einen Mindestlohn von 12 € bezahlt, um herauszufinden, ob sich die Handarbeit z.B. im Anbau von Radieschen finanziell auch dann noch lohnt, wenn dieser Mindestlohn Pflicht wird.« Mit solchen «Experimenten« versuchen die Ginsheimer Gemüseanbauer vorausschauend auf absehbare Veränderungen zu reagieren. Seit 2018 werden die Bewässerungssysteme auf den Feldern optimiert, um den Anbau von Gemüse auch in trocken-heißen Sommern zu gewährleisten. Wasser von oben gibt es in diesem Frühjahr ausreichend, sagt Carolin Reinheimer, was den Kostenfaktor «Diesel« reduziert. Der Treibstoff wird für die Bewässerungspumpen benötigt. Die niedrigen Temperaturen haben allerdings geringere Erntemengen und entsprechende Umsatzeinbußen zur Folge.
Radieschen werden, trotz der immensen Handarbeit und den daraus resultierenden Lohnkosten, weiterhin auf den Ginsheimer Feldern angebaut, denn: Sie gehören im Frühjahr zu den ersten Freiland-Sorten, die im Hofladen und am Wochenmarktstand zu haben sind. Weshalb sie die Kundschaft schätzt.

Marion Diehl (SoS)