Der BioNTech-Geldsegen tut Mainz allenthalben gut. Ihn langfristig zu erhalten setzt voraus, neue Flächen für neue Unternehmen auszuweisen. Lässt sich dabei Ökonomie und Klimaschutz vereinbaren? DER MAINZER fragt die OB-Kandidaten und Kandidatinnen.

Es gibt eine Bedarfsanalyse, einen Standortvorschlag, die »biomindz« ist gegründet, die Kapitalanteile für die GVG zur Bodenbevorratung sind erhöht, der Auslobungstext für den Ideenwettbewerb ist verabschiedet: Die Stadt Mainz geht auf dem Weg, ein Biotechnologie-Cluster zu etablieren voran. Dabei wird von allen Seiten betont, dass bei der Entwicklung des Biotechnologiestandortes Wirtschaft und Klima zusammengebracht werden müssen. Offen ist zudem, inwieweit die Mainzer:innen ein Wörtchen mitreden dürfen – immerhin hat die Ampel-Koalition in ihrem Haushaltsbegleitantrag Ende November 2022 beschlossen, für die »Entwicklung einer städtebaulichen Vision für ‘Mainz im Jahre 2035/2050’ soll ein Prozess mit großangelegter Bürgerbeteiligung gestartet werden. Hierfür werden Planungsmittel in Höhe von 150.000 Euro jeweils im Jahr 2023 und im Jahr 2024 bereitgestellt.«
Alles in allem eine heikle Aufgabe für die nächsten Jahre. Der sich der oder die neue Oberbürgermeister:in widmen darf.

Daraus ergab sich die MAINZER-Frage an die beiden Kandidatinnen und fünf Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl 2023: »Die Entwicklung des Biotechnologie-Standorts ist eine herausragende Aufgabe der nächsten Jahre. Wie sind wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz dabei in Einklang zu bringen?«

Die Antworten in alphabetischer Reihenfolge:

 

Dr. Marc Engelmann, FDP
Dr. Marc Engelmann, FDP

Dr. Marc Engelmann, FDP

Die wirtschaftliche Entwicklung in Mainz ist kein Selbstzweck. Nachhaltige Investitionen in die regionale Wirtschaftskraft eröffnen der Stadt Mainz langfristig die Möglichkeit, ausreichend Investitionsmittel zur Verfügung zu haben, um Klimaschutz allgemein und im Besonderen die Transformation zu einer klimaneutralen Stadt finanzieren zu können. Die Entwicklung eines Biotechnologie-Clusters an einem zentralen Standort ist dabei ein wesentlicher Baustein. Im Rahmen des Ideenwettbewerbs sind konstruktive umweltverträgliche Ideen zur Bebauung gefragt, die eine möglichst geringe Eingriffsintensität für Umwelt und Natur vorsehen. Bei unvermeidbaren Eingriffen in die Natur sind die Nachteile für Natur und Landschaft durch entsprechende Ausgleichsmaßnahmen zu kompensieren.

Nino Haase, parteilos/unabhängig
Nino Haase, parteilos/unabhängig

Nino Haase, parteilos/unabhängig

»Mainz muss den Ausbau der Biotechnologien fördern! Die Bebauung des ursprünglich vorgesehenen Hochschulerweiterungsgeländes bis zum Europakreisel unterstütze ich – genauso wie Flächen innerhalb des bestehenden Uni Campus oder andere versiegelte Flächen im Stadtgebiet. Eine Bebauung der neu diskutierten Flächen sollte nur als letzte Option und mit hohen Maßstäben an Ökologie durchgeführt werden: wenig Versiegelung, grüne Dächer und Fassaden, Bäume sowie Tiefgaragen statt Parkplätze. Als Naturwissenschaftler weiß ich um die hohe Bedeutung der lokalen Klimapolitik. Für eine dicht bebaute Stadt wie Mainz sind Fragen der Kaltluft-Entstehung und der Windströmungen geradezu lebenswichtig. Zukünftig muss Mainz, wie alle anderen Städte in Rhein-Main, einen weitsichtigen Masterplan Stadtentwicklung vorantreiben, um Chancen wie die Biotechnologie künftig viel schneller ergreifen zu können«

Martin Malcherek, DIE LINKE
Martin Malcherek,DIE LINKE 3

Martin Malcherek, DIE LINKE

Klar – der Standort MUSS ausgebaut werden. Nicht nur wegen Arbeitsplätzen und Gewerbesteuereinnahmen. Wenn wir dazu beitragen können, neue Medikamente zu entwickeln, sollten wir das tun. Das habe ich im Stadtrat schon gesagt. Was wir aber NICHT tun sollten, ist in planlosen Aktivismus zu verfallen. Es muss jetzt schnell gehen. Aber eine vorschnelle Festlegung (Saarstraße) kann wertvolle Zeit kosten. Es gibt andere Standorte, die schneller entwickelt werden können und keine Kaltluftkiller sind (Lerchenberg, Nestlé, …) – aber Alternativen wurden bisher nicht ernsthaft geprüft. Der Flächenbedarf wird mit den 50ha, die diskutiert werden, nicht gestillt sein. Es geht weiter und dafür brauchen wir einen Plan. Vorschlag: Dezentral planen und Klimaschutz als Querschnittsmaterie überall mitdenken. Der Campus ist das eine – das andere die neuen Wohnquartiere, die dann entstehen müssen.

Manuela Matz, CDU
Manuela Matz,CDU

Manuela Matz, CDU

Der Biotechnologiestandort Mainz ist nicht erst seit der Entwicklung des Impfstoffes gegen Covid-19, als herausragend zu betrachten.
Selbstverständlich hatten und haben bei der Biotechnologieentwicklung in Mainz die Konversionsflächen, wie z.B. die Flächen der GFZ-Kaserne oder IBM-Gelände, Vorrang vor der Versiegelung von landwirtschaftlichen Flächen. Allerdings werden diese, nach aktuellen Erkenntnissen nicht ausreichen, um ein international anerkanntes Biotechnologie-Cluster zu entwickeln. Deshalb gilt es insgesamt bei allen Baumaßnahmen, entsprechende ökologische Rahmenbedingungen zu beachten: bauliche Dichte, Gebäudehöhe, Stellung der Gebäude zum Luftstrom, um möglichst geringe Beeinträchtigung der Frischluftversorgung zu erreichen, Durchgrünung der Gebäude und des Gebietes, für qualitätsvolle Freiräume, Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimaanpassung, nachhaltiges Mobilitätskonzept etc..

Christian Viering, GRÜNE
Christian Viering,GRÜNE

Christian Viering, GRÜNE

Der BioTechHub muss ein Leuchtturm in Sachen Klimapositivität und Effizienz werden. Nur so kann die Transformation der von fossilen Energien abhängigen Wirtschaft zu einer klimaneutralen Wirtschaft der Zukunft gelingen. Die Erkenntnisse der vorliegenden Gutachten zu den Kaltluftströmungen sind nicht nur Grundlage, sondern auch Grenze jeder Entwicklung in diesem Gebiet. Durch den Einsatz nachhaltiger Baustoffe wird das Gebiet klimapositiv entwickelt werden. Der BioTechHub darf nur mit Strom und Wärme aus Erneuerbaren Energien versorgt werden. Fassaden- und Dachbegrünung in Kombination mit Photovoltaik sollen bei allen Gebäuden Standard sein. Zusätzlich brauchen wir ein nachhaltiges und autoarmes Mobilitätskonzept. Das Gebiet ist durch die Straßenbahn bereits an den ÖPNV angebunden. Radschnellrouten müssen das Angebot ergänzen. Mein Ziel: Am Ende steht kein »oder«, sondern ein »und« zwischen Ökonomie und Ökologie.

Mareike von Jungenfeld, SPD
Mareike von Jungenfeld, SPD

Mareike von Jungenfeld, SPD

Mainz hat durch den Erfolg von BioNTech und die aktuelle Finanzlage jetzt die einmalige Chance, sich zu einem international sichtbaren Biotech-Standort zu entwickeln. Die ausgezeichnete Forschung in Verbindung mit den erfolgreichen Firmen hier vor Ort bieten dafür eine sehr gute Perspektive. Weitreichende Investitionen in den Standort sind daher für mich und mit Blick in die Zukunft absolut sinnvoll und lohnenswert. Nicht nur wegen der Verstetigung von Steuereinnahmen, die wiederum dauerhaft für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden können, sondern auch in Hinsicht auf die Schaffung vieler neuer und qualifizierter Arbeitsplätze in einem wachsenden Wirtschaftsbereich. Klar muss aber auch sein, dass eine solche Entwicklung nur in Verbindung mit einem sehr genauen Blick auf die klimatischen Auswirkungen auf unsere Stadt funktioniert.

 

Hinweis: Der Kandidat Lukas Hager (Die Partei) hat nicht geantwortet.

 

aufgezeichnet | SoS
Zum Weieterlesen:
Läuft Mainz Gefahr, seine Megachance zu vertrödeln?
Kann beim Ausbau der Mainzer Biotechnologie Klimaschutz, wirtschaftliche Entwicklung, Arbeitsplätze und Wohlstand zusammen gedacht werden?