Das Bauprojekt Fuststraße nimmt Konturen an, der Abriss ist nahezu abgeschlossen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein Abriss des ehemaligen Karstadt-Komplexes noch nicht in Sicht. Wie geht es weiter mit »Lu erleben«?

Bebauungsplanverfahren sind langwierige, weil stark reglementierte Angelegenheiten. Für Investoren mag das ein Graus sein. Politisch Verantwortliche können sich mit diesen Verfahren absichern. Gegen nachträgliche Klagen, die einem Bauprojekt den Garaus machen. Womit auch den Investoren nicht gedient ist.
Das gilt auch für das Projekt »Lu erleben«. Im Frühjahr 2019 hatte die Boulevard Lu GmbH & Co. KG aus Ingelheim das Nutzungskonzept für den Immobilienkomplex Karstadt/Parkhaus/Deutsche Bank in Mainz vorgestellt; im Oktober folgte eine Absichtserklärung der Projektverantwortlichen mit der Stadt. Die Kritik von Stadtplanern, Architekten und Mitgliedern der «Bürgerinitiative Lu« an dem Projekt riss nicht ab. Im Mai 2020 erfolgte die Bekanntgabe der Preisträger des Architketenwettbewerbs  (die Büros Faerber Architekten GbR mit Jestaedt + Partner Stadtplaner und Bierbaum Aichele Landschaftsarchitekten) und die Arbeit am Bebauungsplan begann. Ende September 2022 wurden die Medien über den «Projektstand Bauvorhaben Neues Einkaufs- und Erlebnisviertels LU« informiert. Undeutlich blieb allerdings der aktuelle Projektstand. Weder ist der Bebauungsplan fertig, noch ist der Städtebauliche Vertrag unterzeichnet und der Bauantrag ist noch lange nicht ausgearbeitet.

Positive Signale für »Lu erleben«

«Wir wollen das Signal auszusenden, die Bauverwaltung liegt mit ihrer Arbeit zum Bebauungsplan Ludwigsstraße absolut im Zeitplan«, sagte die Mainzer Baudezernentin Marianne Grosse und kündigte an, im November 2022 werde der Offenlegungsbeschluss den Gremien (Bauausschuss und Stadtrat) vorgelegt. «Wir wollen mit der klaren Botschaft, der Offenlegungsbeschluss erfolgt im November, künftige Nutzer überzeugen«, sagte Tina Bardrot, gemeinsam mit ihrem Bruder Tim Gemünden geschäftsführende Gesellschafterin der J. Molitor Immobilien GmbH. Das Ingelheimer Unternehmen  entwickelt gemeinsam mit der Sparkasse Rhein-Nahe das Projekt.
Zuvor waren in einem Zeitungsartikel aus Sicht der Investoren langwierige Verhandlungen mit der Mainzer Bauverwaltung als Gründe für eine Verzögerung der  Fertigstellung genannt worden. Zwischen die Investoren, die Baudezernentin und die Bauverwaltung schien an diesem Tag aber kein Platt Papier zu passen. Auch wenn es hinter den Kulissen manchmal hart zur Sache gehe, sei man sich danach auch wieder gut, so Baudezernentin Grosse. Beide Seiten bezeichneten den Umgang miteinander als sehr professionell und vertrauensvoll. Getragen von dem gemeinsamen Ziel, diesen 1A-Standort an der Mainzer Ludwigsstraße endlich zu einem Schmuckstück in der Innenstadt zu machen. Eines das als Magnet für Kaufwillige aus Nah und Fern funktioniert und, natürlich, denjenigen, die es (vor-)finanzieren auch Gewinne in die Kasse spült.

Offenlegung des Bebauungsplans

Drei Mitarbeiter:innen in der Bauverwaltung seien ausschließlich mit dem Projekt »Lu erleben« befasst, versuchte die Baudezernentin klar zu machen: dieses Projekt wird stetig bearbeitet. Es ist nicht das einzige Bebauungsplanverfahren dass die Mainzer Bauverwaltung zu bearbeiten hat. Zum Glück. Wo gebaut wird, tut sich was. In Mainz wird viel gebaut und es soll auch in den nächsten Jahren viel gebaut werden. Der Bio-TechHub, das Wohnviertel Heilig-Kreuz-Weg in der Oberstadt, die Kommissbrotbäckerei in der Neustadt: Über Arbeitsmangel kann die Mainzer Bauverwaltung nicht klagen.
Ein Bebauungsplanverfahren unterliegt klaren Regeln. Eine lautet: Offenlegung. Heißt: den Entwurf für den Bebauungsplan legt die Bauverwaltung den Gremien (Bauausschuss und Stadtrat) vor. Hier haben alle Stadtratsmitglieder die Möglichkeit, Anregungen und Einwände zu formulieren. Parallel dazu liegt der Bebauungsplan öffentlich aus – klingt eigenartig und bedeutet, er ist in der Bauverwaltung zu festgelegten Uhrzeiten einsehbar. Oder auf der Webseite der Stadt zu jeder Uhrzeit. Das ermöglicht den Bürger:innen Anregungen und Einwände zu formulieren. In der Regel dauert die Offenlage vier Wochen; da im Falle des Entwurfs des Bebauungsplans «Lu erleben« die Weihnachtsferienzeit in diese vier Wochen fallen dürfte, kündigte Axel Strobach, Leiter des Mainzer Stadtplanungsamtes, bereits jetzt an, dass die Offenlegung vermutlich bis ins neue Jahre (2023) reichen werde.
Und dann? Muss die Bauverwaltung die Anregungen und Einwände abarbeiten, bzw. in den Entwurf einarbeiten. Ist das erledigt wird der dann fertige Bebauungsplan wiederum den Gremien zur endgültigen Entscheidung vorgelegt.

»Lu erleben« auf der Zielgeraden

«Wir hoffen, das im 1. Quartal 2023 abschließen zu können – aber ich kann mich nicht zeitlich nicht festlegen«, sagte Marianne Grosse. Parallel zu diesem Bebauungsplanverfahren muss noch der Städtebauliche Vertrag erarbeitet und verabschiedet werden.  In diesem wird geregelt, was laut Baugesetzbuch nicht Gegenstadt des Bebauungsplans sein kann. Die Baudezernentin nennt die Dachgestaltung und die Architektur als Beispiele. Hinsichtlich der endgültigen Verabschiedung durch den Bauausschuss und den Stadtrat gibt es eine klare Reihenfolge: zuerst der Städtebauliche Vertrag, dann der Bebauungsplan – auch wenn nur wenige Minuten zwischen der Verabschiedung liegen, ergänzt Axel Strobach.
Klar ist, dass an der Erarbeitung des Städtebaulichen Vertrages nicht nur das Stadtplanungsamt beteiligt ist. Hier reden auch andere Dezernate mit. Möglich, dass um Themen wie Dach- und Fassadenbegrünung und die Dimensionen der Photovoltaikanlage gerungen wird. Stand jetzt, Anfang Oktober 2022, ist das Bebauungsplanverfahren auf der Zielgeraden, da die Offenlegung des Entwurfs für die Gremien-Sitzungen im November 2022 festgelegt ist. Wann tatsächlich die Abrissarbeiten im ehemaligen Karstadt-Komplex beginnen, ist aber noch nicht klar. Denn: Sind der Städtebauliche Vertrag und der Bebauungsplan vom Stadtrat beschlossen, müssen die Investoren erst einmal einen Bauantrag stellen, der dann wiederum von der Bauverwaltung bearbeitet werden muss. Marianne Grosse macht auch hier deutlich, das «Projekt Lu erleben« hat eine große Bedeutung für die Entwicklung der Innenstadt. Es ist aber nicht das einzige Bauprojekt, das für die Stadt Mainz große Bedeutung hat.

Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe

Derweil geht der Abriss an der Fuststraße in die letzte Runde. Die Blickbeziehungen in Richtung Staatstheater (siehe Foto) belegen den Fortschritt. In den Startlöchern stehen die Archäologinnen, sagte Tina Bardrot, bzw. sie sind bereits im Einsatz und verfolgen die letzten Baggerarbeiten. Schließlich könnte von archäologischem Interesse sein, was die Bagger zutage fördern. Tim Gemünden weist in diesem Zusammenhang auf eine Besonderheit des Abriss- und Bauprojektes Fuststraße hin: der abgetragene Beton wird auf dem Gemünden-Betriebshof recycelt und beim Neubau wieder eingesetzt.

SoS