In Mainz ist noch viel Potential vorhanden – auch für die schon vorhandene Außen-Gastronomie. Gerade jetzt wünscht man sich durch die Terrassen noch etwas mehr südländisches Flair und Gelassenheit.

Wenn es ein besonderes Lebensgefühl der Mainzer und Rheinhessen gibt, dann ist es eng mit Essen und Trinken verbunden. Wer in unserer Region wohnt geht meist gerne aus, genießt dabei die Natur oder beobachtet das Treiben um sich herum: Terrassen, Gärten, Straßentische und Höfe sind dabei bevorzugte Ziele – solange es das Wetter zulässt.

Man fühlt sich oft – zumindest ansatzweise – an das Leben in Frankreich erinnert. Auch hier, besonders im Süden des Landes, gehören Straßencafés und -restaurants zum joie de vivre dazu. Ob ein schneller mittäglicher Besuch im Bistro oder ein mehrgängiges ausführliches Abendessen – man nimmt am liebsten an einem Tisch an der Straße oder in einer der engen Seitengasse Platz.

Hier beginnen dann allerdings die Unterschiede: Wer einmal in den frühen Abendstunden durch Vieux Bordeaux, die Altstadt von Bordeaux, spaziert ist, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus: Ab 19 Uhr werden aus leeren Gassen plötzlich große kulinarische Eventflächen bei denen es kaum noch ein Durchkommen gibt. Man sucht sich am Besten einen freien Tisch, solange noch möglich, und macht mit. Drei Stunden später erinnert nichts mehr an den Spaß: Die Gassen sind wieder leer.

Parkplatz oder Gastronomie

Wieder zurück in Deutschland, zum Beispiel in der Mainzer Altstadt, fragt man sich schnell, während man einen freien Tisch sucht: Hier ist noch so viel Platz – warum werden (beispielsweise in der Augustiner- oder Grebenstraße) nicht mehr Tische aufgestellt?
Es ist klar, dass dann der eine oder andere Parkplatz wegfallen würde, aber wäre es das nicht wert? Natürlich werden auch andere Gründe genannt – so zum Beispiel die Anfahrtsmöglichkeit für Rettungsdienste. Aber ist das wirklich in allen Fällen so? Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass man in Frankreich damit Probleme hat.

Auch klar: es wird immer den einen oder anderen Nachbar geben, der sich durch Stühlerücken, Gläserklingen und fröhliche Gespräche um 21 Uhr gestört fühlt. Allerdings sollten dies Geräusche sein, die zu einer Altstadt dazugehören und nicht einfach vor Gericht weggeklagt werden können. Es gibt genug Stadtteile, in denen man die Ruhe genießen kann. Wer im Zentrum der Stadt leben möchte dürfte sich eigentlich nicht beschweren, wenn das Leben auch pulsiert. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier nicht von grölenden Junggesellenabschieden und anderen Leuten, die in der »Happy Hour« bereits zu heftig zugeschlagen haben.

Eine Chance für die Wirte

COVID-19 verändert gerade unser Leben. Der Virus zeigt uns, was plötzlich nicht mehr geht und was »unter außergewöhnlichen Umständen« möglich sein kann. Der Lockdown hat viele Restaurants, Weinstuben und Kneipen in Existenznöte gebracht. Ein Mosaiksteinchen in den daraufhin angelaufenen Hilfsprogrammen war die Freigabe weiterer Plätze für die Außen-Gastronomie. Man hat von Seiten der Rettungsdienste keine Proteste gehört – also wäre das doch ein Konzept für die Zukunft. Ein­heimische und Touristen wollen in diesen Wochen und Monaten mehr als je zuvor wieder »draußen sitzen« und ihren Feierabend oder Urlaub genießen und die neue Praxis zeigt: Es geht. Warum sollte man das neue Konzept dann zeitlich begrenzen? Die Corona-bedingten Umsatzein­bußen sind sicherlich nicht bis zum Auslauftermin dieser Sonderregelung ausgeglichen. Wird man auf eine Verlängerung hoffen dürfen?

Unterstützen – solange es noch möglich ist

Es gibt in Mainz und Rheinhessen die unterschiedlichsten Arten von Gastronomie, von der kleinen Straußwirtschaft bis hin zum Gourmetrestaurant. Sie alle prägen das Gesicht unserer Region und sind unterschiedlich stark von dieser Entwicklung betroffen. Ein Blick in die Presse zeigt, dass es bereits zu ersten Schließungen und Verkäufen gekommen ist. Allgemein wird vermutet, dass die große Welle erst im oder nach dem Herbst einsetzen wird. Lautstarke Partys auf öffentlichen Plätzen, zum Teil mit Randale-Potential, sind dabei keine akzeptable Alternative.
Wen man heute – bewusst oder leichtsinnig – an vorgeschriebenen Orten keine Maske trägt und damit ein Ansteigen der Pandemie-Werte zumindest billigend in Kauf nimmt, handelt man nicht nur fahrlässig, sondern trägt auch seinen Teil dazu bei, dass Strukturen einer jahrzehntelang gewachsenen Freizeit- und Wohlfühlkultur zerstört werden.

Wer heute auf den Besuch von Gaststätten und Weinstuben verzichtet, weil ihm »das mit den Masken und Desinfizieren« zu umständlich ist, darf sich nicht wundern, wenn am Ende der Pandemie die Zahl der Leerstände angewachsen ist und seine vorher so geliebten Ausgehziele dauerhaft geschlossen bleiben.

| MDL

 

Die Terrassensaison ist eröffnet!