Die Mainzer Stadtwerke AG hat einen großen Bedarf an Auszubildenden und an gut ausgebildeten Fachkräften. Wie gelingt es der Unternehmensgruppe diesen zu decken?

Die Fachkräftesicherung sei in der Unternehmensgruppe schon lange ein zentrales Thema und Chefsache, sagt Daniel Gahr. Der Vorstand der MSW AG weiß, es reicht nicht, eine tarifvertragliche Bezahlung zu gewährleisten. 2017 trat Daniel Gahr sein Amt als MSW-Vorstand an und ließ sich eine Liste der »Zusatzleistungen« für Arbeitskräfte der Mainzer Stadtwerke erstellen. Darunter waren und sind u.a.: Firmen Card, Job-Ticket, Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (durch flexible Arbeitszeitmodelle und Schichtplangestaltung, Gleitzeit, Mobiles Arbeiten, Kooperationen mit Kindertagesstätten, Angeboten zur Kinderferienbetreuung, Teilzeit auch für Führungskräfte, Angebote für Beschäftigte mit Pflegeaufgaben), Gesundheitsprogramm, mobiles Arbeiten (schon lange vor dem Pandemie-bedingten Homeoffice-Schub). Aktuell könnten mehr als 100 Mitarbeitende mindestens zwei Tage in der Woche von zuhause aus arbeiten, sagt Gahr.

Auf dem Foto: Ein angehender Anlagenmechaniker bei der MSW-Tochter Mainzer Netze GmbH

Die Tatsache, dass die MSW auch 2022 alle ausgeschriebenen Azubi-Stellen besetzen konnten, spreche für die Attraktivität als Arbeitgeber, meint Gahr. Im August 2022 starteten bei den Mainzer Netzen 19, bei der Mainzer Mobilität 18 und bei der KMW 9 – insgesamt 46 neue Azubis. Aktuell bilden die MSW 100 Azubis in zehn verschiedenen Berufen aus. »Aber es wird immer schwerer, alle Azubi-Stellen zu besetzen, auch bei uns«, stellt Gahr fest. Die Unternehmensgruppe versuche schon lange, dem entgegenzusteuern, bespiele alle Socialmedia-Kanäle, präsentiere sich auf Messen und in Schulen, schalte Anzeigen und sei im Sponsoring aktiv.

In den Personalabteilungen und als Ausbildungsmeister kümmern sich rund zwölf Leute intensiv um das Thema Ausbildung. Das Budget 2022 für das Ausbildungsmarketing bei den Mainzer Stadtwerken, für Anzeigen und Sponsoring beläuft sich auf knapp 50.000 Euro.

Bei all ihren Bemühungen müssen sich die Mainzer Stadtwerke der Tatsache stellen, dass sie in vielen Bereichen nahezu unsichtbar arbeiten: Die Versorgungsleitungen liegen in der Erde; wie Gas, Wasser und Fernwärme in die Leitungen kommen, wissen die meisten Kunden und Kundinnen nicht. »Was wir als Unternehmen und damit unsere Mitar­beiter:innen leisten müssen, damit all das reibungslos funktioniert, müssen wir immer wieder kommunizieren.« Im Verlauf der Corona-Pandemie sei vielen Menschen erst bewusst geworden, dass die MSW für die Daseinsvorsorge stehen und ihre Dienstleistungen systemrelevant sind; spätestens mit den aktuellen Problemen der Energieversorgung sei klar, die Stadtwerke-Produkte sind unverzichtbar. Aufgrund dieser Erkenntnis würde die Arbeit bei den Stadtwerken inzwischen als »sinnvoll« erkannt, resümiert Gahr. Ein Aspekt, der in der Lebensplanung jüngerer Menschen eine große Rolle spiele und auch die Berufswahl mitentscheide. »Ein attraktives Arbeitsleben und eine sinnvolle Beschäftigung sind aber auch für die Rekrutierung von Fachkräften zentrale Aspekte und helfen, Mitarbeiter:innen an das Unternehmen zu binden.« Erkenntnisse, die sich in der MSW-Dachmarke niederschlagen: »Wofür stehen wir als Unternehmensgruppe und wie erklären wir das den Menschen, beschäftigt uns immer wieder aufs Neue«, sagt Gahr. Ein sichtbares Aushängeschild, das bunte »M«, signalisiere z.B.: »DA SEIN. VOR ORT. Die Infrastrukturen und Angebote der Mainzer Stadtwerke sind die Lebensadern der Region, sie sichern nachhaltig die Lebensqualität der Menschen und gestalten die Zukunft kompetent, flexibel und partnerschaftlich.«

»Wir müssen das Umfeld mehr in den Blick nehmen«

Der MSW-Vorstand nennt einen weiteren Aspekt, der für die Anwerbung von Arbeitskräften immer wichtiger wird. Um ihren Bedarf an Fahrer:innen für Busse und Straßenbahnen zu decken, rekrutiert die MSW-Tochter Mainzer Mobilität Arbeitskräfte im Ausland. »Die unterstützen wir beim Deutschlernen, aber wir müssen nicht nur in die Arbeitskraft selbst investieren, sondern auch in ihr Umfeld.« Gahr spricht von den Familien, denen das Ankommen, Hineinwachsen in den deutschen Alltag erleichtert wird und nennt als Beispiel die Wohnraumbeschaffung. »Wir haben im Zollhafen in einem Baufeld Belegungsrechte für Mitarbeiter:innen von uns gesichert, für diese Wohnungen ist ein Wohnberechtigungsschein nötig. Wir helfen bei den Antragsformalitäten, denn auch in solchen Angelegenheiten müssen wir den Menschen, die hier arbeiten wollen und können, beistehen.« Ein anderes Beispiel für die Einbindung des Umfeldes ist das Projekt »Frauen in Fahrt«, das die Mainzer Mobilität gemeinsam mit dem Jobcenter durchgeführt hat: Drei alleinerziehende Mütter wurden zu Straßenbahnfahrerinnen ausgebildet, arbeiten seit April bei der Mainzer Mobilität und können Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut bringen.

Die Investitonen sind notwendig

Ein weiteres Pfund, mit dem die Mainzer Stadtwerke bei der Sicherstellung ihres Fachkräftebedarfs wuchern können, sind die knapp 2000 Mitarbeiter:innen – die aktiv aufgefordert sind, ihren Arbeitgeber weiter zu empfehlen, auch über die eigene Familie hinaus. Denen aber auch Vorschläge, wie die Aktion »Arbeitsplatztausch« die Bandbreite der Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens vor Augen führen: Wo möglich, können Mitarbeiter:innen für eine gewisse Zeit einen anderen Arbeitsplatz »ausprobieren«, bevor sie sich für einen Wechsel entscheiden. Angestrebt wird auch unternehmensintern die Nachfolge von Führungskräften zu sichern, in dem Nachfolger:innen aus den eigenen Reihen längerfristig eingearbeitet werden. »Natürlich ist das alles viel Aufwand und es kostet auch viel Geld, aber es geht nicht anders und der Aufwand wird in den kommenden Jahren noch zunehmen«, ist der MSW-Vorstand sicher.

| SoS
Welche Unterstützung die Mainzer Agentur für Arbeit leistet, um Menschen in ARbeit zu birngen, lesen Sie hier