Der Geldsegen, den die Gewerbesteuer-Zahlungen eines Unternehmens in die Mainzer Stadtkasse gespült hat, soll zukunftsträchtig ausgegeben und investiert werden.

Abheben ist seine Sache nicht. Günter Beck, seit 2010 Finanzdezernent und Bürgermeister der Landeshauptstadt wirkt geerdet. Dass er sich freut, ist ihm aber anzusehen. Er und Stefan Mossel, Leiter des Mainzer Amtes für Finanzen, Beteiligungen und Sport, dürften mit am besten wissen, welche Erleichterungen die Politik-Gestaltung erfährt, dank des 1,09 Milliarden-Überschusses in diesem und dem voraussichtlich 490 Millionen-Überschuss im kommenden Jahr. Schließlich waren die Prognosen für die Corona-Jahre besorgniserregend

Ganz nüchtern: die Zahlen

Die Entwicklung des Etats der Stadt Mainz wird im laufenden Jahr durch die Finanzverwaltung überprüft. Bis zum 30. September eines jeden Jahres ist festzustellen, ob die im Etat prognostizierten Einnahmen und Ausgaben mit der realen Entwicklung übereinstimmen. Am 30.09.2021 lautete die Prognose: Das Haushaltsjahr 2021 wird mit einem Überschuss von 11,6 Millionen € abschließen. Dieser Überschuss wurde nun korrigiert auf 1,09 Milliarden €. Dass der in Mainz ansässige Impfstoffhersteller BioNTec für höhere Gewerbesteuer-Einnahmen sorgen würde, war schon länger bekannt. Wieviel das Unternehmen zahlt, unterliegt dem Steuergeheimnis.

Angepasst hat die Finanzverwaltung auch die Prognose für das Haushaltsjahr 2022. Anstelle des erwarteten Überschusses in Höhe von 8,3 Mio. € wird nun ein Überschuss von 490,8 Mio. € prognostiziert. Darin eingerechnet sind die Gewerbesteuer-»Mindereinnahmen« in Höhe von 351,6 Mio. €, die durch die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes entstehen. »Mindereinnahmen« denn: Finanzdezernent Günter Beck und Oberbürgermeister Michael Ebling, die Mitte November gemeinsam den enormen Etat-Überschuss bekannt gaben, kündigten dabei ebenfalls an, den Gewerbesteuerhebesatz zu senken: von 440 auf 310 Punkte. Das kommt grundsätzlich allen Unternehmen zugute, die in Mainz Gewerbesteuer zahlen.

Für 2022 bedeutet das, die Stadt »verzichtet« auf die eingeplanten 351,6 Mio. € Gewerbesteuer. Auch für die Folgejahre werden die Gewerbesteuereinnahmen kontinuierlich weiter sinken: 2023: auf 424,5 Mio. €, 2024: auf 333 Mio. €, 2025: auf 338 Mio. € (jeweils Nettobeträge). Aber: Finanzdezernent und Finanzverwaltung haben dabei die Einnahme- und Ausgabesituation genau im Blick. »Wir werden prüfen, ob sich die Stadt diese niedrigen Gewerbesteuern weiterhin leisten kann«, kündigt Beck an.

Schlüsselzuweisungen allgemeiner Art

Dem Geldsegen auf der einen Seite folgen Mindereinnahmen und höhere Abgaben auf der anderen Seite. So wird die »Schlüsselzuweisung« des Landes ab 2023 jährlich um 61 Mio. € sinken. Es gehe hier um Schlüsselzuweisungen allgemeiner Art, erläutert Stefan Mossel. Deren Höhe richte sich nach dem Steueraufkommen der jeweiligen Kommune: da Mainz nun ein hohes Steueraufkommen habe, erhalte die Stadt geringere Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich. Die 61 Mio. €, die Mainz künftig weniger erhält, können auf die anderen Kommunen in RLP verteilt werden. Verabschiedet wird die Stadt auch aus dem Kommunalen Entschuldungsfonds KEF. Mainz hätte noch weitere fünf Jahre vom KEF profitieren können, etwa 105 Millionen Euro weniger vom Land heißt das in der Summe.

Die Gewerbesteuerumlage für Land und Bund, die Mainz bezahlen muss, steigt um das Fünffache: von 13,7 Mio. € auf durchschnittlich 66 Mio. € jährlich in den Jahren 2021-2025. Mainz habe schon immer eine Gewerbesteuer­umlage an Land und Bund bezahlt, so Mossel. Auch diese Zahlung orientiere sich an den Einnahmen der Stadt und steige deshalb auf 66 Mio. € – der Betrag wandert in den großen Steuertopf von Bund und Land und kann andernorts oder anderweitig ausgegeben werden.

Wohin mit dem vielen Geld?

»Wir werden in die Zukunft investieren«, sagt Günter Beck. An erster Stelle steht dabei die Schuldentilgung. Die Liquiditätskredite werden bis Ende 2022 von derzeit 634 Mio. € auf null €. getilgt. Da Mainz knapp 1,3 Mrd. € Schulden hat, bleiben immer noch etwa 600 Mio. € Schulden. Das sind Investitionskredite mit langfristigen Laufzeiten, denen außerdem ein Gegenwert gegenübersteht, erläutert Mossel, denn: Mit diesen Krediten werden Schulen, Kitas und Sportplätze gebaut und saniert. Der Finanzdezernent kündigt Maßnahmen an, die für eine »nachhaltige Sicherstellung ausgeglichener Ergebnis- und Finanzhaushalte in den Folgejahren« sorgen sollen und nennt zuerst »Maßnahmen für eine nachhaltige Senkung der Ausgaben (z.B. Kauf/Investitionen zur Reduzierung von Mietzahlungen/-aufwendungen)«.

Gemeint ist damit, dass die Stadt Gebäude erwerben will, in denen die Verwaltungsmitarbeiter:innen unterkommen und die für die zeitweise Unterbringung von bspw. der unter Denkmalschutz stehenden Einrichtungsgegenstände des Rathauses nutzbar sind. Zuerst müsse allerdings eine Liste aller Objekte erstellt werden, in denen Menschen arbeiten, in denen Materialien untergebracht sind und für die teilweise Miete gezahlt werde. Als Beispiel nennt Beck die Bonifatius-Türme, in denen u.a. die Verkehrsüberwachung ihren Sitz hat. Auch die »Bodenbevorratung für Ansiedlung und Erweiterung von Unternehmensflächen und Wohnungsbau« ist als Investition in die Zukunft zu verstehen. Welche Flächen der Bürgermeister im Auge hat, sagt er natürlich nicht.

Finanzspritze für die Mainzer Mobilität

Bei den Investitionen in den Mainzer ÖPNV wird er konkreter. Bislang muss jeder Bus, jede Straßenbahn, die für die Mainzer Mobilität neu angeschafft werden, von dem Verkehrsunternehmen selbst oder von der Konzernmutter Mainzer Stadtwerke bezahlt werden. Hier will die Stadt nachhelfen. »Entweder mit einem einmaligen Zuschuss oder mit kontinuierlichen Beiträgen«, sagt Beck und schränkt ein: »Auch hier gilt: vorbehaltlich der Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben in den kommenden Jahren.«

Die »Zuführungen zum Pensionsfonds zur Entlastung zukünftiger Haushalte« ist ebenfalls eine Investition in die Zukunft – die schon bald beginnt. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen auch in der Mainzer Stadtverwaltung demnächst in Rente oder in Pension. Die Stadt als Arbeitgeber ist verpflichtet die Pensionen durch Rückstellungen abzusichern und wird diese Zahlungen jetzt erhöhen. »Falls sich die Einnahmesituation wieder ändert, ist der Rückstellungs-Fonds gefüllt und wir müssen für die Pensionszahlungen keine Kredite aufnehmen.«

Entspanntes Verhältnis

Die Stadt Mainz hat sich in den vergangenen Jahren von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD oft gegängelt gefühlt. Sowohl Beck als auch OB Ebling vertraten öffentlich die Ansicht, die Konsolidierungsbemühungen der Stadt Mainz seien nicht ausreichend von der ADD gewürdigt worden. Nun wird die ADD zwar weiterhin den Haushaltsentwurf der Stadt Mainz prüfen, aber: So lange der Mainzer Etat dem »Haushaltsausgleichsgebot« entspricht, solange Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht sind, kann die ADD keinen Einspruch mehr gegen die Zahlung »Freiwilliger Leistungen« erheben. »Wir haben mehr Beinfreiheit« fasst Günter Beck diese Tatsache zusammen.

(Hinweis d. Red.: Am 24. November 2021 beschloss der Mainzer Stadtrat die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 310 Punkte ab dem Haushaltsjahr 2022.)

| SoS

 

Überschuss von 40 Mio. Euro im Mainzer Etat