Eine Sinfonie von Speisen, abgestimmt auf die verschiedensten Geschmäcker, mit dramatischen Höhepunkten und einer Verbeugung vor dem Great Wine Capitals Netzwerk: Zum grünen Kakadu.

»Wusstest Du eigentlich, dass es grüne Kakadus überhaupt nicht gibt?« Mister X hebt eine Augenbraue, bleibt aber weiter in die »Zum grünen Kakadu-Speisenkarte vertieft«. »Ja, steht alles im Vorwort der Karte – und bevor Du weiter fragst: Das Lokal ist nach der Theatergroteske ›Der grüne Kakadu‹ des österreichischen Dramatikers Arthur Schnitzler benannt«. Schade, ich hätte ihn schließlich gern an meinem neu erworbenen Wissen teilhaben lassen.

Drama und Ironie sind Themen im Grünen Kakadu. Kein Wunder, denn als das exponierte Lokal neben dem Mainzer Staatstheater frei wurde, griff Intendant Markus Müller beherzt zu und wurde als Chef über den Spielplan von Theater, Oper, Ballett und Orchester auch noch Gastronom. Das wirkt sich besonders aus im ersten Stock in der »Kakadu Bar«, die nun zu literarischen und musikalischen Salons einlädt. Aber auch im Gastraum im Erdgeschoss ist die Nähe zum Theater spürbar. Mit Raumteilern, die aussehen wie Kulissen, einem Entrée mit Bar, das an ein Varieté erinnert und mit einer mutig-poppigen grasgrünen Gummi-Mooswand, die den Regenwald – die Heimat des Kakadus – zitiert.

Das schlägt auch auf die Speisenkarte durch, deren Abendausgabe (18 Uhr bis 21.30 Uhr) als Sinfonie daherkommt. So auch bei der Waldpilz-Crèmesuppe (6 Euro), die nicht nur wegen ihres Phantasienamens »Hänsel und Gretel« (nach der Märchenoper von Humperdinck) mein Interesse findet. Quer um den halben Globus geht dann die Reise zu einer Garnelen-Kokos-Bowl (17 Euro), die in der Küche wahrscheinlich von Madame Butterfly zubereitet wird.

Mister X mag es da bodenständiger. Er entscheidet sich für eine kleine Tomaten-Crémesuppe (4,50 Euro) und ein Wiener Kalbsschnitzel (24 Euro).



Speisekarten mit System

Was zunächst verwirrend erscheinen mag, hat System. Der Kakadu hat drei Karten: Eine Mittagskarte (12 bis 14.30 Uhr), auf der im Tageswechsel Gerichte – immer auch vegetarisch oder vegan – für unter zehn Euro zu haben sind. Dann eine Tageskarte, die Wert auf saisonale und regionale Gerichte legt (von Rumpsteak und Wildschwein bis Handkäs und Fleischwurst). Und schließlich die erwähnte Abendkarte, bei der die Küche von ausgesucht feinen Vorspeisen (Kalbs-Tafelspitz, gebeizte Jakobsmuschel, geschmorter Radiccio, je um neun Euro) bis zum großen Hauptgericht (pochierter Hirschrücken, geschmorte Ochsenbacke, Heilbutt im Brickteig, Kürbispolenta, zwischen 18 und 24 Euro) dramatisch werden darf.

Kurze Wartezeiten

Eine sehr kurze Wartezeit und schon stehen unsere Suppen auf dem Tisch. Meine Waldpilzsuppe ist cremig und auf intensivsten Geschmack reduziert, aufgepeppt mit knusprigem Schinken-Crunch und allerdings weichen Kartoffelchips, die Tomaten-Crémesuppe von X fruchtig und erfreulicherweise nicht totpüriert. »Sehr gut«. Der Meister ist zufrieden.

Wussten Sie, was den Kakadu wesentlich von Papageien unterscheidet? Es ist die Federhaube, die je nach Erregungszustand flach angelegt oder weit gesträubt ist. Mister X jedenfalls scheint leicht erregt zu sein. Die Haubenfedern stellen sich leicht auf, als er die Kapern auf seinem Wiener Schnitzel zählt. Wie er es auch wendet, es bleibt bei einer. Der herbei gerufene Ober indessen lässt sich nicht ansehen, was er denkt und serviert gefühlte Sekunden später ein Schälchen mit prächtigen Kapernäpfeln.

Die Federn legen sich wieder, zumal der Meister nicht umhin kommt, anzumerken, dass die Oberschale vom Kalb perfekt platziert und professionell paniert und ausgebraten wurde. Einzig mit dem begleitenden Apfel-Rotkraut-Salat kann er wenig anfangen. Sicherheitshalber probiere ich davon und gebe ihm Recht.

Beeindruckt mich aber nicht, da ich mit meiner Garnelen-Kokos-Bowl sehr zufrieden bin. Über einem Reis-Timbale verbreiten sich knackige Gemüsestreifen, Edamame-Bohnen, Sojasprossen und Mangowürfel (waren die sauer eingelegt?) im Kokosrahm zu einem harmonischen Ganzen. Ich hätte mir noch etwas Ingwer-Pepp gewünscht, aber mit asiatischer Schärfe wird die Küche bei ihrer Kundschaft schon einschlägige Erfahrungen gemacht haben.

Vielseitige Auswahl an Weinen

Zum Essen haben wir uns zwei saftige Weißweine (2020 Grauburgunder trocken vom Weingut Beck, Stadecken-Elsheim, und 2019 Sauvignon Blanc trocken vom Weingut Hofmann, Appenheim) schmecken lassen. Wie überhaupt Mister X die vielseitige und große Auswahl offener Weine der regionalen Güter lobt. Dass er – was die Karte gar nicht anbietet – nur ein Piffchen trinken wollte, entlockte dem Kellner nur ein freundliches Lächeln: »Selbstverständlich«.

Noch ein Wort zur Weinkarte: Bei den Flaschenweinen bekennt sich der Kakadu zu Rheinhessen und jenen Gütern, die in den zurückliegenden Jahren von sich reden machten. Ein Schwerpunkt liegt aktuell auf dem Jahrgang 2018, der mit einer Spanne zwischen 20 und 30 Euro angemessen bezahlt ist.

Und es gibt auch noch eine überraschende Verbeugung vor dem weltweiten Great Wine Capitals-Netzwerk, zu dem die Weinstadt Mainz ja als einzige deutsche Vertreterin gehört. Eine besondere Karte listet Güter von internationalem Rang aus Spanien, Australien, Frankreich, Südafrika, Italien, Argentinien, Portugal, USA, Chile und der Schweiz auf. Der Mainzer Kakadu kann also auch international.

| Lou Kul

ESSEN8,0
TRINKEN8,0
SERVICE8,0
AMBIENTE8,0
PREIS/LEISTUNG8,0
GESAMT40,0 : 5 = 8,0 KAPPEN

Fazit

Ein in jeder Hinsicht ungewöhnliches Lokal. Der erfreuliche Zuspruch der hungrigen Gäste (Tischreservierung zu allen Zeiten empfohlen) zeigt jedoch, dass die Mainzer große Sympathie fürs Theater haben. Die Küche schafft den Spagat zwischen preiswertem Mittagstisch, regional-bodenständigen Kleinigkeiten und der großen Koch-Geste. Der flotte Service ist auch unter Stress im Lächel-Dauermodus. Die Weinkarte lässt für einen Rheinhessen und für gelegentliche Ausflüge ins internationale Fach keine Wünsche offen. Es gibt sogar eine eigene Theateredition rheinhessischer Weine, die zum Mitnehmen oder Verschenken angeboten werden. An grüne Mooswände muss sich der eine oder die andere vielleicht erst gewöhnen, aber der Gastraum hat auch ein paar Rückzugsräume. Einen grünen Kakadu gibt es am Ende dann doch: Ein Hauscocktail mit Sekt, grünem Bananenlikör, Apfel- und Grapefruitsaft (6,50 Euro). Wer sich von Küche und Keller überzeugen lässt, wird demnächst vielleicht auch auf den Bar-Salon im Obergeschoss neugierig. Den Wirts-Intendanten würde es sicher freuen.

Zum Grünen Kakadu
Gutenbergplatz 3-5
55116 Mainz
Telefon 06131 2851 281
www.zumgruenenkakadu-mainz.de
gastronomie@staatstheater-mainz.de
Öffnungszeiten:
Montag bis Sonntag ab 12 Uhr
Samstags ab 10 Uhr