Parmesan-Curry-Butter, Leberwurst und fermentierte Aprikosen. Im »Esszimmer im Weinzuhause« in Mommenheim ist Kochen Handwerkskunst.

Wenn man an einem Reißbrett einen Ort in Rheinhessen entwerfen dürfte, an dem sich das Beste aus der Region auf dem Teller und im Glas präsentieren soll, käme man wahrscheinlich auf einen Weg, wie ihn die Mommenheimer Winzerfamilie Becker eingeschlagen hat. In den Wirren der Coronazeit haben Stefanie und Thomas Wild mitten in den Weinbergen von Mommenheim ihr »Esszimmer im Weinzuhause« errichtet – Hotel, Restaurant und Vinothek. Wie eine Landmarke überragt der mutige Hightech-Bau die Rebzeilen, mit natürlichen Materialien, wo immer es geht, in der Versorgung und Bewirtschaftung nachhaltig, wann immer es geht. Große Fensterflächen unterstreichen das Besondere an diesem Standort: den weiten Blick über die rheinhessische Hügellandschaft.

Drinnen halten sich Moderne und Tradition die Waage. Fässer und Weinaccessoires einerseits, klare Linien, modernes Design-Mobiliar andererseits,  natürliche Farben – und viel Licht.

Was verspricht Küchenchef Marius Mück? Nachhaltigkeit und möglichst regionale Grundprodukte. Was liefert er? Anspruchsvolles Handwerk, geschmackvolle Präsentation und immer wieder Aroma-Überraschungen.

Mit dem Angebot von rheinhessischen Weinstuben-Schmankerln verbeugt sich die Küche vor ihrem Standort. Die interessanteren Akzente setzen jedoch die den Jahreszeiten folgenden saisonalen Gerichte, über deren Ausrichtung allein Genuss und Gaumen entscheiden. Da dürfen auch Berberitzen in den Spundekäs und das Landschwein badet im Fichtenhonig-Soja-Lack.




Kapern-Sardellen-Oliven-Tapenade

Aber der Reihe nach. Der gut gelaunte Service bringt zur Begrüßung erst einmal eine Brotauswahl und zwei Halbkugeln aufgeschlagener Butter als erstes Ausrufezeichen. Mister X verdreht verzückt die Augen beim Genuss der Parmesan-Curry-Butter. Mein Favorit ist die Kapern-Sardellen-Oliven-Tapenade. Bis in die Nuancen fein abgeschmeckt. Dagegen kommt der kräftige Gruß aus der Küche, ein Würfel vom Rinderbäckchen auf einer konzentrierten Jus, fast grobmotorisch daher. Die Latte liegt jetzt schon hoch.

Wir stellen Tradition und Moderne auf die Probe. Mit Mister X teile ich eine »Landpartie« (19 €), die in Weinstuben gängige Aufschnittplatte. Das ist keine große Küchenleistung, gibt aber Hinweise, wie hoch der Anspruch an Grundprodukte genommen ist. Drei Käsesorten (Ziege, Weichkäse, Bergkäse), kräftig geräucherter Rohschinken, fleischige Pfefferbeißer und eine handwerklich hergestellte Leberwurst erweisen sich als grundsolides Angebot, das gekrönt wird von vorzüglich abgeschmecktem Griebenschmalz und zartschmelzendem Gänseschmalz. Der Albtraum des Vegetariers.

 

Ein raffiniertes Kabinettstückchen…

… ist dagegen das vegetarische gebackene Land-Ei (13 €). Mit Panko paniert, ergießt das weich gegarte Ei beim Zerteilen seinen Dotter über ein Bett von Gemüse-Julienne. Haupt-Aromaträger ist hier eine Kimchi-Mayonnaise, die das Land-Ei zum internationalen Star macht.

Wir testen drei Hauptgerichte. Der fangfrische Wolfsbarsch (35 €) wird als farbenfrohes Kunstwerk serviert. Fest gepackte Wirsing-Röllchen tragen aufrecht stehend eine Krone aus rotem Firschrogen. Begleitet werden sie von fermentierten Aprikosenstücken und roter Bete. Es sind verschiedene Aromenwelten. Zusammengehalten werden sie nur von einer Miso-Beurre Blanc. Die aromatisierte Buttersauce schafft das mit einer vollen Umami-Breitseite.

Geschmorte Rinderbäckchen (36 €) werden häufig angeboten, aber höchst selten so unvergleichlich zart und saftig wie hier. Als Kontrast wäre ein wenig Crunch willkommen. Der Kartoffel-Baumkuchen – schön anzusehen – liefert ihn allerdings ebensowenig wie Urkarotte und eingelegte Schalotte.

Bleibt noch das Safran-Risotto (27 €) als vegetarisches Hauptgericht. Gelb-orange leuchtend, schlotzig mit Biss im Kern. Ein perfektes Risotto, assistiert von eingelegten Kürbisstreifen, die nachweihnachtlich von Zimt und Nelke umweht sind. Gebratene Pilzscheiben, knusprige Haselnüsse und dick-cremige Parmesanspäne vollenden eine vegetarische Hauptspeise, die auch Fleischliebhaber vollends überzeugen sollte.

Zum Weinangebot

In Restaurants von Winzern kommen die Weine und Sekte auf der Karte häufig ausschließlich aus dem eigenen Keller. Das ist manchmal riskant, hier passt es. Mit Grauburgunder und Scheurebe, beide Jahrgang 2022 beide trocken, kommen lebendig-frische Gutsweine ins Glas. Sie überzeugen mit Aromen von weißen Früchten und – bei der Scheureben – grünem Paprika und Litschi. Ein 21-er Merlot-Gutswein präsentiert aromaschwere dunkle Beeren und ein ausgeprägtes Tannin-Rückgrat. Mit unter sechs Euro für den Schoppen sind diese Weine sehr respektabel.

| Lou Kull

ESSEN9,0
TRINKEN8,0
SERVICE8,5
AMBIENTE8,5
PREIS/LEISTUNG8,5
GESAMT42,5: 5 = 8,5 KAPPEN

Fazit

Nach gut einem Jahr hat sich das »Esszimmer« im »Weinzuhause« in Mommenheim bestens etabliert. Die Frischeküche von Marius Mück ist für die gehobene Gastronomie der Region eine Bereicherung. Handwerklich auf hohem Niveau sind insbesondere die kleinen Aroma-Akzente aus der asiatischen Küche jeden Weg in den Mommenheimer Weinberg wert. Architektur und Lage schaffen ein einzigartiges Ambiente, der Service ist gut aufgelegt. Das Familienweingut steuert Weine auf einem guten Niveau bei. Die selbstbewussten Preise im »Esszimmer« sind dank der hohen Qualität und Bandbreite des Gebotenen gerechtfertigt.

Esszimmer im Weinzuhause Mommenheim
Endbergshohl
55278 Mommenheim
Telefon: 06138 9 42 99 80
www.meinweinzuhause.de
info@meinweinzuhause.de
Öffnungszeiten
Snackkarte: Mo-So 12 bis 17 Uhr;
warme Küche à la carte:
Mi-So 18 bis 21 Uhr