Der Olivengarten in der Mainzer Oberstadt setzt auf mediterrane Aromen. Große Auswahl an Fleisch- und Fischgerichten.
Die Gastronomie-Landschaft ist in Bewegung. Pandemie und in der Folge Fachkräftemangel, Inflation und zuletzt Mehrwertsteuererhöhung wirbeln die Branche durcheinander. Auch in Mainz. Etliche Betriebe, darunter viele hoffnungsfrohe Neugründungen der vergangenen Jahre, mussten in den zurückliegenden Monaten aufgegeben.
Umso höher darf man all diejenigen wertschätzen, die Wege gefunden haben, den Widrigkeiten zu trotzen. Dazu gehört auch der »Olivengarten« in der Oberstadt. Etwas versteckt gelegen auf dem Gelände des Tennisclubs (TSC Mainz) am Ebersheimer Weg, ein sonst eher ruhiges Viertel. Im Sommer mit Blick hinaus auf den Tennisbetrieb, im Winterhalbjahr auf die Traglufthalle, die sich über die Plätze spannt (muss man mögen). Die Tische sind eingedeckt, stehen aber recht eng. Den Charme des Vereinsheims wird der Olivengarten nicht so richtig los. Das Ganze ist eingebettet in eine baumbestandene Grünanlage – mit Parkplätzen.
Der Olivengarten bietet eine große Speisenauswahl. Dafür sorgen drei Karten: Mittagstisch (dreigängig, 12,50 €), eine Wochenkarte mit wechselnden vegetarischen, Fleisch- und Fischgerichten und die Standardkarte, die neben einer großen Auswahl von Nudelzubereitungen und Pizza (zwischen 9 und 16,50 €) auch eine gute Auswahl von Fisch- und Fleischgerichten (Schwein/Kalb/Rind) im Angebot hat. Fisch und Fleisch gibt es einheitlich jeweils mit frischem gedünsteten Gemüse und Kartoffeln. Vielleicht ist das schon ein Schlüssel zu den sehr annehmbaren Preisen. Rinderfilet an Cognac-Pfeffersoße für 31,50 Euro, Schweinelende mit Gorgonzola-Sauce für 20,50 Euro oder Dorade »Royal« vom Grill für 24,50 Euro – das kann nicht jeder.
Mister X entscheidet sich schnell für Steinpilzcremesuppe (8 €) und Scaloppina »alla Romana« mit Parmaschinken und Salbei (24,50 €). Die Vorspeise nehme auch ich aus der Standardkarte: zuerst den Klassiker Vitello Tonnato (13,50 €). Danach sollen es aus der Wochenkarte mit Birne und Feige gefüllte »Caramelle«-Nudeln nebst Rinderstreifen und Gorgonzolasauce (20,50 €) sein.
Silvaner vom Weingut Fleischer
Die Weinkarte verzichtet auf die in herkömmlichen Pizzerien meist gängigen Discounter-Weine wie Chianti, Barbera, Soave und Lambrusco und bietet immerhin zehn offene Weine an, darunter auch ein Silvaner vom rheinhessischen Weingut Fleischer und einen Riesling der Winzer von Erbach im Rheingau. Der Sauvignon aus dem Friaul ist leider schon aus. Dabei hätte der mit seinem avisierten Salbei-Aroma vielleicht perfekt zum Salbei-Kalbsschnitzel gepasst. Stattdessen also ein Pinot Grigio – Braidis – aus Venetien (5,80 €), der sich dann auch folgerichtig als zweite Wahl mit wenig Frucht und schmächtigem Körper, aber immerhin mit ausgewogener Säure herausstellt. Mister X kennt deutlich ausgeprägtere Grauburgunder aus Rheinhessen zu einem vergleichbaren Preis.
Ich probiere es mit einem Süditaliener, einem Recastro Primitivo aus Apulien (7,80 €). Tief dunkles Rot, intensive Kirschnote, verhaltene Säure und samtiges Tannin kennzeichnen ihn als typischen Vertreter dieser Rebsorte, eng verwandt mit dem kalifornischen Zinfandel. Den im deutschen abschätzig klingenden Namen verdankt der Primitivo übrigens nicht seinem beschränkten Wesen, sondern der frühen Reife, klärt mich Mister X auf.
Zügig bringt der routinierte Service die Vorspeisen auf den Tisch. Die Steinpilzcremesuppe ist gut gewürzt und enthält etliche große Stück des edlen Pilzes. Sie ist allerdings nicht nur cremig, sondern schon recht dickflüssig geraten, findet mein Begleiter. Dazu und auch zu meinem Vitello wird noch warmes, knusprig aufgebackenes Weißbrot gereicht. Das sanft gekochte Kalbfleisch, eine Spur dicker aufgeschnitten als sonst üblich, ist mit einer fein pürierten Thunfischsauce überzogen. Kapern und einige große Rucolablätter geben säuerlich-würzigen Pfiff. Statt Sardellen oder Zitrone liegt eine unschuldige Scheibe eines gekochten Eis obenauf. Das ist so originell wie überflüssig.
Qualitätsunterschiede bei Hauptspeisen
Die Hauptspeisen zeigen unterschiedliche Qualität. Die Scaloppina »alla Romana« erweist sich als Variante einer Saltimbocca. Allerdings wird hier das dünne Kalbsschnitzel in den Parmaschinken eingerollt, den Salbei gibt es als Gewürzkraut in der Sauce. Die ist das Problem. Statt einer dunklen Bratensauce würde es zum Kalbfleisch besser passen, den Fond mit Weißwein einzukochen und mit Butter zu montieren.
Die Gorgonzola-Sauce zu meinen gefüllten Nudeln hingegen ist der ideale Gegenspieler zur Farce aus Birne und Feige, mit der die »Bonbon«-Nudeln gefüllt sind. Die Rinderstreifen dazu sind wundervo übrill zart. So darf ein italienisches Nudelgericht schmecken.
| Lou Kull
ESSEN | 7,5 |
TRINKEN | 7,5 |
SERVICE | 7,5 |
AMBIENTE | 7,0 |
PREIS/LEISTUNG | 8,0 |
GESAMT | 37,5: 5 = 7,5 KAPPEN |
Fazit
Es gibt in Mainz und im Umland eine Fülle von Pizzerien und es gibt besonders in der Innenstadt eine Handvoll von hochpreisigen Edel-Italienern auf bestem Niveau. Der Olivengarten ordnet sich dazwischen ein. Das gilt auch für das Getränkeangebot. Mehr als in jeder Pizzeria gibt es hier ein reichhaltiges Angebot von Fisch- und Fleischgerichten. Vielleicht sogar zu viel, sodass im Detail die wunderbare Aromenfülle der mediterranen Küche zu kurz kommt. Dennoch: Vor allem die Wochenkarte lohnt die Erkundung.