In der Mainzer Neustadt tritt »Willichs« mit mutigem Konzept an: Rein pflanzlich, aber Textur und Aromen auf höchstem Niveau.
Für ein rosarot gebratenes Rumpsteak ist Mister X immer zu haben. Insofern betreten wir heute Neuland. Im »Willichs«, vor wenigen Wochen im ehemaligen »Laurenz« in der Mainzer Neustadt eröffnet, erwartet uns eine ausschließlich pflanzliche Küche.
Jan Appeltrath (»Gasthaus Willems«) und Carl Grünewald (ehemals Küchenchef auch der Genusswerkstatt im »Atrium Hotel« in Finthen) haben sich für dieses Projekt zusammengetan, kneteten ihre beiden Zweitnamen »Willem« und »Friedrich« zusammen – und heraus kam das »Willichs«.
Äußerlich hat sich nicht viel verändert, die großen schönen Terrassen an der Ecke Gartenfeldstraße/Adam Karrillon-Straße sind geblieben. Innen ist es deutlich heller geworden, an kleinen Zweiertischen, die sich beliebig zusammenstellen lassen, sitzen die Gäste recht dicht zusammen, Foto-Kunst an der Wand kündet vom Neuanfang.
Geblieben ist auch die bemerkenswert gut sortierte große Weinkarte, das Restaurant will auch künftig als Weinbar zu den ersten Adressen gehören.
Überraschungsmenü
Der gut aufgelegte und in allen Speisen- und Getränkefragen kundige Service bringt uns die Karten. Und das ist das Neue: Vorspeisen heißen »Kohlrabi«, »Brokkoli«, »Romanasalat« und »Gazpacho«, der Zwischengang »Portobello Pilz«, die Hauptgänge »Rote Bete Maultaschen«, »Fregola Sarda«, »Blumenkohl Tempura« und »Knollensellerie«. Kein Frikassée aus Sojaschnetzeln, keine Grünkern-Buletten, kein Mock-Chicken oder Bratwurst aus Seitan, keine Burgerpatties aus Süßlupinen, keine Riesengarnelen aus Yamswurzelpulver. Im Willichs geht es vor allem um eines: Gemüse.
Wer Lust hat, sich überraschen zu lassen, kann auch ein 4-Gänge-Überraschungsmenü für 49 Euro ordern. Das geht allerdings nur tischweise.
Jeder Teller für sich ist ein kleines Kunstwerk. Der roh marinierte Kohlrabi (15 €), zu kleinen Päckchen zusammengerollt, auf Bulgursalat, mit Kapuzinerkresse und Dill-Öl ist frisch und knackig. Der nur kurz blanchierte Brokkoli
(14 €) ist in Liebstöckelmayonnaise getaucht und steckt kopfüber in einem Röstbrot-Buchweizen-Knusper. Ein krachendes Texturwunder! Die tiefrote Gazpacho (12 €) holt das konzentrierte Aroma aus Tomaten und Paprika heraus. Dazu gibt es Fladenbrot.
Dem marinierten und gebratenen Portobello Pilz (16 €) als Zwischengang mit Hummus aus weißen Bohnen und einem intensiven Petersilienpesto folgen als Hauptgang Rote Bete Maultaschen (24 €) unter einem Berg von zart-süßen karamellisierten Zwiebeln und cremigen Ofenkarotten auf einer fruchtigen Orangereduktion. Wahrscheinlich beim Abschmälzen sind die Nudeln teilweise etwas hart geworden.
Und wie geht es unserem Fleischfreund Mister X? Er schwärmt von seinem knusprigen Blumenkohl Tempura (21 €), ordentlich süß-scharf mariniert, mit Teig überzogen und knusprig frittiert. Dazu gibt es einen cremigen Cole Slaw-Salat und Frühlingslauch.
Einzigartige Desserts
Selbst die Desserts sind außergewöhnlich. Eine Erdbeertartelette (12 €) wird serviert mit einer Crème aus Getreidekaffee, dazu gibt es marinierte Erdbeeren und Verjus, also säuerlichen Saft von unreifen Trauben.
Ein Genuss ist auch das Rhabarberragout (10 €), dessen heimlicher Star eine große Nocke von Wacholdercrème-Eis ist, nebst salzigem Mandelkrokant.
Wen Sorgen umtreiben, dass zu der Gemüseküche die Weinauswahl schwierig sein könnte, sei beruhigt. Eine fruchtig-wuchtige 2023-er Scheurebe (0,2 l/7,50 €) vom Appenheimer Weingut Bischel macht sich prächtig zu den Vorspeisen. Der 2023-er Blanc de Noir (6,90 €) vom Weingut Fogt aus dem rheinhessischen Badenheim mit kräftiger Nase und einem Hauch von roten Beeren hält der würzigen Gazpacho stand, und ein 2023-er Primitivo (7,10 €) von San Marzano in Apulien begleitet – trotz seiner Jugend – mit warmen Kirschnoten und zurückhaltendem Tannin die erdigen Töne der Rote Bete Maultaschen aufs Beste.
Carl Grünewald ziert sich, wenn es um Kategorisierungen wie »Vegetarisch« oder »Vegan« geht. Zusammen mit Küchenchef Sebastian Schmidt, den er vom »Atrium« in die Neustadt mitgenommen hat, will er einfach nur »richtig geiles Essen aus pflanzlichen Produkten, regional und saisonal« auf den Tisch bringen. Das gelingt ihm schon gleich zu Beginn.
| Lou Kull
ESSEN | 9,0 |
TRINKEN | 9,0 |
SERVICE | 8,5 |
AMBIENTE | 8,0 |
PREIS/LEISTUNG | 9,0 |
GESAMT | 43,5,0: 5 = 8,7 KAPPEN |
Fazit
Ein Glück für die Mainzer Gastro-Szene, dass Jan Appeltrath und Carl Grünewald das Risiko eingegangen sind, eine völlig neue kreative Küche in der Stadt zu entwickeln. Vegetarier und Veganer finden hier einen naturnahen Genusstempel für ihre Bedürfnisse ohne Fake-Fleisch, Analog-Käse und »Textured Vegetable Protein«. Fleischliebhaber können sich überzeugen lassen, dass Essen auf hohem Niveau auch ohne tierische Produkte möglich ist. Der Service ist bereits eingespielt. Insbesondere in der warmen Jahreszeit lässt es sich auf der Terrasse wunderbar chillen. Die Preise – sowohl für Wein als auch für das Essen – stehen in einem sehr gastfreundlichen Verhältnis zur gebotenen Qualität.
Willichs Weinbar Restaurant
Gartenfeldstraße 9
55118 Mainz
Telefon: 06131 33 971 33
www.willichs-mainz.de
post@willichs-mainz.de
Öffnungszeiten:
Mo bis Sa ab 17 Uhr
Mittags ab 12 Uhr