Das Landrestaurant Tacheles in Flörsheim-Dalsheim bietet tadelloses Küchenhandwerk, besondere Wildgerichte, Wein aus ökologischem Anbau – und das zu sehr moderaten Preisen

Mister X redet gern Tacheles, kommt also meist schnurstracks auf den Punkt. Deshalb ist er mächtig gespannt, was es wohl heißt, wenn eine Restaurantküche »Tacheles« als Konzept erkoren hat. Wir sind in Flörsheim-Dalsheim im Süden Rheinhessens.

Nach ihrer Ausbildung in mehreren Sterne- und Gourmetrestaurants hat Küchenmeisterin Diana Schmitt vor sechs Jahren die ehemalige Gutsschänke Schmitt von ihrer Mutter Gabriele übernommen und führt das gastliche Haus seitdem als »Tacheles Landrestaurant«. Ihr Credo am Herd: »Ehrlich, geradlinig, ohne Schnickschnack«.

Hat man erstmal die steile Treppe vom Weedenplatz hinauf zum Restaurant erklommen, eröffnet sich die »Tacheles-Welt«. Lichtdurchflutet präsentiert sich der fast hallenähnliche Gastraum, flankiert von einem  Raum mit gedämpferem Licht. In Verbindung mit hellem Holz verbreitet das raffinierte Farbkonzept Grau-Weiß-Weinrot eine moderne Landhausatmosphäre, die aber auch Behaglichkeit ausstrahlt – nicht zuletzt wegen der sehr bequemen Polsterstühle. Prächtige Geweihe an der Wand weisen auf eine Besonderheit im »Tacheles« hin: Vater und Tochter Schmitt gehen mit Leidenschaft auf die Jagd im eigenen Revier. Wenn auf der Speisenkarte Wild steht – und das ist die Regel –, hat es die Meisterköchin häufig selbst erlegt.




Abenteuerspielplatz der Texturen

Aber der Reihe nach. Mister X ist ungewohnt still, als er die ersten Löffel seiner Rahmsuppe mit Kräutern und geräucherter Forelle (9,20 €) probiert. »Zubereitung ohne Fehl und Tadel«, urteilt der Meister und schiebt sich genüsslich ein Stück des Räucherfischs in den Mund. Und auch auf meinem Teller gibt es Anlass zum Staunen. Eine harmlos klingende Frischkäse-Meerrettich-Mousse mit Rote-Beete-Salat, Nüssen und Baguette (11,90 €) entpuppt sich im Mund als Abenteuerspielplatz der Texturen. Schaumig-cremig die kräftig mit Meerrettich gewürzte Mousse, knackig-bissig die Brunoise von roh eingelegter roter Beete, knusprig-süß die karamellisierten Walnusssplitter. Ebenso wandlungsreich die Geschmacksnoten: süß, herb, sauer, salzig, scharf. Ohne Schnickschnack, dennoch ein kleines Meisterstück.

Ein Wort zum Service: Den verrichtet Mutter Gabriele mit freundlich-souveräner Gelassenheit nah am Gast. Änderung der Beilage? Kein Problem. Statt Spargelsalat mit geräuchertem Wildschweinschinken und Baguette (12,30 €) nur den Spargel? Kein Problem. Deshalb kommt Mister X auch mühelos durch, als er sich zum Rehbraten aus der Keule mit Wildrahmsauce und Selleriepüree (26,90 €) ausnahmsweise Bratkartoffeln wünscht statt der vorgesehenen Spätzle. Gabriele Schmitt ist nicht zu erschüttern: »Spätzle passen besser, aber Sie kriegen Bratkartoffeln«.

Innen rosa & zart im Biss

Damit ist Mister X später jedenfalls sehr zufrieden und findet, sie passen hervorragend zur extra gereichten kräftigen Wildrahmsauce. Der schon in Medaillons aufgeschnittene Rehbraten ist, wie angekündigt, innen rosa und zart im Biss. Das Selleriepüree ist luftig aufgeschlagen und liefert eine leichte Fruchtnote zum Braten.

Bratkartoffeln und würzige Wildsauce gibt es auch zu den Frikadellen vom Wildschwein (19,50 €). Die Klopse sind schon halbiert und punkten mit harmonisch-kräftiger Würze, die das wilde Fleisch zähmt. Der krümelig-feste Fleischteig hat einen herrlichen Biss. Der Beilagensalat glänzt mit bunter Vielfalt und einer kräftigen, aber gut süß-sauer ausbalancierten Vinaigrette.

Die genieße ich auch in einer Frühlings-Bowl (19,30 €) mit grünem und weißem Spargel, arabisch-aromatischem Cous-Cous, Spinat, Gurke und gebratenem Lachs, der außen Röstaromen hat und innen zart-rosa-saftig ist. Auch hier ist die mit jedem Gabelbissen abwechslungsreiche Textur auffallend.

Ein Wort zur Weinkarte. Natürlich bietet das Landrestaurant überwiegend die Weine des Familien-Weingutes an. Das Bio-Weingut ist mit seinen Erzeugnissen schon seit über zehn Jahren »demeter«-zertifiziert. Die Vorzüge eines lebendigen Weinbergs ohne synthetischen Dünger und ohne Pestizide sind unbestritten. Den Glaubenskrieg um Minimalismus im Weinkeller, ohne physikalische oder chemische Eingriffe und ohne Reinzuchthefen, wollen wir hier nicht führen.

Andere Weine enttäuschen

Für den Genießer ist am Ende entscheidend, wie gut ihm oder ihr der Wein schmeckt. Bei unserem Besuch probieren wir einen 2022er Chardonnay trocken (ein Viertel für 6,50 €), einen 2023er Riesling Kabinett feinherb (6,40 €) und einen 2022er Spätburgunder Q.b.A. trocken (6,70 €). Der Riesling geht mit seiner Spritzigkeit und einem feinen Säurespiel bei allerdings wenig Frucht noch durch, die anderen Weine enttäuschen uns. Dem Chardonnay fehlen die ihm eigenen eleganten Noten von tropischen Früchten, der Spätburgunder ist ohne ausgeprägte Aromen von Gewürzen und roten Früchten, und auch ohne den gewohnten samtig-weichen Körper. Andere Weine hätten möglicherweise einen anderen Eindruck vermittelt. Das probieren wir beim nächsten Mal.

| Lou Kull

ESSEN9,0
TRINKEN6,5
SERVICE8,5
AMBIENTE8,0
PREIS/LEISTUNG9,0
GESAMT41,0: 5 = 8,2 KAPPEN

Fazit

Wer tadelloses Küchenhandwerk erleben will, ist hier genau richtig. Präzision in der Zubereitung, Jonglage mit Aromen und ein Gespür für spannende Texturen sind im Tacheles zu Hause. Europäische Klassiker, kreative exotische Akzente und das besondere Wildangebot machen das Landrestaurant besonders. Wer biodynamisch erzeugten Wein schätzt, hat zusätzlichen Grund, hierher zu kommen. Gemütliches modernes Landhausambiente, ein freundlich-kompetenter Service und eine auffallend moderate Preisgestaltung komplettieren den sehr guten Gesamteindruck.

Landrestaurant Tacheles
Weedenplatz 1
67592 Flörsheim-Dalsheim
Telefon: 06243 90 77 816 oder 06243 85 15
www.tacheles-landrestaurant.de
info@tacheles-landrestaurant.de
Öffnungszeiten
Sonntags Mittagstisch von 11.30 bis 14 Uhr,
Mittwoch Ruhetag, alle anderen Tage 18 bis 22 Uhr