Heimarbeit oder Homeoffice ist eine Erwerbsform, die älter ist als die Arbeit in industriellen Betrieben. Beliebt war sie nie, sondern wurde aus der Not geboren. 1896 streikten in Deutschland über 30.000 Konfektionsbeschäftigte, überwiegend Näherinnen in Heimarbeit, für die Errichtung von Betriebswerkstätten. Käthe Kollwitz hat zur »Heimarbeitsausstellung« von 1906 ein Plakat entworfen, das das schwere Los der Hausindustriellen anklagte.
Die Heimarbeit hielt sich bis in die Nachkriegszeit und traf vor allem Frauen. Ich erinnere mich auch noch an meine Oma, die jeden Tag zuhause an der Nähmaschine saß….
Gewonnene Freiheit
Nun ist sie also wieder da, nur heißt sie nicht mehr Heimarbeit sondern Homeoffice. Und sie scheint beliebt zu sein. Aktuelle Umfragen bestätigen, dass viele Beschäftigte sich danach sehnen, die während des Lockdowns »gewonnene Freiheit« zuhause am PC auch weiter fortsetzen zu können.
Aus Sicht eines Verbrauchers/Kunden/ Mitglieds kann ich nicht so recht Gefallen an dem Szenario finden, dass in Zukunft bis zu 40 % der Büroarbeiter:innen von zuhause arbeiten. Kennen Sie das auch: Sie wählen die Nummer eines Beschäftigten eines Dienstleistungsunternehmens und Sie hören schon am Klingelton, dass sie weiterverbunden werden? Dann meldet sich, wenn Sie Glück haben, die betreffende Person (in fast 50 % meldet sich die Mailbox) und Sie glauben im ersten Moment, sie hätten sich verwählt und wären in einer Kindertagesstätte oder im Tierheim gelandet…
Oder sie erreichen tagelang niemanden und zur Erklärung heißt es, während einer Videokonferenz dürfe selbstverständlich nicht telefoniert werden. Diese Konferenzen, die wohl meist länger andauern, sind notwendig, weil alle im Homeoffice sind….
Anfällig für Missbrauch
Jetzt befassen sich auch noch die Arbeitsgerichte mit Klagen von Arbeitnehmern, die sich weigern zurück ins Büro zu kommen. Das Landesarbeitsgericht München hat festgestellt, dass u.a. die technische Ausstattung in der Wohnung eines Klägers unzureichend war, zudem, dass die Ehefrau des Klägers bei einem Konkurrenzunternehmen mit derselben Tätigkeit beschäftigt war, die Gefahr eines »Schulterblicks« nicht auszuschließen ist und aus dem geschlossenen Arbeitsvertrag kein Rechtsanspruch auf Heimarbeit abzuleiten sei. Auf die Idee hätte der Kläger auch selbst kommen können.
Es gibt zwar niemand gerne zu, aber es gibt nicht wenige Fälle von Missbrauch. Ein Freund berichtet, er habe seinem Kumpel erzählt, dass er in Spanien zufällig mit dessen Abteilungsleiter zwei Wochen unterwegs war. Nur – in der Firma wusste niemand, dass der Vorgesetzte im Süden war, er hatte angegeben, er würde von zuhause aus arbeiten…
Last not least: mein Nachbar versucht seit einiger Zeit seinen handwerklich sehr begabten Sohn von den Vorzügen einer entsprechenden Ausbildung zu überzeugen. Was antwortet der? »Ich will einen Bürojob, das ist voll krass flexibel. Wenn ich mal abends Party hatte, arbeite ich am nächsten Tag von zuhause.«
| Mogunzius