Am 23. September 2020 stimmt der Mainzer Stadtrat erneut über die Rathaussanierung ab. Grund: die Sanierungskosten stiegen von 71 Mio. auf 97 Mio. Euro. Weitere Kostensteigerungen sind nicht auszuschließen.

Der Beschluss des Stadtrates zur Sanierung des Rathauses vom Februar 2018 basierte auf einer Kostenschätzung von 71,2 Mio. Euro. Dieser »Deckel« ist nicht mehr haltbar, so Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) Anfang September 2020 in einer Pressekonferenz. Die Kosten für die Umsetzung der Denkmalschutzauflagen seien erheblich, die Baukosten stiegen um 16 % und der »Risikozuschlag« wurde vorsichtshalber von 10 auf 20 % erhöht. Die Kostenschätzung für die Sanierung beläuft sich daher aktuell auf 97.421.665,76 Euro. Diesem Plan muss der Stadtrat am 23. September 2020 zustimmen.

Denkmalschutzauflagen

Bereits 2017 war klar, die Denkmalpfleger/-innen der zuständigen Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) beharren auf einer Reihe von „must have“, darunter der Erhaltung, bzw. Wiederherstellung der Natursteinfassade und der Sanierung sowie Wiederanbringung der Fenstergitter. Außerdem lehnten die Denkmalpfleger/-innen die  Errichtung eines zweistöckigen Bürger-Forums inklusive der Schaffung eines Bürgerdaches zur Attraktivierung des Rathauses und des Standortes insgesamt ab. Diese beiden Module waren im Sanierungskonzept 2017/18 im Einklang mit der Öffnung des Rathauses hin zum Rhein und der Einrichtung von Multispace-Büros als wesentlich erachtet worden, um einen Mehrwert für Bürger/-innen und für die Angestellten zu bieten.

Die seither geführten Verhandlungen mit den Denkmalpfleger/-innen ergaben, dass die Umsetzung der denkmalpflegerischen Maßnahmen zu einer erheblichen Kostensteigerung führen würde. Die Reißleine wurde gezogen, als die 100 Mio. Euro-Schwelle überschritten war, so Ebling und alle Maßnahmen, die bautechnisch und ökologisch nicht unbedingt erforderlich seien, kamen auf den Prüfstand.

Als ein Ergebnis der Gespräche mit den Denkmalpfleger/-innen nannte  Ebling die Reduzierung  der Sanierungskosten um 9,2 Mio. Euro.

Keramik statt Naturstein

Die Fassade soll mit Fotokeramikplatten anstatt mit Natursteinen bestückt werden; für die Lochpaneelausführung der Decken wurde ein bestandsgetreuer Nachbau vereinbart; die Fenster werden mit einem Pfosten-Riegel-System versehen. Außerdem wurde vereinbart, auf Bürgerdach und Bürgerfoyer zu verzichten (Kostenersparnis: ca. 5,1 Millionen Euro, inkl. 29% Baunebenkosten). Nicht umgesetzt werden auch die »Multispace« genannten, flexibel nutzbaren Büroeinheiten und der Einbau einer Gastronomieküche im Casino auf Rheinebene.

Die Gesamtkostenschätzung beläuft sich nun auf 81,2 Mio. Euro, plus Risikozuschlag von 20 % ergibt sich ein (voraussichtliches) Gesamtvolumen von 97 Mio. Euro.

Gibst Du mir, gebe ich Dir

Den Verhandlungsprozess mit den Denkmalfachbehörden charakterisiert  Ebling so: »Wir sind in einer Beziehung, aber es ist eine schwierige Beziehung«. Auf Nachfragen machte der Oberbürgermeister außerdem klar, dass die Verhandlungen mit den Denkmalbehörden noch nicht beendet seien. Im Bebauungsplanverfahren würden die einzelnen Punkte noch einmal aufgerufen und die Denkmalschützerinnen könnten hier Zugeständnisse einfordern.

Die Frage, warum eine „Entwidmung“, die 2017 kurzzeitig ins Gespräch gebracht worden war, um eine Reduzierung der Sanierungskosten zu erreichen, nicht weiter verfolgt worden sei, erklärte der SPD-Politiker sinngemäß: die Stadt fordert von Bürger/-innen in deren Eigentum sich ein denkmalgeschütztes Gebäude befindet, dass sie es erhalten und die Kosten dafür tragen. Deshalb könne die Stadt nicht mit einem Gebäude, das in ihrem eigenen Besitz ist, so verfahren, als habe der Denkmalschutz keine Bedeutung. Eine Diskussion über eine mögliche Entwidmung kommt aus Sicht des Oberbürgermeisters nicht in infrage.

Nicht infrage komme Ebling zufolge auch, über die Planungen für die »Rheinscheine« zu verhandeln. Diese Öffnung des Rathauses zur Rheinseite hin gewährleiste einen barrierefreien Zugang zum neuen Rathaus, in dem der Ratssaal und die Besucher-Galerie über einen Aufzug zugänglich werden. Auch ein gastronomisches Konzept werde hier umgesetzt, allerdings nicht in Form einer Kantine. Von den Einsparungen ausgenommen sei zudem die geplante »Freitreppe« zum Rhein hin, die zum Sanierungskomplex Rathaus-Tiefgarage gehöre, deren Kosten von der hundertprozentigen Stadttochter MAG/PMG zu tragen sind.

Die Finanzierung

Die Grundlagen für die Finanzierung hätten sich Ebling zufolge gegenüber 2018 nicht geändert: 60 % der bezuschussungsfähigen Kosten würden vom Land Rheinland-Pfalz gedeckt. Weitere Finanzierungsquellen sollen bspw. über KfW-Darlehen erschlossen werden. Ebling geht davon aus, dass die Gesamtkosten über viele Jahre gestreckt werden können, die Stadt könne damit umgehen, ohne dass andere Projekte darunter leiden werden.

Die nächsten Schritte

Vorausgesetzt, der Stadtrat stimmt mehrheitlich am 23. September 2020 für diese Beschlussvorlage wird die Verwaltung ermächtigt mit den Planungen auf Basis dieser Kostenschätzungen fortzufahren und den Bauantrag zu stellen. Nach dem Votum des Stadtrats (und der Kenntnisnahme durch den Ortsbeirat Altstadt sowie den Bau- und Sanierungsausschuss im November 2020) steht der komplette Rückbau und die Entkernung des Arne Jacobs-Baus an. Sollte es keine bösen Überraschungen geben, könnte 2024 das neue Rathaus im (fast) alten Gewand eingeweiht werden.

SOS

Eine Zusammenfassung und Einordnung der Diksussionen um die Rathaussanierung von 2017/18 bietet dieser MAINZER-Artikel »Ein Neubau im Altbau genannt Sanierung«. 
Dokumente zur Zukunft des Mainzer Rathauses, inkl. der Grundlagen für die Stadtratsentscheidung am 23. September 2020 bietet diese Bürgerinformation.