Ich erkenne das Land, in dem wir alle zusammenleben, im Moment nicht wieder. Spätestens seit Corona herrscht ein Dauerwutmodus aller gegen alle. Nachdem Corona kein Hauptthema mehr ist, wird munter weitergemacht, dieses Mal mit Ampelbeschimpfungen. Verstärkt wird die Wut auch, weil sie medial belohnt wird, gleich ob es um die Wärmepumpe geht, Klimakleber, Inflation, Pisa, Bürgergeld oder Schlaglöcher. Ob Zeitungen, Fernsehen oder Internet, alle bemühen sich um Schlagzeilen, wie schlecht es um alles gestellt ist, Lösungsvorschläge findet man fast nirgends.

Im Moment richtet sich die mediale Wut gegen die angeblich ineffiziente Bürokratie, die sei schuld an den hohen Energiepreisen, der Exportschwäche unserer Industrie, der Konzeptionslosigkeit der Autobranche und der kränkelnden Bauwirtschaft. Die Lobbyisten haben Hochkonjunktur und zaubern eine Subventionsforderung nach der anderen aus dem Hut.

In der Corona- und Energiekrise hat die Bundesregierung ein Milliardenschweres Hilfspaket nach dem anderen geschnürt, wer am lautesten klagte, bekam am meisten. Das scheint sich in den Köpfen festgesetzt zu haben, man muss nur laut genug schreien, dann öffnet sich die Staatskasse. Also werden die Aktionen anderer genau beobachtet, was bei den Protesten herauskommt, um sich flugs anzuschließen.

Arztpraxen bleiben geschlossen, weil diese Berufsgruppe es als ungerecht empfindet, dass zusätzliche Patienten nicht gleichbedeutend mit höherem Einkommen sind. Die Lokführer vergleichen sich mit Piloten und fühlen sich dramatisch unterbezahlt. Die Bauern fühlen sich von den Menschen in den Städten nicht genug wertgeschätzt und verweisen auf ihr Einkommen im Verhältnis zu ihrer langen täglichen Arbeitszeit. Die Apotheker fühlen sich von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgehängt…. Die ganze Nation scheint ein Jammertal zu durchschreiten und irgendwie machen alle mit. Es bewahrheitet sich die alte Erkenntnis, dass die Frage, wie sich Menschen in ihrem Land fühlen, nicht nur von ihrem persönlichen Wohlstand abhängt, sondern auch von dem der anderen. Wenn sich Ärzte, Apotheker, Bauern, Vorstände von Banken, Versicherungen und Industrie darüber beklagen, dass ihr Einkommen sinkt oder stagniert, oder das erwartete Jahresergebnis beispielsweise nur 2 Milliarden statt geplanten 2,5 Milliarden beträgt, schaut jeder gleich besorgt auf den eigenen Wohlstand.

Da hilft vielleicht der vor wenigen Tagen veröffentlichte Reichtumsbericht: Knapp 7,5 Billionen Euro haben die Deutschen auf der hohen Kante liegen – im Schnitt 90.000 € pro Einwohner, Immobilienvermögen nicht mitgerechnet, Schulden nicht abgezogen. 438 Milliarden Bargeld liegen zu Hause oder sind in Geldbörsen unterwegs, durchschnittlich 5.000 € je Einwohner. Lesen Sie mal die täglichen Einbruchsberichte: »entwendet wurde ein Geldbetrag in mittlerer dreistelliger Höhe…«

Auf den Girokonten liegen zinslos mehr als eine Billion herum und auf den Sparbüchern befinden sich nahezu unverzinst mehr als 500 Milliarden.

In keinem Land in Europa, die Schweiz ausgenommen, geht es den Menschen so gut wie bei uns, dafür sind wir jedoch Europameister im Jammern und Schwarzmalen. Ich will nicht verkennen, dass es genug Menschen in unserem Land und unserer Stadt gibt, denen es objektiv materiell nicht gut geht, aber erstaunlicherweise hört man von diesen kaum etwas, dafür umso mehr von Mainzer Bauern, deren ehemaligen Äcker zu Baugebieten geworden sind.

| Mogunzius