Eine typische Charaktereigenschaft der Deutschen ist das Schwarzsehen, das Jammern und Maulen und ein erhebliches Defizit an Optimismus. Da machen die angeblich so lebenslustigen Mainzer keine Ausnahme. Wir sind, das zeigen Umfragen, Europameister im Unzufriedensein, obwohl es kaum ein Land auf der Welt gibt, dem es wirtschaftlich besser geht als unserem. Jetzt, da das Jammern Hochkonjunktur hat, scheint jeder darüber nachzudenken, ob er nicht vielleicht vergessen hat, sein großes Elend auch in der Öffentlichkeit zu beweinen.

Wir haben in den letzten Wochen so viel Mitleid haben müssen, wie nie zuvor. Zum Beispiel mit den Gastronomen, denen während der Pandemie 12% Prozent Vorteil durch die Absenkung der Umsatzsteuer staatlich besorgt wurde, die gleichwohl die Preise für Speis und Trank erhöht haben (Schnitzel mit Bratkartoffeln für 30 € sind keine Ausnahme mehr) und jetzt das Ende ihrer Branche beweinen, wenn der alte Steuersatz wieder gilt. Auch mit der Industrie, die am Ende ist, wenn die Regierung ihr nicht den benötigten Strom verbilligt. Den Winzern, die nicht nur eine Turboernte hinlegen mussten, sondern jetzt auch noch auf den Flaschenetiketten Angaben zu Inhaltsstoffen, Allergenen, Energie- und Nährwerten drucken müssen. Verständnis müssen wir aufbringen für die Autofahrer, die von Radfahrern bedrängt werden und umgekehrt, für Bahnfahrer, die auf Züge warten müssen, usw.

Nun, endlich, zieht eine der höchst privilegierten Berufsgruppen vor die Klagemauer, bevor dort kein Platz mehr frei ist: die Apotheker. Es geht ihnen um mehr Geld. Die Zeit, in der fast jede Villa an der Costa Brava den deutschen Zahnärzten gehörte, scheint vorbei zu sein. Das Einkommen ist erheblich geschrumpft, laut der Apotheker- und Ärztebank hat ein selbstständiger Apotheker durchschnittlich ein Bruttoeinkommen von 173.900 € im Jahr oder 14.500 € im Monat. Das scheint nicht zu reichen. Derzeit erhalten die Pharmazeuten 8,35 € für jedes verkaufte rezeptpflichtige Medikament, hinzukommen drei Prozent vom Medikamenteneinkaufspreis. Es stimmt, dass dieser Betrag seit 20 Jahren stabil ist, dafür hat die Berufsgruppe garantierte Einnahmen und der Umsatz steigt durch die immer älter werdende Gesellschaft und steigende Medikamentenpreise. Darüber hinaus genießen Apotheken ein weiteres berufsständisches Privileg: jeder Apotheker darf neben seinem Hauptgeschäft nur drei Filialen betreiben, damit große Unternehmen keine Konkurrenz machen können. Außerdem gibt es noch die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente, die der Reglementierung nicht unterliegen, hier herrscht freie Preisbildung. In diesem Bereich schlagen die Apotheken zu, bis zu 70 % Preisunterschied zu den Online-Apotheken sind keine Seltenheit.

Jetzt fehlen im Jammertal nur noch die Banken und Sparkassen, die Heizkostenbeihilfe fordern, weil 14,5 % Überziehungszinsen und 0,75 % p.a. fürs Sparbuch nicht auskömmlich sind.