Überraschung: Manche Parteimitglieder ticken ganz anders, als wir es gewohnt sind.

Wer sich mit Politik beschäftigt, meint häufig zu wissen, welchen »Ideologien« oder »Programmen« die Parteien folgen. Bei genauerem Hinschauen, insbesondere in den Ortsbeiräten, lässt sich feststellen: »Ausnahmen bestätigen die Regel«.

Da regt FDP-Mitglied Dr. Klee im Ortsbeirat Altstadt, an, »ob man nicht eine begrenzte Zahl der bisher vorhandenen vielen Parkplätze in sog. Anwohnerparkplätze umwandelt« und »die vielen Parkplätze beidseits der Walpodenstraße reduziert, was zu einer Verkehrsberuhigung führen würde« und ob »durch den Wegfall der Parkplätze eine Begrünung geschaffen werden kann«, ob »regelmäßig das Schritttempo der KFZ von der Verkehrsüberwachung überprüft wird« und beschließt die Anfrage 0289/2024 mit: »was gedenkt die Verwaltung gegen (auswärtige) Dauerparker zu tun?« FDP – ist das nicht die Partei, die im Bundestag und in Person von Verkehrsminister Volker Wissing Einschränkungen für Autofahrende grundsätzlich ablehnt? Ja, schon, aber Dr. Klee sieht da manches wohl anders – durch die Brille des Anwohners und Politikers vor Ort.

H 98

Im Ortsbeirat Hartenberg-Münchfeld will Jutta Lukas, Mitglied der CDU-Fraktion wissen, wie es mit dem H 98 weitergeht. H 98 ist der Bebauungsplan für den Bereich »Am Schützenhaus« (siehe Foto). Die 1. Planstufe für den B-Plan stammt aus dem Jahr 2017. Danach geriet alles ins Stocken u.a. weil 2018 ein Massengrab aus dem 19. Jahrhundert von vermutlich an Typhus verstorbenen Soldaten gefunden wurde. Zwischenzeitlich geht es aber eher um die »Wirtschaftlichkeit« des Bauprojektes. Der »Vorhabenträger« (auf dem Gelände hängt noch ein Plakat der Bauunternehmung Karl Gemünden GmbH&Ko.KG) möchte wohl die geplanten Häuser höher bauen, als die Stadt das zulassen will. Jutta Lukas will von der Bauverwaltung wissen: »Wird bei der Erstellung von H 98, da das in Rede stehende Gebiet vormals weitgehend unversiegelt war, sich im Innenstadtbereich und in einem Umfeld von Ein-Zweifamilienhausbauwerken (2+ Geschossbau) befindet, auf eine Nachverdichtung geachtet, die den Kriterien nachhaltigen Bauens sowohl in sozialer wie auch ökologischer Hinsicht entspricht?«

CDU und »nachhaltiges Bauen«?

In der Bundes-CDU steht fast alles, was irgendwie den CO2-Fußabdruck verringern könnte, nicht hoch im Kurs. Im Herbst 2023 fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Ampel-Regierung sogar auf, angesichts der hohen Baukosten und der darbenden Bauwirtschaft, die bereits beschlossenen energetischen Standards für Neubauten auszusetzen. Das sieht zumindest die CDU-Frau Lukas »an der Basis«, in ihrem Wohnumfeld offensichtlich anders.

Die beiden Beispiele zeigen übrigens auch: es lohnt sich, öfter mal nachzuschauen, was in den Ortsbeiräten passiert: Um zu erfahren, was in der Wohnumgebung geplant ist und um festzustellen: Vorort ticken Parteimitglieder auch mal anders.

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