200 m der Schusterstraße sollen Fußgängerzone werden. Naja, keine richtige Fußgängerzone, sondern eine mit Freigabe für den ÖPNV, Taxen, Radfahrer, Bewohner, Menschen mit Behinderung und berechtigte Anlieger.

Wer einmal in diesem Bereich unterwegs war, egal ob zu Fuß, mit dem Auto oder Fahrrad, weiß, dass alle Verkehrsteilnehmer im Bereich von der Quintinsstraße bis zur Bauerngasse sehr vorsichtig sein müssen, um nicht zu Schaden zu kommen. Beinahe jeden Tag biegen zum Beispiel ortsfremde Autofahrer von der Quintinsstraße rechts in die Schusterstraße, sehen dort auf der rechten Fahrbahn die Markierung »30«, und auf der linken Fahrbahn »Bus«; vermutlich irritiert, was das bedeutet, drehen sie über die durchgezogene Linie hinweg, fahren zurück und gefährden die vielen Menschen, die hier die Straße queren.

Nun hat die Stadtverwaltung auf Antrag des Stadtrates einen Vorschlag erarbeitet, der jetzt im Rahmen einer Bürgerbeteiligung präsentiert wurde. An dieser haben rund 50 Personen teilgenommen. Darunter Mitarbeiter der Verwaltung, Mitglieder des Stadtrats und Mitglieder des Ortsbeirats. Verbleiben rund 40 oder weniger Anwohner und Einzelhandel. Wie zu lesen war, gab es Pro und Contra und die Verwaltung erklärte, dass eine Realisierung (welche auch immer) erst nach der Klärung der zukünftigen Strecke einer Innenstadt­straßenbahn angegangen werden kann und das wird noch dauern …

Also an sich kein Grund zur Aufregung. Aber nicht in unserer Stadt. Die 200 m Pseudo-Fußgängerzone wurde eine große Story in unserer Lokalzeitung und auch in Social Media.

Ein Kaufhof-Manager sorgt sich um die Zukunft seines Betriebes (der die besten Zeiten schon längst hinter sich hat), der Mainzer CDU-Vorsitzende möchte zu Beginn der Bürgeranhörung eine »Volksabstimmung«, die Anwesenden sollen ohne vorherige Information darüber abstimmen, ob sie den Vorschlägen der Verwaltung zustimmen (darf man das Populismus nennen?)

In den Social Media haben die Ideologen die Lufthoheit: »Die grüne Verkehrsdezernentin und die Fraktion der Grünen wollen die Umwandlung in eine Fußgängerzone. Ergo wird sie kommen. Die Bürgerbeteiligung ist eine Farce«. Oder: »…Alles in allem: Abstoßend. Typische ideologische Überplanung der Menschen in dieser Stadt ….«

Die immer auflagenschwächere Lokalzeitung veröffentlicht ein Streitgespräch zwischen zwei Redakteuren, denen weder zu Pro noch zu Contra viel einfällt.

Ja, viele Menschen stehen zurzeit unter Stress. Kriege, Umweltkatastrophen und Inflation verunsichern und machen gereizt. Umso mehr sollten wir uns gemeinsam bemühen, unsere Mainzer Themen ruhig und sachlich mit gegenseitigem Respekt anzugehen. Das gilt insbesondere im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahlen.

In diesem Sinne, ruhige Weihnachtstage und ein glückliches und gesundes neues Jahr!