Seit Beginn der Corona-Pandemie stellen sich Psychologen, Philosophen und Soziologen die Frage, wie sich die Gesellschaft nach der Pandemie verändern wird, was wir gelernt haben, wie wir unser Verhalten ändern, ob sich Rücksichtnahme und Respekt als Werte wieder stärker durchsetzen usw. Eine Antwort kann man, meiner Meinung nach, heute schon geben: die Menschen haben die öffentlichen Plätze neu entdeckt und nutzen sie in einer Intensität, die diese Stadt bisher noch nicht gekannt hat. Das gilt für Wege und Flächen am Rhein, vom Winterhafen bis zum Zollhafen und alle Plätze, die eine Aufenthaltsqualität haben, wie Feldbergplatz, Gartenfeldplatz, Goethepark u.a.

Kaum ist der Himmel blau und die Nacht lau, gibt es kein Halten mehr. Tausende sind unterwegs und besetzen die Orte. Das beginnt zumeist friedlich zwischen 19 und 20 Uhr, da werden Bierkästen geschleppt, Unmengen von Pizzakartons, Weinflaschen, Gläser, Decken und Kissen. Da zu dieser Zeit noch viele Kinder mit den Eltern nach Entspannung suchen, bietet sich ein friedliches Bild. Das ändert sich ab 22 Uhr nach und nach. Die Stimmung wird lauter und es beginnt die Zeit der Glasscherben. Ab 24 Uhr kommt das Publikum, das bereits in den Kneipen vorgeglüht hat und die Geräuschkulisse steigt erneut an. Zwischen 0 und 2 Uhr wird das Rheinufer mit gemieteten Luxusautos, leicht zu erkennen an den Kennzeichen M und Wi, angefahren. Motor darf nicht ausgehen, Selfies und Gejohle und ab zum nächsten Hotspot. Die Clubgänger sind im Moment besonders arm dran, daher trifft sich die Szene Outdoor ab 2 Uhr und hält natürlich durch bis 5 oder 6 Uhr, Ehrensache. Das alles nicht nur freitags, samstags und sonntags sondern auch »unter der Woche«. Ist ja kein Problem, es findet am nächsten Tag keine Vorlesung statt und im Home Office kann man auch mal länger schlafen.

Völlig in Vergessenheit gerät dabei, dass in der Stadt auch Menschen wohnen, die irgendwann schlafen wollen. Nun will ich kein Spießbürger sein und darauf hinweisen, dass die gesetzliche Nachtruhe um 22 Uhr beginnt. Ich denke jedoch, ab 24 Uhr sollte jeder in unserer Stadt das Recht haben, bei offenem Fenster zu schlafen und keine Testosteronschreie ertragen müssen.

Nun soll demnächst ein Nachtbürgermeister versuchen das Miteinander von Nachtschwärmern, Anwohnern, Clubtreibenden, Kneipiers und Verwaltung zu verbessern. Schöne Idee. Dann sollte man vielleicht auch gleich über Nachtwächter nachdenken. Immerhin haben die über 700 Jahre in unseren Städten, auch in Mainz, für Ruhe und Ordnung gesorgt. Nachtwächter sind durch die Gassen und Straßen gelaufen und haben Menschen angesprochen. Diese Vorgehensweise ist bestimmt wirkungsvoller als die des Ordnungsamtes, die, bei Hinweisen auf Ruhestörung, mit dem Auto angefahren kommen, seltsamerweise beim Verlassen Ihres fahrbaren Untersatzes keinen Lärm vernehmen können und nach mahnenden Worten wieder davonbrausen.

| Mogunzius

 

Mogunzius & sein Mainz: Outdoor-Fitness in Mainz