Am 27. Oktober 2019 stellen sich eine Kandidatin und vier Kandidaten zur OB-Wahl in Mainz. Die sehr wahrscheinliche Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten findet zwei Wochen später, am 10. November statt.

Der Wahlkampf ist spannend und lässt hoffen, dass viele Mainzer/-innen und Mainzer an der Wahl teilnehmen werden. 2012 lag die Wahlbeteiligung im 1. Wahlgang bei 42,8 %, an der Stichwahl zwischen Michael Ebling (SPD) und Günter Beck (GRÜNE) beteiligten sich 34,3 % der Wahlberechtigten.

2019 tritt in Mainz mit Tabea Rößner erstmals eine Frau zur OB-Wahl an. Außerdem mit Nino Haase ein Kandidat, der nicht Mitglied einer politischen Partei ist – ursprünglich aber als Kandidat der Christdemokraten vorgestellt wurde. Erstmals kandidiert mit Martin Malcherek ein Mitglied der LINKEN und DIE PARTEI hat mit Martin Ehrhardt ebenfalls einen eigenen Kandidaten nominiert.

Die SPD stellt seit 1949 die Oberbürgermeister in Mainz. Sie lenken gemeinsam mit dem Stadtvorstand, in dem die Dezernenten/-innen vertreten sind, die Stadtpolitik. Im Stadtrat, der vom Etat über Bauprojekte bis zum Dieselfahrverbot alle Entscheidungen trifft, waren die Sozialdemokraten bis 1994 stärkste Fraktion, brauchten zur absoluten Mehrheit aber immer mindestens einen Partner. Von 1994 bis 2009 war die CDU stärkste Fraktion im Mainzer Stadtrat, bis 2008 hielt der »Mainzer Konsens«, auch »Mainzer Modell« genannt, eine Koalition von CDU, SPD und FDP. Nach den Kommunalwahlen 2009 und 2014 gingen SPD, GRÜNE und FDP eine Koalition ein. 2019 lösten die GRÜNEN bei der Kommunalwahl die CDU als stärkste Fraktion ab. Die aktuelle Sitzverteilung im Stadtrat ließe eine Grün-Rot-Rote-Koalition zu – die lehnen GRÜNE und SPD ab. Die Koalitionsverhandlungen zwischen GRÜNEN, SPD und FDP sollen nach der OB-Wahl aufgenommen werden.

Warum erst dann? Eine mögliche Oberbürgermeisterin Tabea Rößner möchte sicherlich im Koalitionsvertrag das eine und andere Wahlversprechen verankert sehen, damit es auch umgesetzt werden kann. Ähnlich ein möglicher Oberbürgermeister Michael Ebling. Dass Nino Haase als möglicher OB die Koalitionsverhandlungen dieser drei Parteien beeinflussen könnte, erscheint zurzeit als undenkbar – so wie auch die Entscheidung der Mainzer/-innen gegen den Bau des Bibelturms als undenkbar galt.

In der MAINZER-Fragerunde an die Kandidatin und die Kandidaten greifen wir ein Thema auf, das wir im MAINZER immer wieder darstellen. Die zweite Frage leitet sich aus den Wahlaussagen ab, die Antworten durften insgesamt nicht länger als 900 Zeichen sein.

Die Frage an alle

Fahrzeuge, die durch Bushaltestellen fahren, Rad- und Rollerfahrende auf den Bürgersteigen, Menschen, die bei Rot über Ampeln fahren und gehen: die Straßenverkehrsordnung wird in Mainz kaum noch beachtet. Was wollen Sie als OB unternehmen, um die Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung zu ahnden?

 

Tabea Rößner, GRÜNE

Tabea Rößner, GRÜNE

Tabea Rößner, GRÜNE

Tabea Rößner, GRÜNE, seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages, 53 Jahre:

»Ampeln werden fußgänger- und radfreundlicher, schalten schneller um und sind intelligent. So erübrigen sich viele Rotlichtverstöße. Die einzige Fahrradstreife der Polizei wird verstärkt wie auch die städtische Verkehrsüberwachung. Wenn mit mehr Kontrollen bestimmte Probleme nicht in den Griff zu bekommen sind, müssen bauliche Maßnahmen wie Poller das Parken auf Rad und Gehwegen verhindern. Insgesamt gilt gegenseitige Rücksichtnahme, dann wäre vieles besser!«

Frau Rößner, Sie haben die Mainzer Radwege als eine »Katastrophe« bezeichnet und sich für einen beschleunigten Ausbau ausgesprochen, auch Radschnellwege müssten in Mainz gebaut werden. Wie, mit welchen Geldern und in welchem Zeitraum wollen Sie das erreichen?

»In 5 Jahren wird der Anteil des Radverkehrs 35% betragen. Radrouten führen ins Umland, in Stadtteile und verbinden sie. Wo eigene Trassen nicht möglich sind, führen sie über Straßen. Enger Straßenraum wird neu aufgeteilt. Bisher hat der Oberbürgermeister Pläne gestoppt, Parkplätze oder Autospuren in Radspuren umzuwandeln. Mit mir ändert sich das. Ich richte Radfahrbüros ein, die Planungen vorantreiben und Beteiligungsprozesse durchführen. 8 € pro Einwohner geht in die Radinfrastruktur.«

Michael Ebling, SPD
Michael Ebling, SPD

Michael Ebling, SPD

Michael Ebling, SPD, seit 2012 Oberbürgermeister in Mainz, 52 Jahre:

»Ihre Beobachtung, dass das Gebot der Rücksichtnahme im öffentlichen Raum leidet, teile ich. Schwere Verstöße sind von der Polizei zu ahnden. Hier bedarf es mehr regelmäßiger Kontrollen. Die kommunale Strategie muss aus meiner Sicht ein Mix aus Prävention und Aufklärung sowie verstärkter Kontrollen durch das Ordnungsamt sein. Dazu zählen für mich beispielsweise die gerade abgeschlossenen Aktionen im Rahmen der Sicherheitstage des Kommunalen Präventivrates oder die Fahrradsicherheitstrainings von Stadt und Polizei. In den vergangenen Jahren wurde der kommunale Vollzugsdienst um 8 Stellen erweitert. Erstmals sind damit auch mehr Kontrollen möglich. Aus meiner Sicht muss der Vollzugsdienst auch in den kommenden Jahren personell weiter aufgestockt werden. Regeln sind einzuhalten. Um den Vollzugsdienst zu stärken und sichtbarer zu machen, will ich eine »Stadtwache« in der Innenstadt einrichten.«

Herr Ebling, Sie schlagen vor »auf einer großen Fläche zwischen Hechtsheim und Ebersheim, stadtauswärts links der Rheinhessenstraße, Wohnbebauung und damit einen neuen Stadtteil zu ermöglichen.« Dieser Stadtteil soll zudem ein Null-Emissions-Quartier werden und eine beispielhafte ökologische Bebauung ermöglichen. Wer soll diese Wohnbebauung finanzieren?
»Auch bei einem neuen Plangebiet oder Stadtteil würde die Erschließung, Bebauung und Vermarktung wie bei jedem anderen Baugebiet erfolgen.«

Martin Malcherek, DIE LINKE
Martin Malcherek, DIE LINKE

Martin Malcherek, DIE LINKE

Martin Malcherek, DIE LINKE, Rechtsanwalt, 46 Jahre:

»Mehr Rücksicht ist wichtig. Aber: Die Verkehrsprobleme in Mainz lösen wir nicht durch bessere Durchsetzung der StVO. Wir brauchen Regelungen, die den Verkehr erleichtern und ungefährlicher gestalten. Deshalb: Füße, Rad und ÖPNV als Verkehrsmittel attraktiver machen. Z.B. räumliche Trennung von Fahrradspuren, bessere Radwegeführung, Tempolimits für Autos. Kostenloser ÖPNV mit hohem Takt und neuen Linien. Mehr grün, schöne und sichere Fußwege.«

Herr Malcherek, als OB wollen Sie u.a. den kommunalen Wohnungsbau stärken. Wie kann eine Stadt mit 1,2 Mrd. Euro Schulden diesen Ausbau finanzieren?

»Die Stadt kann z.B. gemeinnützigen (!) Wohnungsbaugenossenschaften städtische Grundstücke in Erbpacht (!) zur Verfügung stellen. Mainz muss finanziell handlungsfähig werden. Die starke Belastung mit Sozialausgaben ist Konsequenz einer bundesweiten, Entwicklung: Reiche werden reicher, Arme ärmer. Deshalb Spitzensteuersatz rauf, Vermögenssteuer einführen, Löhne hoch. Ohne Schuldenschnitt sieht Mainz kein Land mehr schwarz/grüne Null hin oder her.«

Nino Haase, Parteilos
Nino Haase, Parteilos

Nino Haase, Parteilos

Nino Haase, Parteilos, Chemiker, 35 Jahre:

»Ich möchte nicht einfach so unterschreiben, dass die Straßenverkehrsordnung ‘kaum noch beachtet’ würde. Aber natürlich existieren diese Konflikte zwischen Fußgängern und Rad-/Rollerfahrern. Diese resultieren meines Erachtens oft aus dem schlecht ausgebauten Radwegenetz. Dieses muss endlich durchgehend und wo möglich vom restlichen Verkehr abgetrennt ausgebaut werden. Dann werden solche Probleme auch seltener vorkommen.«

Herr Haase, als »parteiunabhängiger Kopf« wollen Sie u.a. ein Stadtentwicklungskonzept »anstoßen«. Für dessen Planung sind Sie auf die Mitarbeit der Mainzer Stadtverwaltung angewiesen. Für dessen Umsetzung benötigen Sie die Unterstützung der Fraktionen im Stadtrat, die auch über die Bereitstellung von Geldern entscheiden. Wie wollen Sie als »Unabhängiger« politische Mehrheiten im Mainzer Stadtrat organisieren?

»Schon in der Bibelturmdebatte konnte ich Unterstützung aus verschiedensten politischen Lagern generieren. Ich weiß daher, dass viele Stadtratsmitglieder den offeneren Diskurs genauso herbeisehnen wie ich. Ein wie in anderen Städten von Parteien plus Bürgerschaft getragenes Stadtentwicklungskonzept gibt dabei einen politischen Rahmen vor und würde den Flickenteppich der verstreuten Mainzer Politikprojekte beenden und so eine viel breitere Akzeptanz für echte Sachpolitik schaffen. Auch im Stadtrat.«

Martin Ehrhardt, DIE PARTEI
Martin Ehrhardt, DIE PARTEI

Martin Ehrhardt, DIE PARTEI

Martin Ehrhardt, DIE PARTEI, 29 Jahre, Lehramtsstudent – seine Antworten sind komprimiert und weichen –bewusst – von deutschen Rechtschreibregeln ab:

Zunächst werde ich eine teilnhemende Beobachtung als Verkehrspolizist machen. Ich selbst halte mich insb. dann an die Regeln, wenn ich genügend Zeit habe. Ich demonstriere das kurz: Jetzt habe ich Zeit. Diesmal bin ich DEzent in eile weshalb ich mich nicht an alle REgeln halte. Sie sehen: Mit der Gemütlichkeit kommt auch die Ruhe, die Regeln zu kennen und ihre Vorteile zu sehen. Daher: Mainz noch gemütlicher machen als Ebling uns zu suggerieren versucht und für Ruhe und Muße sorgen. Dafür muss ich natürlich die ganz großen Hebel in Bewegung setzen lassen, aber mit meinen vier Beigeordneten Ebling, Haase, Rößner und Malcherek werde ich die vier Jahre meiner Amtszeit gut nutzen. Danach Neuwahl mit beidem: OB’in UND OB.

Wie wollen Sie Mehrheiten im Mainzer Stadtrat organisieren und die ADD von deren Notwendigkeit überzeugen, um Ihre Vorschläge durchsetzen zu können? 

Wer von Koalitionen redet, hat die Inhalte schon überwunden. Ich werde die Volksvertreter*innen zunächst kennen lernen und fragen, was ihre Wähler*innen genau von ihnen wollten. Die ADD ist ein nettes Amt!

 

| SoS

 

Kommentar zur OB-Wahl: In Bewegung