Im Auftrag der IHK Rheinhessen stellte Prof. Dr. Jörg Funder in seiner Studie zur Einkaufsstadt Mainz u.a. die Erreichbarkeit der Stadt Mainz auf den Prüfstand.
Der Handelsexperte legt den Fokus seiner Analyse zur Erreichbarkeit auf die Verkehrsführung und die Parksituation in der Mainzer Innenstadt sowie die Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Daraus leitet Funder Rückschlüsse auf die Situation und Zukunftsfähigkeit der Mainzer Innenstadt ab. Einleitend stellt er fest, dass Mainz, wie die Mehrzahl vergleichbarer »kleiner Großstädte« (200.000-500.000 Einwohner) nicht über ein Mobilitätskonzept verfüge. Außerdem stellt der Professor klar, dass »die verkehrliche Erschließung der Mainzer Innenstadt (…) kein getrennter Beurteilungsgegenstand der vorliegenden Untersuchung (ist). Die Darstellungen hier gehen daher auch lediglich auf die aus Sicht des Einzelhandels relevanten Punkte ein. Eine umfassende Begutachtung der Verkehrssituation in Mainz müsste darüberhinausgehende Perspektiven berücksichtigen.«
Professor Funder schreibt, die Stadt Mainz verfolge die Zielsetzung, den motorisierten Individualverkehr in der Stadt zu reduzieren. Entsprechend werde eine »flächendeckende fußläufig erreichbare Nahversorgungsstruktur« angestrebt und nennt als Quelle dazu das Mainzer Zentrenkonzept von 2005. Er beruft sich auf vorliegende Daten zur Verkehrsmittelnutzung, die den Anteil der per PKW angereisten Innenstadtbesucher mit 30-35 Prozent und den Anteil der Nutzer/-innen des ÖPNV mit 35-45 Prozent beziffern (die Abweichungen resultieren aus Angaben verschiedener Befragungen, Anm.d.Red.).
Innenstadt für Autofahrer stärken
Aufgrund der hohen Bedeutung des erweiterten Einzugsgebiets der Innenstadt (Teile der Landkreise Mz-Bi, Alzey-Worms sowie Bad-Kreuznach, Rheingau, AKK, Wiesbaden, Ginsheim-Gustavsburg, Bischofsheim), die knapp ein Viertel der Innenstadtbesucher stellen, stellt Funder fest, die Innenstadt sei ohne den Autoverkehr kaum überlebensfähig. »Entsprechend sollte die Innenstadt nicht nur für Busse, Straßenbahnen und Fahrräder, sondern auch für Autofahrer gestärkt werden. Das beinhaltet nicht nur eine ‚angemessene‘ Straßenqualität, bezahlbare Parkplatzsituation (z.B. angemessene Park & Ride Sammelparkplätze mit kostenlosem Transfer in die Stadt) sondern auch eine flüssige Verkehrsführung, die sich unabhängig von gesetzten Zielbildern auch an den tatsächlichen Lebenswirklichkeiten orientiert. Ansonsten werden Endverbraucher ihre für Sie wertvolle Ressourcen Zeit und Geld optimieren und ihre Bedarfsdeckung ‚auf die grüne Wiese‘, das Internet oder in angrenzende Städte wie Wiesbaden verlagern.«
Weiter stellt Funder fest, Mainz sei, gemessen am Verkehrsaufkommen, verkehrstechnisch zu klein dimensioniert, kleinste Störungen des Verkehrsflusses führten zu Stau. Deshalb und aufgrund zahlreicher Baustellen im Innenstadtbereich, sei die Zuwegung zur Innenstadt, Stand April 2017, sehr angespannt. Als Beispiele für Baustellen benennt er z.B. die Vorhaben am Schillerplatz, in der Schillerstraße und der Großen Langgasse. »Weitere Einschränkungen des Autoverkehrs durch die Abschaffung oder Verengung von Fahrspuren zugunsten nutzbarer Flächen für Fußgänger und Radfahrer oder die Einführung von Tempo 30 auf Hauptachsen (z.B. wie geplant in der Großen Langgasse) werden die aktuell angespannte Verkehrssituation noch verschärfen. Dies gilt insbesondere auch, sollte das City-Bahn-Projekt als Verbindung zwischen Wiesbaden und dem Mainzer Straßenbahnnetz, z.B. über die Große Bleiche und Binger Straße zum Hauptbahnhof-West realisiert werden.« Daraus leitet Funder Nachteile im Sinne von Frequenzverlusten für die Innenstadt ab, wenn deren Erreichbarkeit weiter erschwert werde. »D.h. sollten weitere Einschränkungen für die MIV-Erreichbarkeit umgesetzt werden, ohne dass Innenstadtbesuchern aus Ihrer Sicht adäquate Mobilitätsangebote bereitgestellt werden, muss von einer nachhaltigen Schwächung der Mainzer Innenstadt ausgegangen werden.«
Alternativen zum motorisierten Individualverkehr
Zusammenfassend bezieht sich Professor Funder auf die zentralen Kritikpunkte, die sowohl von Besuchern der Innenstadt aus Mainzer Stadtteilen als auch aus dem Umland geäußert würden: die mangelnde Erreichbarkeit und die zu hohen Parkgebühren.
»Die (nicht repräsentative) Befragung von Einwohnern aus dem Mainzer Umland hat ergeben, dass sich die Attraktivität der Mainzer Innenstadt für mehr als die Hälfte der Befragten durch eine Senkung der Parkgebühren deutlich erhöht (knapp ein Drittel forderte kostenlose Kurzzeitparkplätze). Letzteres gilt, wie in Kapitel 4.2 ausgeführt auch für Innenstadtbesucher der Mainzer Stadtteile. Da das Mainzer Umland einen wichtigen Kundenanteil der Mainzer Innenstadt darstellt und zudem der MIV (motorisierter Individualverkehr, Anm.d.Red.) auch für die in Mainz lebenden Bürger eine hohe Bedeutung hat (…) muss die Stadt Mainz, sollte sie den aktuell verfolgten Kurs, zukunftsfähige Mobilitätsformen zu fördern und verbessern zu wollen, ein integriertes Verkehrskonzept erarbeiten und echte Alternativen zum MIV aufbauen. Lediglich den MIV senken zu wollen, ohne angemessene Alternativangebote (z.B. funktionierende Park & Ride Angebote) bereitzustellen, trägt ideologische Ideale auf dem Rücken der Händler aus. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Aufenthaltsqualität in der Mainzer Innenstadt durchweg als hoch eingestuft wird. Investitionen in neue (dann vielleicht leere) Plätze in der Innenstadt, begleitet von der Elimination von Kurzzeitparkplätzen scheint aus Sicht der Bürger nicht geboten. Hinsichtlich der Gestaltung des ÖPNV in Mainz gab es bereits in 2003 Vorschläge, die hohe Verkehrsbelastung an Höfchen und damit auch zwischen den Polen Brand und Steinhausstraße (Schöfferstraße) neu zu gestalten. Insbesondere was die Entwicklung der Ludwigsstraße aber auch die Sicherheit und Qualität in der Innenstadt generell betrifft würden positiv beeinflusst. Entsprechend könnte die Option, den ÖPNV vom Höfchen in die Große Langgasse sowie Quintinstraße zu verlegen nochmals eingängig geprüft werden.«
| SoS