Vater eines 16-jährigen Sohns zu sein, ist manchmal eine Herausforderung, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob die Schulkarriere mit der Mittleren Reife oder mit dem Abitur beendet werden soll.

Ich weiß, dass bereits 51 Prozent eines Jahrgangs mit der allgemeinen Hochschulreife abschließen und diese Quote jedes Jahr um einen Prozentpunkt steigt. Also könnte ich es mir leicht machen und dem Sohnemann das Abitur als Voraussetzung für den weiteren Lebensweg vorschlagen. So leicht mache ich es mir dann doch nicht. »Egal ob 10. Schuljahr oder Abi, was könntest Du dir denn beruflich vorstellen?«, war meine Frage an ihn. Hätte ich die bloß nie gestellt …

»Irgendwas mit Homeoffice«, war die einfache Antwort. Nachdem sich für einen Moment meine Schlagfertigkeit in Luft aufgelöst hatte und ich einige Anleihen bei den Grundsätzen der Atemtherapie nehmen musste, brachte ich nur noch hervor: »Warum das denn?« Sofort war Junior in seinem Element: »Mikes Bruder arbeitet nur von zuhause, der kann jetzt auch noch Sonntagabend mit seinen Kumpels was unternehmen, montags sieht ihn doch keiner.«

Also habe ich den Auftrag meines Sohnes bekommen herauszufinden, in welchen Berufen es die besten Chancen gibt, Heimarbeit zu machen. Das statistische Bundesamt kann fast alle Fragen beantworten: Seit dem Ende der Pandemie arbeiten 24,2 % der Erwerbstätigen zumindest gelegentlich von zu Hause. 2019 waren es nur 12,8 %. Drei von vier Beschäftigten von IT-Dienstleistern arbeiten in den heimischen vier Wänden, bei Versicherungen und Pensionskassen beträgt der Anteil 70,4 %. Alle anderen Branchen liegen im einstelligen Prozentbereich. Für den Filius waren diese Bereiche wenig »cool« und so hatte ich die Diskussion überlebt. Aber nur kurz. Ich ließ die Zeitung auf dem Küchentisch liegen: »Es lockt das lange Wochenende« lautete die Schlagzeile. »73 Prozent der Beschäftigten wünschen sich die Viertagewoche.«

»Dann mache ich Abi und arbeite irgendwo, wo ich 3 Tage voll frei habe.« Ich habe mir das versucht vorzustellen und bin zu dem Ergebnis gekommen, ein Arbeitstag weniger ist super, wenn alle Menschen akzeptieren, dass dies für alle gilt: für Straßenreinigung und Müllabfuhr, für das Personal in Supermärkten, für Polizei, Feuerwehr und im Gesundheitsbereich, für Fahrerinnen und Fahrer von Bussen, Straßenbahnen und Zügen usw. Geht nicht, werden Sie sagen, wo sollen denn die Arbeitskräfte herkommen, damit ich noch abends bis 21:30 Uhr in den Supermarkt kann?
Ja, wir leben in einem Land, in dem die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht und wenn es nach der Mehrheit der Bevölkerung geht, sich die Gesellschaft zukünftig teilt zwischen denjenigen, die frei wählen dürfen, wann und wo und wieviel sie arbeiten wollen und denjenigen, die keine Wahl haben aber so wichtig sind, weil ohne sie ein Leben nicht mehr möglich wäre.

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