Für das neue Jahr soll man sich etwas vornehmen. Ich habe mir vorgenommen nicht »cheugy« zu sein. Ach, Sie wissen nicht was cheugy (ausgesprochen: dschuh-gi) bedeutet? Dann sind Sie bestimmt älter als 25 …

Die Generation Z benutzt das Wort für Menschen, die nicht besonders trendy sind, ein wenig hinterherhinken oder zu sehr versuchen mitzuhalten.

Also ein »Cheug« zu sein kann »cringe« sein. Sie wissen auch nicht was »cringe« bedeutet? Das war doch das Jugendwort des Jahres vor zwei Jahren! Also gut, erkläre ich das auch noch. Cringe spricht man auf Deutsch in etwa »krindsch« aus und beschreibt eine Situation, die unangenehm oder peinlich ist. »Das war echt cringe….«. Man kann es auch übersetzen mit »Fremdschämen«.
Nun habe ich gelernt, dass das alles gar nicht so einfach ist. Ich darf es nicht übertreiben, wenn ich mit meinen wenigen Haaren versuche, jung und hip zu sein und cool aufzutreten, könnte ich mir die Bemerkung einfangen »Oh Mann, bist Du cringe … »

Woke sein

Seit einiger Zeit lauert auch noch eine andere Herausforderung, ich soll auch »woke« sein. Dem alten Duden sei Dank, er erklärt, was es bedeutet, »woke« zu sein: »In hohem Maß politisch wach und engagiert gegen insbesondere rassistische, sexistische und soziale Diskriminierung.«

Ich muss also auf alle nur denkbaren Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen. Beispiele gefällig? Seit Jahren gehe ich mehrfach in der Woche zu meiner Lieblingsbäckerei und begrüße meine Lieblingsverkäuferin stets mit den Worten: »Du siehst heute wieder toll aus…« Das geht gar nicht, das ist sexistisch.

Wenn ich bei Kaufhof nach langem Warten drei zusammenstehende Verkäuferinnen frage, ob ich mal kurz ihr Gespräch unterbrechen darf, weil ich eine Frage habe, ist das auch nicht woke.
Ich darf bei Unisex-Vornamen nicht mehr nach dem Geschlecht fragen. Letzte Woche wäre mir fast das Wort »Korinthenkacker« herausgerutscht, im letzten Moment habe ich es verschluckt, es könnte rassistisch sein oder eine kulturelle Aneignung.

Königsberger Klopse

Eines meiner Lieblingsgerichte sind »Königsberger Klopse«, ich zerbreche mir seit einiger Zeit den Kopf, ob ich die noch so nennen darf. Von meinen Yogastunden habe ich mich auch abgemeldet, die Yogakultur wurde geklaut und ist angeblich ein Paradebeispiel kultureller Aneignung. Ich gehe auch nicht mehr zum Arzt sondern zu einer »Person im ärztlichen Dienst«, mein Chef ist ab sofort die »Leitungsperson«, Polizisten sind »Mitarbeitende der Polizei«, ich habe keine Freunde mehr sondern »Bezugspersonen«, keinen Nachbarn mehr sondern eine »nebenan wohnende Person«, keinen Bäcker mehr sondern eine »Backwaren herstellende Person«.

Was ich noch nicht weiß, wie man Katze gendert!

Nachdem ich mich nun seit Wochen kräftig anstrenge und immer wieder in das ein oder andere woke/Gender/cheugy – Näpfchen getreten bin, habe ich die Lösung gefunden:
»I am cringe but I am free!«

| Mogunzius

| Mogunzius

 

Mogunzius: Ein gutes neues Jahr 2023