Wirtschaftlich kerngesund und für die Herausforderungen gut aufgestellt, so steht die Wohnbau Mainz dar, wenn Thomas Will im November in den Ruhestand geht; als er sein Amt als Geschäftsführer vor 15 Jahren antrat, war der Fortbestand des Unternehmens noch akut gefährdet.

Es war ein Sprung ins kalte Wasser – das, wie Thomas Will trocken feststellt, zudem vergiftet war: Im November 2008 übernahm er das Amt als Geschäftsführer der Mainzer Wohnbau GmbH. Die Wohnungsbaugesellschaft stand kurz vor der Pleite – was niemand wusste. Nach ein paar Wochen hatte Will die Unterkapitalisierung und Managementfehler erfasst. Der »Kassensturz« ergab: kurzfristig waren Beträge von rund 200 Mio. fällig. Die alte Geschäftsführung war sehenden Auges auf die Insolvenz zugesteuert und unternahm – nichts! Will informierte Oberbürgermeister Jens Beutel und alle Gremien. Dann drehten Unternehmensberater und Bankfachleute alles von links auf rechts: Um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden brauchte das Unternehmen sofort frisches Geld in Millionenhöhe. Die RLP-Landesregierung kam zu Hilfe, stellte nach Vorlage von Bürgschaften in Höhe von 300 Mio. € durch den Mainzer Stadtrat über ihre Investitions- und Strukturbank kurzfristig 70 Mio. €. zur Verfügung. »Damit hatten wir uns nur Zeit gekauft, notwendig war ein umfassendes Restrukturierungskonzept«, erinnert sich Will.

»Musst Du Dir das antun?«

2.800 Wohnungen in AKK mussten verkauft werden, die Gesellschafterstruktur wurde neu geordnet, die Unternehmenszweige Wohnen und Gewerbe wurden separiert, 50 Mitarbeitende mussten entlassen werden, die Mieten wurden, wo möglich erhöht, 860 Mio. € Verbindlichkeiten drückten, 230 Mio. €. frisches Kapital wurde beschafft. Im Mai 2009 ging Geschäftsführer Rainer Laub und der neu berufene sanierungserfahrene Dr. Albertz unterstützte die Restrukturierung bis im Dezember 2010 Franz Ringhoffer für ihn als Geschäftsführer in das Unternehmen kam.

Thomas Will, Geschäftsführer der Mainzer Wohnbau GmbH

Thomas Will, Geschäftsführer der Mainzer Wohnbau GmbH

»Musst Du Dir das antun?« Diese Frage sei ihm damals durch den Kopf gegangen, bekennt Will heute und fragt: »Können Sie sich die Stadt Mainz heute ohne eine eigene Wohnungsbaugesellschaft vorstellen?« 11.000 Wohnungen hat die Wohnbau Mainz Mitte Juni 2023 vermietet, davon sind 4.435 (41 Prozent) öffentlich gefördert. Anfangs liegen die Kaltmieten neu geförderter Wohnungen je nach Haushaltseinkommen zwischen 7,20 € und 8,10 €/qm. Ausgenommen von dieser Mietensteuerung sind 750 Wohnungen, deren Mieten über ein Belegungsrecht gefördert werden. Diese Mieter zahlen über 10 Jahre eine Kaltmiete, die fortwährend 15 Prozent unter dem Median des Mainzer Mietspiegels geführt wird. Solche Wohnungen werden in Mainz dringend gebraucht. Ihm sei damals die Verantwortung bewusst geworden und er habe sich der Herausforderung gestellt, meint Thomas Will rückblickend.

Zwei Jahre nach der knapp vermiedenen Pleite war die Restrukturierung im Wesentlichen abgeschlossen und Geschäftsführer Will verkündete: »Wir wollen wieder bauen« – was viele für unrealistisch hielten. 1.000 neue Wohnungen in zehn Jahren, lautete das Ziel. 2011 ging es los in der Mombacher Suderstraße. Es folgten Bauprojekte im Martin-Luther-King-Park, in Ebersheim, am Hartenbergpark und in der nördlichen Neustadt.

1.000 Wohnungen in zehn Jahren

Im November 2023 geht Thomas Will mit 66 Jahren in den Ruhestand und verkündet erneut: 1.000 weitere Wohnungen werden in den kommenden zehn Jahren gebaut. Die Grundstücke hat sich die Wohnbau bereits gesichert, die meisten Pläne sind gemacht, einige Bauprojekte sind in Angriff genommen:

  • Kommissbrotbäckerei (Neustadt) 168 Wohnungen,
  • Große Langgasse/Steingasse (Altstadt) 60 Wohnungen,
  • Vor der Frecht (Bretzenheim) 116 Wohnungen,
  • An der Wiese (Ebersheim) 76 Wohnungen,
  • Suderstraße/An der Plantage (Mombach) 109 Wohnungen
  • Am Medienberg (Lerchenberg): 480-500 Wohnungen.

Noch nicht in trockenen Tüchern sind der Bau von 135 Wohnungen auf dem Layenhof Finthen) und von 195 Wohnungen in der Housing Area (Gonsenheim). Geändert haben sich die Rahmenbedingungen: steigende Zinsen, höhere Baukosten und vielfältigste Auflagen verteuern das Bauen. Deshalb wird das Wohnungsbauunternehmen auf städtische Unterstützung zurückgreifen müssen. Im Mainzer Etat 2024 ist ein Darlehen in Höhe von 40 Mio. €  für die Wohnbau Mainz enthalten und: »Wir hoffen und rechnen damit, dass wir finanzielle Hilfe von der Stadt auch für die nächsten Bauvorhaben und besonders das Großprojekt auf dem Lerchenberg bekommen«, sagt Will.

Bodenbevorratungspolitik

Der Wohnbau-Geschäftsführer hält einen längerfristigen Bedarf von 10.000 neuen Wohnungen in Mainz für realistisch – auch aufgrund der Entwicklungen in der Biotechnologiebranche, die etwa 5.000 neue Arbeitskräfte nach Mainz bringen dürfte. Bei der Wohnbau sind derzeit rund 7.000 Wohnungssuchende registriert,  2 – 3.000 bräuchten dringlich eine Wohnung, so Will. Baut die Wohnbau 1.000 Wohnungen, fehlen weitere 9.000 neue Wohnungen. Einen Plan, wer die baut, hat derzeit niemand. Die großen Player wie Gemünden und Fischer ziehen sich aus dem Wohnungsbau zurück – der ist einfach zu teuer!

Also ist die Stadt Mainz gefragt. Eine kluge und geschickte Bodenbevorratungspolitik ist erforderlich, sagt Will. Nur: Sind überhaupt noch Flächen vorhanden? Will erinnert an den Vorschlag, die Flächen zwischen Hechtsheim und Ebersheim zu bebauen. »Wir müssen uns entscheiden, zu welchem Zweck wollen wir in den kommenden Jahren die noch verfügbaren Flächen nutzen«, so seine Auffassung. Und der Klimaschutz? Die Flächenversiegelung? Die Versorgung der Innenstadt mit frischer Luft? Thomas Will sagt: »Guter Klimaschutz muss Akzeptanz haben und bezahlbar sein.« Das gelte es immer abzuwägen. Die Versiegelung der Flächen sei in der Tat ein Problem und es sei die Aufgabe der Stadtpolitik, Lösungen zu finden: vielleicht mit Change-Projekten? Hier versiegeln dort entsiegeln? Hier einen Baum fällen, dort fünf neue pflanzen?

Neben Neubauten muss die Wohnbau auch die kontinuierliche Sanierung ihres Altbestands stemmen. »Wir arbeiten im Lebenszyklus der Häuser, alle 20-25 Jahren muss etwas erneuert, ausgetauscht werden.« Vorrang habe dabei die energetische Sanierung: Dämmung, Dächer, Fenster und neue Heizungssysteme. Möglichst viele Wohnbau- Wohnungen sollen an das Mainzer Fernwärmenetz angeschlossen werden: Den derzeit 1.500 Einheiten sollen weitere 3.700 Einheiten folgen. Auch zu diesem Zweck gründete die Wohnbau Mainz mit der Mainzer Wärme GmbH und der Mainzer Erneuerbare Energien GmbH die Wohnen und Energie Mainz GmbH (WuE).

Die Menschen erreichen

Weitere Aufgaben der WuE sind die Errichtung von PV-Anlagen auf den Dächern von Wohnbau-Häusern oder anderer Anlagen zur Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung, Lösungen für die Elektromobilität und Lösungen bestehend aus Sensorik, Software und Hardware im Bereich der Digitalisierung und Smart-City-Anwendungen.

»Mein Herz hängt daran, dass ich die Menschen mit dem, was wir tun, erreichen kann«, nennt Will eine Motivation für seine Arbeit. Auch, wenn es um Mieterhöhungen geht. »Die müssen sein, denn die Wohnbau muss finanziell gesund bleiben, um ihre Aufgabe, Wohnungen zu sozialverträglichen Konditionen anzubieten, zu erfüllen.« Will formuliert zum Ende seiner Amtszeit ein weiteres Ziel: Der Bestand geförderter Wohnungen soll von 4.435 auf wenigstens 5.000 erhöht werden. Schwierig sei das, weil durch unterschiedlichste Vertragsabläufe stetig Wohnungen aus der Förderung herausfallen, die Mieten steigen. Aber: »Wir deckeln und steuern die Mietsteigerungen, helfen auch individuell, suchen gemeinsam mit den Mieter:innen nach Lösungen.« Menschen erreichen, sie mitnehmen ist auch ein Ziel von »Zuhause in Mainz«.

Gemeinschaftliches Leben

Es ist ein von der Wohnbau entwickeltes besonderes Wohnformat, baut auf einer guten Nachbarschaft auf, wie am Karoline-Stern-Platz in der Neustadt. In dem kürzlich fertig gestellten Stadtquartier sind alle Wohnungen barrierearm, Jung und Alt, Menschen mit und ohne Handicap wohnen hier zusammen, die Versorgungssicherheit wird über einen Pflegedienst im Quartier gelöst. Die Wohnbau kooperiert zudem mit selbstverwalteten Wohnprojekten wie »VIS-a-VIS« (Martin-Luther-King-Park), dem Verein »stattVilla e.V.« im Quartier Hartenbergpark und »Queer im Quartier« in der Wallaustraße. Der Bedarf für gemeinschaftliches Leben steige stetig, beobachtet der Wohnbau-Geschäftsführer, weshalb moderierte Angebote auf sehr große Nachfrage stießen.

Bis Ende Oktober hat Thomas Will noch Zeit seinen Nachfolger Roman Becker einzuarbeiten. Dann geht er in den – »Un-Ruhestand«? »Dann gehört mein Terminkalender mir, weist er die Vermutung, nicht loslassen zu können von sich. Wobei: Es warten acht Enkel darauf, dass der Opa endlich mehr Zeit für sie hat. So ganz ruhig wird das wohl kaum.

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