Am 5. März 2023 entscheiden die Wähler:innen, ob der parteilose Nino Haase oder der GRÜNE Christian Viering Oberbürgermeister von Mainz wird.

DER MAINZER wollte von den beiden Oberbürgermeister-Kandidaten wissen: »Welches sind die drei wichtigsten Projekte, die Sie in den acht Jahren Ihrer Amtszeit auf den Weg bringen wollen?«

Es brauche zuerst ein »positives Leitbild« für die Stadtverwaltung, sagt Nino Haase. »Ich muss dafür sorgen, dass die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden.« Hoher Krankenstand, viele unbesetzte Stellen, viele Mitarbeitende, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen: »Daran muss sich grundlegend etwas ändern, es braucht mehr Auszubildende in der Verwaltung, um den Fachkräftebedarf selbst zu sichern!« Haase möchte eine »Ausbildungsstiftung« gründen, die mit städtischem Kapital in Höhe von 50 bis 100 Mio. Euro an den Start gehen soll und an der sich auch regionale Unternehmen finanziell beteiligen können – deren Azubi-Bedarf wachse ebenfalls. Aufgabe der Stiftung soll es u.a. sein, die Voraussetzungen für die Akquise von Azubis zu verbessern. Haase denkt z.B. an Wohnheime, ähnlich denen für Studierende, in denen die künftigen Fachkräfte günstig wohnen können. Grundsätzlich müssten für die Gewinnung von Azubis, ebenso wie für ausgebildete Fachkräfte »andere Kanäle« genutzt werden, stellt Haase fest: »Plakate und Kacheln auf Facebook funktionieren nicht, es braucht eine andere Ansprache, die über alle sozialen Medien und mittels unterschiedlichster Formate kommuniziert wird.«

Zum positiven Leitbild der Stadtverwaltung gehöre auch die Personalführung: »Wir müssen die Mitarbeitenden halten und motivieren, die Arbeitskultur verbessern und viel mehr Abläufe digitalisieren.« In den nächsten Jahren gehen viele ältere Beschäftigte in den Ruhestand, insofern seien jetzt die entsprechenden Veränderungen in die Wege zu leiten und die Digitalisierungsstrategie engagiert umzusetzen. Haase ist überzeugt, erforderlich sei dazu nicht nur Geld, sondern die Einsicht in die Notwendigkeit: »Ich will die Menschen in der Verwaltung mitnehmen, Sachprobleme wie die klimafreundliche Stadtentwicklung und ein nachhaltiges Klimakonzept anzugehen, um das Ziel, Mainz wird bis 2035 Klimaneutral zu erreichen.« In diesem Kontext spiele Stadtentwicklung eine zentrale Rolle, sie soll, so kündigt Haase an, künftig »Chefsache« werden. Das Amt will er in das Dezernat des OB eingliedern, um »Stadtentwicklung aus einem Guss« zu ermöglichen. Es gehe darum, Flächen für Wohnen und Gewerbe zu identifizieren, klimaschonende Wohnquartiere zu planen und die dazu passenden Mobilitätskonzepte. Stadtviertel müssten ganzheitlich mit Kitas und Nahversorgung geplant, die »Durchmischung der Bevölkerung« ermöglicht werden: »Es gibt in den Stadtteilen nicht genügend Sportplätze und zwei Schwimmbäder sind zu wenig«, stellt Haase fest und erinnert an eine ÖDP-Forderung nach einem »Masterplan Stadtentwicklung«, der von der Stadtratsmehrheit abgeschmettert wurde: »Den brauchen wir als Grundlage für die klimaneutrale Stadtgestaltung«

Der parteilose Kandidat bezeichnet sich selbst als großen Freund der sozialen Marktwirtschaft: »Gelingt es nicht, die Wirtschaft am Laufen zu halten, fehlt es an Geldern, um andere Aufgaben zu finanzieren.« Die Wirtschaftsförderung der Stadt müsse personell aufgestockt werden, lautet seine Forderung. Außerdem brauche die Stadt eine »einheitliche Marketingstrategie« mit den Schwerpunkten Wein, Gutenberg, Wissenschaftsstandort und kulturelle Schätze wie z.B. der Alte Dom St. Johannis.

Um all dies in Gang zu setzen, will Haase eine »neue politische Kultur« etablieren, in der auch die Ortsbeiräte mehr eingebunden sind. »Es kann nicht sein, dass die Anfragen der Ortsbeiräte eingeschränkt werden, mit der Begründung, es fehle an Mitarbeitenden in der Verwaltung, um sie zu bearbeiten!« Zu einer neuen politischen Kultur gehören für Haase auch »Einwohnerversammlungen«, wie sie die Gemeindeordnung vorsehe: »Einmal jährlich sollen die Mainzer direkt und unvermittelt sagen können, wo sie der Schuh drückt, und was sie verändert haben wollen.«

Christian Viering nennt als sein Kernprojekt den Umbau der Stadtverwaltung zu einer modernen Dienstleistungsbehörde und zu einer attraktiven Arbeitgeberin: »Wir müssen die Verwaltungsstrukturen den Herausforderungen wie der Klimakrise anpassen.« Bis 2035 soll die Stadt Klimaneutral werden – das gelinge nur, wenn die entsprechenden Klimaanpassungen vorgenommen werden. Dazu müsse der Bedarf an Arbeitskräften in der Verwaltung und den stadtnahen Gesellschaften gesichert werden: »Ich kenne mich mit tariflichen Regelungen aus, habe schon viele Tarifverhandlungen geführt und weiß, der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst bietet weniger Spielraum als zum Beispiel Tarifverträge in der Industrie: ob es um höhere Bezahlung geht oder um die Gestaltung von Arbeitszeiten und mobilem Arbeiten. Aber: Wenn eine Großstadt wie München im Rahmen des TvÖD Sonderregelungen mit der Begründung vereinbaren kann, die Lebenshaltungskosten seien in München höher als im Umland, dann muss das im Ballungsraum Rhein-Main auch gelten. Solche Zulagen sind Verhandlungssache mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband und es ist zu klären, warum Wiesbaden Erzieher:innen höher entlohnen kann, als Mainz.« Auch die Rahmenbedingungen seien zu verbessern: mehr Möglichkeiten für mobiles Arbeiten in der Verwaltung, höhere Investitionen in die technische Ausstattung, die Vereinbarkeit von Job und Sorgearbeiten berücksichtigen: »Für all das braucht es ein Gesamtkonzept!« In einer konzertierten Aktion mit dem Personalrat, den Gewerkschaften, den Amtsleitungen müsse dieser »Kulturwandel« angestoßen werden – das werde nicht innerhalb von sechs Monaten zu schaffen sein, stellt Viering klar: »Ich möchte eine Fachkräftestrategie, die über die Stadtverwaltung hinausgeht: gemeinsam mit den Kammern, der Arbeitsagentur, den Unternehmen müssen wir den Fachkräftebedarf für alle sichern.« Viering spricht von einer »ganzheitlichen Fachkräftestrategie«, will dazu auch allen Kindern, unabhängig von ihrer Herkunft, den Weg zu Abitur und Studium ebnen – und endlich die Gleichwertigkeit von Studium und Dualer Ausbildung herstellen: »Ich selbst bin ein gutes Beispiel dafür! Ich habe eine Ausbildung zum Chemikant, ergänzt durch viele Weiterqualifizierungen und jetzt werde ich Oberbürgermeister von Mainz!«

Die Bekämpfung der Klimakrise und parallel den Zusammenhalt in der Gesellschaft auszubauen, steht ebenfalls auf seiner Agenda: »Wenn zum Beispiel nur 35 % der Berechtigten den Kinderzuschlag abrufen und Angebote aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nicht wahrnehmen, weil die Berechtigten nicht wissen, was ihnen zusteht, können sie das auch nicht beantragen!« Es brauche »Lotsen«, die solche Angebote vermitteln und die bei der Beantragung unterstützen.

Die unvermeidliche Mobilitätswende will Viering mit neuen Mobilitätsangeboten verknüpfen. Der Grüne spricht von Straßenbahnen, die über die Stadtgrenzen hinaus bis Ingelheim, über den Lerchenberg bis nach Essenheim fahren, von der »Neuordnung der Verkehrsräume in der Stadt« und stellt klar: »Ich will KEINE autofreie Stadt!« Insgesamt aber müsse der Verkehr reduziert werden. »Wir bekommen vom Land 9 Mio. Euro für Klimaanpassungsmaßnehmen, damit können wir eine ›Abmeldeprämie‹ bezahlen: wer sein Auto abmeldet erhält ein Jahr lang zum Beispiel ein ›Deutschland-Ticket‹ umsonst oder einen Gutschein für den Kauf eines E-Bikes oder eines Lastenrades.« Reduziert werden müssten auch die Durchgangsverkehre, es brauche mehr Geschwindigkeitskontrollen, um den Durchgangsverkehr zu »entschleunigen« und damit unattraktiver zu machen. »Mein Traum ist seit Jahren eine autofreie Große Bleiche mit einem Generationenpark am Ernst-Ludwig-Platz – so wird die Aufenthaltsqualität durch Reduzierung des Autoverkehrs für alle sicht- und erlebbar.«

| SoS

Hier erläutern u.a. Nino Haase und Christian Viering, ob Biotechnologie mit Klimaschutz geht:

OB-Wahl: Geht Biotechnologie mit Klimaschutz?