Die Rathaus-Baustelle hat es in sich; nahezu komplett entkernt, sind fast alle denkmalschutzwürdigen Teile des Mainzer Rathauses eingelagert – bis mindestens 2026.

In den oberen Stockwerken ist sogar der Bauschutt bereits weggeräumt, die Räume sehen sauber aus – was auf einer Baustelle so als sauber gelten kann. Im 5., also dem letzten Stock des Mainzer Rathauses sind die ins Dach eingelassenen «Oberlichter« in ihrer ganzen Pracht zu sehen – Pracht? Diese Oberlichter sind Handarbeit und in dieser Art heute unbezahlbar, erklärt Andreas Grund. Der Projektleiter der Rathaussanierung steuert gemeinsam mit Andreas Schuldes (Projektleiter der agn Niederhaus & Partner GmbH) die technischen Details zur Begehung der Rathaus-Baustelle Mitte Januar 2023 bei. Handarbeit – kaum vorstellbar bei einem Bauwerk dieser Größenordnung, aber Tatsache. Auf die Schuldes zwei Stockwerke tiefer erneut hinweist: die Paneele sind ebenfalls von Hand gefertigt. Das bedeutet, alle Paneele müssen vor ihrem Ausbau digitalisiert werden, damit sie nach der Sanierung an der richtigen Stelle wieder eingebaut werden können. Über 10.000 qm Deckenverkleidung und 2.300 Paneele wurden bislang ausgebaut und ins Depot nach Bad Kreuznach verbracht, ebenso 310 Türen, die gesamten Wandverkleidungen, Wandregale, Sitzmöbel vom Ratssaal, vom Valencia-Saal, die Aktenschränke, alles, was vom Denkmalschutz als «geschützte Ausstattung« klassifiziert wurde.

i-Pad im Einsatz auf der Rathaus-Baustelle

Andreas Grund spricht von großer Handwerkskunst, die in diesem «Fuchs-Bau« ausgeübt wurde und die auch heutige Handwerker herausfordert. Wenn auch auf andere Art und Weise: Bevor die Wasserwaagen zum Einsatz kommen, ist das iPad gefragt, um die katalogisierten Paneele und Türen im Lager in Bad Kreuznach aufzufinden und im Rathaus an den richtigen Stellen wieder einbauen zu können. Über 4.000 qm groß ist die alarmgesicherte und beheizte Halle in Bad Kreuznach, hinzu kommt eine ebenfalls gesicherte Außenfläche von 3.700 qm.
Vor einem Jahr, Anfang 2022, wurden von 10.000 qm Rathaus-Fassade 16.000 Platten entfernt. Bis 2027 – so die Planungen – sollen sie durch Keramik-Platten ersetzt werden, die mittels Fotoprint der gleiche Optik erhalten, wie die kaputten Naturstein-Platten.

Der Ratssaal – nicht wiederzuerkennen

Sinnierend steht Günter Beck im entkernten Ratssaal und denkt an die vielen Stunden die er hier als Stadtratsmitglied der Grünen, als Dezernent für Finanzen, Beteiligungen und Sport verbracht hat. Wiedererkennen wird den leeren Ratssaal nur, wer hier selbst schon einmal war – bei Stadtratssitzungen, Amtseinführungen von Dezernentinnen und Dezernenten, bei Lesungen von Stadtschreiber:innen oder einem Tag der offenen Tür. Ein Stockwerk tiefer, direkt unter dem Ratssaal liegt der «Hörsaal“ des Rathauses. Hier fanden z.B. Veranstaltungen im Rahmen der «Universität im Rathaus« statt. Eine Reihe, in der Wissenschaft den Mainzer:innen nahe gebracht wurde. Auch hier unten gab es Wasserprobleme:  Tropfte es in den oberen Stockwerken aus den Decken, drückte im Kellergeschoss das Wasser von unten durch den Boden. Das Mainzer Rathaus steht nun mal direkt am Rhein.

Ist die Kostenobergrenze  zu halten?

In manchen Bereichen, einige sagen in zu vielen Bereichen, haben sich die Denkmalschützer durchgesetzt – sonst wären nicht so viele LKWs schon nach Bad Kreuznach ins Lager gefahren, um die erhaltenswürdigen Teile des Interieurs abzuladen. Geplant ist, im Verlaufe von 2026 alles wieder zurück zu bringen und an Ort und Stelle einzubauen. Allerdings will niemand mehr diese Jahreszahl bestätigen. Zu viele Zahlen wurden im Zusammenhang mit der Rathaussanierung schon genannt und mussten revidiert werden. Ähnlich ist es mit den voraussichtlichen Kosten. Ende September 2022 wurden in der 10. Sitzung des Beirats zur Rathaussanierung die aktuellen Budgetansätze vom Februar 2022 fortgeschrieben. Heißt: «Die Budgetobergrenze in Höhe von 104,150 Mio. € wird nicht überschritten. Die externen Risiken werden unverändert in Höhe von 25,200 Mio. € weitergeführt.« Aber: Die Risiken, die sich aus der aktuellen weltpolitischen Lage, insbesondere durch den Ukrainekrieg ergeben, seien monetär zum jetzigen Zeitpunkt nicht einzuschätzen. Das wiederum bedeutet: Die Sanierung kann aufgrund von Energieknappheit, Rohstoff- und Materialengpässen sowie andauerndem Fachkräftemangel ins Stocken kommen. Bislang liegt zumindest der Rückbau im Zeitplan, bzw. schreitet sogar schneller voran, als geplant.

Marion Diehl (SoS)