Das »Weingold« in Guntersblum möbelt Klassiker der bürgerlichen Küche auf. Gemütlich und ohne Chichi. Dienstagabends ist Dampfnudeltag.

Ist ein Wirt zugleich Winzer, ist Mister X meist glücklich. Denn: Der Winzer braucht eine gute Gastronomie als Präsentations- und Direktvermarktungs-Plattform seiner Weine, dem Gastronomen steht die ganze Welt seines Weingutes zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Das Gute daran: Auch für den Gast ist das eine Win-Win-Situation. Vorausgesetzt, der Winzer meint es ernst. Und zu denen gehört Alexander Baumann, in vierter Generation Chef des Weinguts Domhof in Guntersblum. Auf der Suche nach einem gastronomischen Standbein ist er im vergangenen Sommer in der Guntersblumer Hauptstraße fündig geworden, einen Steinwurf vom Weingut entfernt: Er übernahm das am Platz schon eingeführte »Weingold«.

Halbhohe dunkle Holzvertäfelung an den weißen Wänden, eingedeckte Holztische, offen liegende Deckenbalken – schon beim Eintreten in die großzügigen Gasträume merkt man, dass dieses Gebäude Ortsgeschichte atmet. Gedämpftes Licht und bequeme Stühle sind weitere Wohlfühlfaktoren in den im 17-Jahrhundert errichteten Gasthaus, das mit sparsamer Deko behutsam in die Moderne geführt wurde. Dazu passt das Versprechen von Küchenchef Harry Kolba, gehobene, aber bodenständige Speisen mit saisonalen Produkten aus der Region anbieten zu wollen.

Auf der Karte für jeden etwas dabei

Zeit für das Studium der Karte. Vegetarisch Leichtes, Rohkost und Salate, aber auch deftige Fleischgerichte bis hin zum getrüffelten Saumagen auf Rahmkraut und Kartoffeln. Für jeden etwas, aber doch nicht zuviel. Die Preise sind für einen ländlichen Gasthof gehoben, aber der selbst gesteckte Anspruch ist es ja auch. Mister X, bekennender Suppenesser, ordert gleich mal eine Kürbiscremesuppe mit Curry und Apfel (7 €) und bestellt als Hauptgang ein Gulasch vom edlen Damhirsch mit hausgemachtem Apfelrotkohl und Spätzle (24,50 €). Ich lasse mal argentinisches Roastbeef, Rinderbraten, Rumpsteak und gegrillten Lachs auf Dijon-Senfsoße und schwarz-weißem Reis links liegen und entscheide mich für einen Gemüsestrudel an Schnittlauch-Crème Fraîche (9,50 €) und danach »Pfälzer Fleeschknepp« mit Meerrettichsoße, Rote Bete-Salat und Kartoffeln (19.50 €). Dazu bestellen wir uns einen trockenen Grauburgunder (Piffchen 3,40 €) und einen trockenen Sauvignon Blanc (0,2 l für 5,80 €), beide Jahrgang 2020 und aus Guntersblum.

Fruchtige & ausgewogene Weine überzeugen

Natürlich führt die Getränkekarte in erster Linie Weine aus dem eigenen Weingut. Das gilt für Schoppenweine und Ortsweine aus Guntersblum und Nierstein ebenso wie für die Spitzen-Lagenweine, mit denen der Domhof auch überregional längst Aufmerksamkeit gefunden hat – so zum Beispiel den Niersteiner Pettenthal Riesling trocken oder den im Barrique gereiften trockenen Spätburgunder von der Guntersblumer Kreuz-Kapelle. Insoweit lässt sich der Besuch im Landgasthof »Weingold« auch gleich erweitern zur Weinprobe des Domhofs. Mit unserer Wahl liegen wir jedenfalls weingold-richtig: Kräftig, sortentypisch, fruchtig und ausgewogen überzeugen beide Weine restlos.

Die Wartezeit bis zur Vorspeise überbrücken wir mit dem Gruß aus der Küche: frische Baguettescheiben mit einer Currybutter mit zurückhaltend feinem Gewürzaroma (das entdecken wir, nachdem die gekühlte Butter etwas weicher geworden ist). Nicht viel später geht es los. Mister X hat eine appetitlich aussehende Kürbissuppe vor sich, mit gerösteten Kürbiskernen und Kernöl als Garnitur. »Angenehm samtig und mit sanfter Currynote«, lobt der Meister. Mit meinem Gemüsestrudel habe ich schon ein halbes Hauptgericht. Zwei dicke Strudelscheiben mit einer cremigen, aber doch fluffigen Gemüsefarce im Innern, begleitet von knackig-frischen grünen Salaten, dazu eine etwas dominante Schnittlauch-Créme Fraîche. Ein schöner Anfang.

Mit der Hauptspeise geht es flott weiter. Mister X nickt anerkennend. Das zarte Damhirsch-Gulasch, mild und ohne auf­dringlichen Wildgeschmack, badet in einer kräftigen reduzierten Soße. Allerdings stört ihn, dass die Spätzle angebraten sind. Aromatischer Apfelrotkohl im Extra-Töpfchen ergänzt das Wildgericht

Pfälzer Fleischklößchen sind ein Genuss

Eine Augenweide sind meine Pfälzer Fleischklößchen. Am Gaumen sind sie ein Genuss, butterzart, elegant mit Thymian, Muskatnuss und vielleicht einem Hauch Nelke abgeschmeckt. Das Ganze liegt auf einem Spiegel sahnig-milder Meerrettichsauce. Perfekt. Da rücken Rote-Bete-Salat und Salzkartoffeln (mit Hollandaise überzogen) in den Hintergrund. Die Tischnachbarin ist indessen entzückt von Semmelknödeln auf Waldpilzen in Thymian-Rahm (14,50 €) als eine der Alternativen für Vegetarier.

Wir sind beide pappsatt, deshalb belohnt sich Mister X noch mit einer Portion hausgemachten Maracuja-Sorbets für seine Mühe. Sein Resümee verkündet er mit vollem Mund: »Funderschöne Landhauf-Küche auf höchftem Niveau«.

| Lou Kull

ESSEN8,5
TRINKEN8,5
SERVICE8,0
AMBIENTE8,0
PREIS/LEISTUNG8,0
GESAMT41,0 : 5 = 8,2 KAPPEN

Fazit

Bürgerlich gediegen, dafür steht das Weingold. Service und Einrichtung sind zum Wohlfühlen, Küchen- und Kellerleistung zum Verwöhnen. Die Gastronomie setzt auf gehobene Klassiker und professionell aufgemöbelte Hausmannskost ohne Chichi. Die Domhof-Weine überzeugen genauso mit körperreicher Struktur und rassigem Säurespiel. Die Preise sind im bürgerlichen Gastronomie-Segment ambitioniert, aber bei dieser Qualität mehr als angemessen.

Restaurant Weingold
Hauptstraße 33
67583 Guntersblum
Telefon: 06249 80 57 67
baumann@weingut-domhof.de
Öffnungszeiten
Di bis Sa ab 17.30 Uhr;
Di zusätzlich Dampfnudeltag