In der Trattoria da Arnaldo weckt traditionelle mediterrane Küche Erinnerungen an Toskana, Emilia und Venetien.

»Ciao bella!” Mister X scheint in der Trattoria da Arnaldo guter Laune zu sein und pfeift vergnügt die Arie «La donna è mobile« des Herzogs von Mantua aus Verdis Rigoletto. »Nur, weil wir heute beim Italiener sind, musst Du nicht gleich zum Maestro mutieren, schau lieber gleich in die Karte«, beruhige ich ihn.

Tatsächlich ist die Liste der angebotenen Vorspeisen, Salate, Nudelgerichte, Pizzen, Fleisch- und Fischgerichte schier unerschöpflich. Es fehlt kaum ein Klassiker der vertrauten mediterranen
Küche. Welches Essen auch immer wir aus dem zurückliegenden Italien-Urlaub als neue Leibspeise mitgebracht haben: die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Arnaldo sie auf der Karte hat. Ob Masse auch Klasse hat, werden wir gleich sehen.

Darüber hinaus fällt die Preisgestaltung auf. Alle Pizzen und auch bei weitem die meisten Nudelgerichte sind unter zehn Euro zu haben. Selbst die Fleisch- und Fischgerichte bewegen sich größtenteils zivil zwischen 14 und 22 Euro, gleich, ob es dabei um ein Rumpsteak, Zander, Saltimbocca oder Hähnchen-Involtini geht.

»Wie machen Sie Spaghetti carbonara?«

Da wir in einer Trattoria und nicht in einer Pizzeria sind, lassen wir die belegten und gebackenen Fladenbrote mal links liegen und konzentrieren uns auf das, was eine Trattoria ausmachen sollte: gekochtes Essen aus einem Familienbetrieb. Mister X – perdone: der Herzog von Mantua – hat seine Wahl schnell getroffen. Spaghetti Carbonara (8,80 €) und gegrillte Kalbsleber mit Rosmarin, dazu Linguine in Butter und Salbei (23,90 €). Bei der Bestellung wird der Herzog zum Hofkoch und fragt mit prüfendem Blick: »Wie machen Sie Spaghetti carbonara?« Der freundliche Mann vom Service bleibt unbeeindruckt: »Mit oder ohne Sahne, und mit Speck«. Examen bestanden. Luftgetrockneter, ungeräucherter Speck, Ei, Käse und Pfeffer und eine kleine Kelle vom Nudelkochwasser – mehr darf es nicht sein, wenn »nach Köhler Art« gekocht wird. Wer die Nudeln in einer Sahnesoße mit gekochtem Schinken ertrinken lässt, wird vom Herzog persönlich gezüchtigt.

Für mich habe ich eine mediterrane Fischsuppe mit Lachs-Crostini (6,80 €) geordert und danach Scaloppine Milanese (18 €).

So reichhaltig die Speisenkarte, so überschaubar wird es beim Wein. Zwar gibt es die vertrauten italienischen Reben und Cuvées bei den Flaschenweinen in mittlerer Qualität (zwischen 18,50 und 32,50 €), doch bei den Schoppenweinen (3,80 bis 4,20 €) ist die Auswahl beschränkt. Vier Weißweine als 0,2-l-Schoppen sind im Angebot, drei Italiener und ein Rheinhesse, ohne Erzeuger, ohne Jahrgang. Lässt man den perlenden Lambrusco als Wein durchgehen, stehen immerhin sechs rote Schoppen zur Auswahl. Zur Ehrenrettung der Weinkarte muss man sagen, dass die rheinhessische Weinzunge von Mister X überrascht und angetan war vom trockenen Pinot Grigio aus Venetien. »Ein sauberer Grauburgunder«, so sein anerkennender Kommentar. Mein rheinhessischer Rieslingschoppen sollte auch trocken sein, aufgefallen ist vor allem der nachhaltige Traubengeschmack.



Gelungene Fischsuppe

Zügig steht der erste Gang auf dem Tisch. Und der birgt schon erste Überraschungen. Vor mir steht ein dampfender Teller mit Fischsuppe, eine leicht sämige und stark reduzierte dunkle Brühe mit konzentriertem Fischaroma. Dazu gibt es eine geröstete Weißbrotscheibe mit gegrilltem Lachs. Ein gelungener Einstieg.

Der Herzog von Mantua schwelgt ob seiner Spaghetti nach Köhler Art und lobt: genau so müssen sie sein. En Blick zur Nachbarin verrät: Auch überbackene Auberginenröllchen, gefüllt mit Frischkäse, getrockneten Tomaten und Basilikum (7,80 €) kommen als leichte vegetarische Vorspeise sehr gut an.

Recht flott kommen die Hauptgänge hinterher. Scaloppine sind ja eigentlich kleine Medaillons. Hier sind zwei von Ihnen zu ansehnlicher Kalbsschnitzelgröße plattiert und mit einer Käse-Ei-Mischung (»Milanese«) paniert. Begleitet werden sie von zartknusprigen Bratkartoffeln und reichlich geschmortem und gedünstetem Gemüse (Brokkoli, Blumenkohl, Möhren, Zwiebeln, Paprika), ergänzt um eine Garnitur von Rucola und Zitrone. Zwei Minuten weniger Hitze hätten den empfindlichen Kalbsmedaillons gut getan, ansonsten ist das Gericht nah an perfekt!

Ungewohnt zufrieden ist auch der immer kritische Meister. Üppig mit frischem Rosmarin gegrillt, schmeckt die Kalbsleber vorzüglich, ist aber ebenfalls ein wenig zu durchgegart. Linguine und Salbeibutter sind die genau passende Ergänzung.

Beifall für die Kalbsleber

Für Kalbsleber hat sich auch die Nachbarin entschieden und erhält sie zusammen mit Paprika, Tomaten, Schafskäse und Orec­chiette-Öhrchennudeln (12,80 €). Das Gericht von der Tageskarte findet ebenfalls viel Beifall.

Mittlerweile hat sich die Trattoria gut gefüllt. Da der Raum – eigentlich sind es zwei zusammenhängende – von stattlicher Größe ist, lässt sich auch in Pandemiezeiten genug Abstand halten. Aber: Ohne Lärm dämmende Raumgliederungen hallt das Stimmengewirr unangenehm laut. Schade für die eigentlich gelungene Ausstattung, die auf Gipsstatuen, Chianti-Korbflaschen und anderen Touristen-Italo-Nippes verzichtet und mit Beige-, Braun- und Grüntönen eine modern-lässige Note hat. Über die römisch-antiken Graffiti-Versuche an der Wand ließe sich füglich streiten. Aber nicht mit bestens gefülltem Bauch. Alles gut.

| Lou Kull

ESSEN8,0
TRINKEN7,0
SERVICE7,5
AMBIENTE7,5
PREIS/LEISTUNG8,5
GESAMT38,5 : 5 = 7,7 KAPPEN

Fazit

Trotz mächtig dimensioniertem Speisenangebot gelingt es dem Küchenteam, mit der handwerklich sorgfältigen Zubereitung der Gerichte den Gästen das Gefühl einer kleinen familienbetriebenen Trattoria zu vermitteln. So darf Italien schmecken, auch ohne den großen Gestus von schwarzem Tintenfischreis, Schwertfisch und gehobelten Trüffeln. Bei den offenen Weinen wäre noch Luft nach oben. Der Service ist flink und unauffällig. Je später der Abend, desto mehr schwillt im großen Saal der Geräuschpegel. Da darf man sich auf die Freiluftsaison auf der Terrasse mit ihrem weiten Blick freuen. Die Zugehörigkeit zum Best Western Hotel bringt die Annehmlichkeit der Tiefgarage im Haus mit sich und schlägt glücklicherweise nicht auf die Preiskalkulation durch. Essensqualität und die Rechnung am Schluss sind hier beste Freunde.

Trattoria da Arnaldo
Wallstraße 56
55122 Mainz
Telefon: 06131 32 05 26
info@trattoria-da-arnaldo-mainz.de
www.trattoria-da-arnaldo-mainz.de
Öffnungszeiten
Mo bis Fr 11.30 bis 14 Uhr
und 17.30 bis 23 Uhr;
Sa 11.30 bis 14 Uhr und 17.30 bis
23 Uhr; So 11.30 bis 14 Uhr
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