1 Milliarde und 90 Millionen Euro Überschuss im Etat der Stadt Mainz für 2021. Biontec macht die Gewerbesteuersenkung möglich. Warum aber bleibt die Mainzer Wirtschaftsdezernentin außen vor?

Mit dem freudigen Ereignis so lange hinter dem Berg zu halten, sei nicht ganz einfach gewesen, erzählt Günter Beck. Der Mainzer Finanzdezernent kann sogar durchs Telefon und zwei Tage nach der offiziellen Bekanntgabe sein glückliches Grinsen zum Ausdruck bringen. Anstatt mit dem prognostizierten Minus von 36 Mio. Euro kann die Stadt nun mit dem satten Überschuss planen. 1,2 Mrd. Euro Schulden hat Mainz – aber nicht mehr lange, ist der Grünen-Politiker überzeugt. Die freudige Nachricht hatten Beck und Oberbürgermeister Michael Ebling in einem kurzfristig angesetzten Pressegespräch verkündet. Das war unter dem Titel «Informationen zu den aktuellen Entwicklungen und Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung des Biotechnologie-Standortes Mainz« angekündigt worden. Tatsächlich erläuterten Oberbürgermeister Ebling und Bürgermeister Beck auch die Ausbaupläne für den Biotechnologie-Standort Mainz. Die Landeshauptstadt solle zu einem weltweit führenden Zentrum für die Forschung und Entwicklung im Bereich Biotechnologie und als BioTechHub in den kommenden Jahren ausgebaut werden. Das biete u.a. Potenzial für rund 5.000 neue Arbeitsplätze in den nächsten zehn Jahren. Um für bestehende und neue Unternehmen der Biotech-Branche gute Bedingungen zu schaffen, solle die Entwicklung von Flächen vorangetrieben werden. Vorgesehen ist, eine Gewerbesteuersenkung, in dem der Gewerbesteuerhebesatz von 440 auf 310 Punkte gesenkt wird. Der Finanzdezernent bezifferte die Entlastung für die in Mainz bereits ansässigen Unternehmen auf insgesamt 351,6 Mio. Euro im Jahr 2022.

Ansiedlungspolitik ohne die Wirtschaftsdezernentin?

Dass sich die Senkung des Gewerbesteuersatzes auf die Ansiedlungspolitik von Unternehmen aller Branchen auswirkt ist klar. Zuständig für diese Ansiedlungspolitik ist in Mainz eigentlich die Wirtschaftsförderung. Die gehört zum Wirtschaftsdezernat. Dessen Leiterin ist Manuela Matz. Bei der Verkündung der voraussichtlichen Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes war sie nicht dabei. Warum nicht?
Die Wirtschaftsdezernentin offenbarte im Telefonat mit dem MAINZER, dass sie erst kurz vor der Pressekonferenz im Stadtvorstand informiert wurde und äußerte ihr Unverständnis. Die Frage, ob ihre Parteizugehörigkeit in diesem Fall eine Rolle gespielt habe, beantwortet die Christdemokratin ausweichend. Sie erlebe schon, dass ihre Arbeit nicht immer so vorankomme, wie es erforderlich und möglich wäre. Grundsätzlich könne sie nicht nachvollziehen, dass Parteizugehörigkeiten eine Rolle spielten, gehe es darum, die Stadt voranzubringen. Da müssten doch alle an einem Strang ziehen.

Aufgabe des OB und des Finanzdezernenten

Finanzdezernent Beck reagierte im Telefonat mit dem MAINZER auf die Frage, warum die Kollegin aus dem Wirtschaftsdezernat nicht dabei war, ebenfalls mit Unverständnis. Aber aus einem anderen Grund. Die Darstellung der finanziellen Situation der Stadt Mainz sei seine Aufgabe. Sein Dezernat müsse die Vorlage erarbeiten, damit der Stadtrat die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes beschließen könne.
Und was ist mit der «nachhaltigen Sicherung des Biotechnologie-Standortes Mainz«? Wieso verkünden Oberbürgermeister und Finanzdezernent diese Planungen ohne die Wirtschaftsdezernentin, die auch für die Ansiedlungspolitik zuständig ist? Beck erklärt, dass diese Entwicklung Chefsache sei, deshalb aus dem Dezernat des Oberbürgermeisters mit der Unterstützung der Zentralen Beteiligungsgesellschaft Mainz vorangetrieben werde. Er selbst und der OB hätten auf Ebene der rheinland-pfälzischen Landesregierung für die nötige Unterstützung gesorgt. Den Vorwurf, die Kollegin Matz bewusst außen vor zu lassen, bestreitet Beck vehement und bleibt dabei, dass sowohl die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes als auch die Ausbaupläne für den Biotechnologie-Standort Mainz Sache des Finanzdezernenten und des Oberbürgermeisters seien.

Info: Pressemitteilung der Stadt Mainz vom 9.11.2021
Marion Diehl (SoS)