Wie wird die Mainzer Innenstadt attraktiv(er)? Eine der Streitfragen dreht sich um die Parkraumbewirtschaftung. Die einen wollen mehr und günstigere Parkplätze. Andere, wie die Initiative PARKing Day, verwandeln Parkplätze der Mainzer Innenstadt in einen Naherholungsraum.
Dreimal haben wir bislang im MAINZER Ideen und Vorschläge erörtert, die zur Attraktivitätssteigerung der Mainzer Innenstadt beitragen könnten. In der September-2021-Ausgabe kommt ein Vertreter der Mainzer PARKing Day-Initiative zu Wort. Alljährlich am dritten September-Wochenende verwandeln Mitwirkende in dieser Initiative Parkplätze, die von der Stadt freigegeben werden, einen Tag lang in Oasen zum Ausruhen, Spielen, Kommunizieren.
Simon Wehr antwortet in diesem Interview als ein Sprecher der PARKing Day-Initiative in Mainz. Er ist 41 Jahre alt, Kommunikationsdesigner, Familienvater und ein Kind der 80er: »Wir sind mit Umweltthemen großgeworden.« 2015 hat er erstmals den Mainzer PARKing Day erlebt und gehört seither zum Organisationsteam: »Ich war so begeistert von dem Anblick eines umgewandelten Parkplatzes – was sich mit diesem Platz anstellen lässt, wenn kein Auto darauf abgestellt wird, wofür öffentlicher Raum genutzt werden kann!«
Die PARKing Day-Initiative will zeigen, was möglich ist, anstatt mit erhobenem Zeigefinger und mit Appellen die Menschen zu bewegen, weniger Auto zu fahren oder das eigene Auto abzuschaffen. Das spricht Simon Wehr an, dem folgt er in seinem aktivistischen Handeln: »Seht her, Leute, so schön kann ein Parkplatz sein!« Es gehe nicht um eine autofreie Stadt, denn »Alle Autos raus« – das sei nicht realistisch, es werde weiterhin Autoverkehr geben, aber: »Viele dürften sich noch an die Zeit erinnern, als auf dem Liebfrauenplatz und in der Augustinerstraße Autos gefahren sind, heute wäre das gar nicht vorstellbar, weil wir alle diese autofreien Flächen ganz selbstverständlich nutzen. Diese Stadtqualität, die Fußgängerzonen beinhalten, stellen wir uns auch für die Mainzer Neustadt vor.«
Von der Hauswand bis zum Bordstein
Simon Wehr argumentiert, es gehe um Flächengerechtigkeit und darum, dass für ein privates Gut, das Auto, öffentliche Flächen nahezu kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Der Lebensraum Straße reiche von Hauswand zu Hauswand – aber nicht für diejenigen, die kein eigenes Auto nutzten. Die müssten mit dem Lebensraum von der Hauswand bis zum Bordstein auskommen. Obwohl alle Bürger:innen Steuern für die Unterhaltung des gesamten Lebensraums Straße bezahlen, denn die Kfz-Steuer ist keine zweckgebundene Steuer, mit der nur der Erhalt und Ausbau von Straßen finanziert wird. Deshalb solle dieser Lebensraum auch allen zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung stehen.
Simon Wehr meint, das Auto werde als ein Baustein von Mobilität fortbestehen, aber die dominierende Rolle stehe ihm nicht mehr zu. Die Umgestaltung des städtischen Raums werde nicht von jetzt auf gleich funktionieren, es gehe ums Ausprobieren und darum, mit allen Stadtbewohner:innen über die Stadt der Zukunft zu diskutieren, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Stellschrauben auf diesem Weg seien vorhanden, sagt Wehr und nennt die Stellplatzabgabe, sowie Parkhäuser und ein Bewohnerparksystem, in dem die Nutzer:innen einen »gerechten« Beitrag für ihren Autoabstellplatz bezahlen. Außerdem gebe es Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Nutzung bei Lastenrädern und Rollern, sowie Carsharing, was das Teilen von öffentlichen Parkflächen beinhalte.
Simon Wehr glaubt nicht, dass eine Mainzer Stadtregierung die Stadt in diesem Sinne komplett umbauen werde, aber die Anzahl der autofreien Flächen wachse allmählich, wie am Maria-Einsmann-Platz, am Dr. Gisela-Thews-Platz und an den großen Außengastronomie-Flächen zu sehen ist: »Es werden immer mehr solcher autofreien Flächen entstehen, aber Mainz wird deshalb noch lange keine autofreie Stadt.«
| SoS
PARKing Day Mainz
am Sa.,18. September 2021,
11–18 Uhr, Gartenfeldplatz