Früher hieß es: »wer einmal lügt, dem glaubt man nicht«. Heute wird man mit Lügen amerikanischer Präsident… und der lügt täglich weiter. Für die ersten 40 Tage nach Trumps Amtsantritt wurde ihm täglich mindestens eine Lüge nachgewiesen, der erste lügenfreie Tag war der 1.3.2017. Danach steigerte er sich noch: Die Marke von 1000 Lügen hat er nach Zählung des US-Magazins Time im August 2017 überschritten.

Noch immer fragen sich viele, wie es dazu kommen konnte, dass ein pathologischer Lügner ins Weiße Haus einzog. Was zunächst wie ein misslungener Start in das wichtigste Amt der Welt aussah entpuppt sich inzwischen als stabiles und sehr beunruhigendes Verhaltensmuster: Mit menschlicher Kälte und beispielloser Skrupellosigkeit, so seine Kritiker, setze der derzeitige Präsident der USA seine persönlichen Ziele durch. Sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungsvorwürfe und verächtlicher Umgang mit Frauen haben im Zusammenhang mit der Weinstein-Affäre in den USA zu Rücktritten von Politikern und Entlassungen führender Größen aus der Filmindustrie geführt. Trump scheint dagegen unangreifbar. Überzeugt von der eigenen Großartigkeit stellt er sich bei Vorwürfen als Opfer dar. Böse Medien, inkompetente Justiz, alle sind schuld wenn er daran gehindert wird, die USA wie eine seiner Firmen zu führen: Einsicht ist nicht zu erwarten. Mit diesem Muster erfüllt Trump die wichtigsten Kriterien, die auf einen bestimmten Persönlichkeitstyp zutreffen: Auf Psychopathen.

Ein weiteres typisches Merkmal, das ihm zumindest seine Wähler bescheinigen, ist joviales und gewinnendes Auftreten. Beruhigend immerhin, dass er in Europa auf breite Ablehnung  trifft. Nett und freundlich aufzutreten fällt Psychopathen nicht schwer und erklärt, warum ihre Opfer auf sie hereinfallen. Einige der schlimmsten Gewaltverbrecher in den USA wurden als »freundliche Killer« bekannt. Ein bekanntes und einem tatsächlichen Fall entsprechendes Beispiel ist Hannibal Lecter aus dem Film »Schweigen der Lämmer«.

Dumme sitzen hinter Gittern, Clevere im Vorstand

Der Tübinger Neurowissenschaftler Niels Birbaumer geht davon aus, dass nur die erfolglosen und weniger intelligenten Psychopathen im Gefängnis landen. Die meisten Menschen mit psychopathischen Eigenschaften begehen keine Straftaten. Sie leben mitten unter uns, sind unauffällig und oft besonders freundlich. Exakte Zahlen sind nicht bekannt, Schätzungen gehen von 1% bis 5% aus. Jede zwanzigste Person also könnte diesem Typ der psychopathischen Persönlichkeit entsprechen. Betroffen sind fast ausschließlich Männer.

Wo findet man Menschen mit diesen Eigenschaften? Forscher haben untersucht, ob es eine Häufung in bestimmten Berufen gibt. Einige der Persönlichkeitszüge scheinen geradezu eine Voraussetzung für bestimmte Jobs  zu sein. Denn der Weg zum Erfolg, zur Führungsposition, ist nicht selten nur mit einem überbordenden Ego, gewinnendem Auftreten und skrupelloser Durchsetzung eigener Interessen möglich. Menschen mit diesen Eigenschaften finden sich tatsächlich auffallend häufig auf Vorstandsposten von Banken und Großunternehmen.  Das verwundert wenig, denn auch unsere Wirtschaft scheint in vielen Bereichen nach diesem Prinzip zu funktionieren: Betone die Bedeutung des Unternehmens als Wohltäter der Menschheit, ziehe aber dein Ding rücksichtlos durch und beginne frühzeitig zu jammern, wenn Du enttarnt wirst. Ein Blick zurück auf die Bankenkrise und den Dieselskandal zeigt deutlich, wie skrupellos und mit welch hoher krimineller Energie einige Führungskräfte entscheiden.

Nach diesem Muster verhalten sich auch Politiker, die für den Flughafenausbau verantwortlich sind. Die Stadt Flörsheim, mit über 20.000 Einwohnern, wurde vom früheren hessischen Ministerpräsidenten Koch kurzerhand zum »Sonderopfer erklärt« – und wird seitdem in geringer Höhe überflogen. Der Fluglärm, dem die Flörsheimer ausgesetzt sind, überschreitet  jeden verantwortbaren Grenzwert. Mit statistischen Tricks wird die Lärmbelastung verharmlost. Tricks, die der Wissenschaftler Walter Krämer im Titel seines interessanten Fachbuchs auf den Punkt bringt »So lügt man mit Statistik«.

In der Rangliste der zehn Berufe mit den meisten Psychopathen tauchen Politiker allerdings nicht auf. Neben führenden Wirtschaftsbossen finden sich bei Anwälten, Journalisten, Chirurgen und auch Priestern häufiger als in der übrigen Bevölkerung psychopathische Persönlichkeitsprofile. Berufe mit starren hierarchischen Strukturen, in denen es um Macht und Einfluss geht, bieten ideale Bedingungen für den Aufstieg von Psychopathen. Für den englischen Forscher Dutton ist das nicht weiter verwunderlich.

So »ticken« Psychopathen
    • Gewandtheit und oberflächlicher Charme
    • Überzeugt von der eigenen Großartigkeit
    • pathologisches Lügen
    • Betrügen und Manipulieren Gewissenlosigkeit
    • Gefühlskälte
    • fehlendes Schuld- und Mitgefühl
    • Verantwortung für das eigene Handeln wird nicht übernommen
    • Bedürfnis nach immer neuem Kick
    • schnell gelangweilt
    • Ausnutzen von Mitmenschen
    • schlechte Verhaltenskontrolle
    • häufig wechselnde sexuelle Beziehungen
    • frühe Verhaltensauffälligkeiten
    • Straftaten bereits im Jugendalter

Fehlendes Gewissen, ein sanftes Ruhekissen

Durch die Kombination von hartnäckiger Verfolgung persönlicher Ziele und Gefühlskälte sind sie eher in der Lage, strategisch vorzugehen, Rückschläge klaglos wegzustecken und dennoch am Ball zu bleiben. Für ihn ist dieser Persönlichkeitstyp – das ist die andere Seite der Medaille – in Unternehmen deshalb in leitenden Positionen zu finden, weil dort »Macher« gebraucht werden, die einen langen Atem haben und ihre Energie nicht an Gefühle oder Empathie verschwenden. Massenentlassungen anzuordnen sind für sie kein Grund für Gewissensbisse. Dutton zitiert Jon Moulton, einen erfolgreichen Spekulanten: »Das Großartige an mangelnder Sensibilität: man schläft gut, wenn andere es nicht mehr können«.

 

PN

Der Artikel stammt aus dem MEDIZIN-MAINZER 07 vom Mai 2018.