Für den Beschluss, das Rathaus zu sanieren braucht es eine »breite Mehrheit«.
So die Auffassung von Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD).

Die Mehrheit »seiner« Ampelfraktion ist ihm offensichtlich nicht breit genug, er würde gerne die CDU einbinden. Spielt die nicht mit, sollte nicht nur der Rat über die Zukunft des Gebäudes entscheiden, sondern der Stadtrat könnte einen Bürgerentscheid über die Sanierung des Rathauses initiieren, um die »breite Mehrheit« zu erreichen.

Was halten Politiker/-innen von SPD, GRÜNE, FDP und CDU von einem Bürgerentscheid? DER MAINZER fragte nach. Pro Bürgerentscheid sprechen sich David Dietz, Kreisvorsitzender FDP und die SPD-Fraktionsvorsitzende Alexandra Gill-Gers aus.

 

Alexandra Gill-Gers

1801_politik_gill-gers

»Die Stadt Mainz besitzt ein marodes aber denkmalgeschütztes Rathaus, bei dem es über Jahrzehnte versäumt worden ist, in die Gebäudesubstanz zu investieren. Es ist offensichtlich, dass die Verwaltung mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in diesem Rathaus bald nicht mehr arbeitsfähig ist. Deshalb ist die Politik aufgerufen endlich eine Lösung zu finden. Ich sehe aktuell unsere Aufgabe darin, eine breite Mehrheit im Rat zu suchen und das Rathaus nicht auf dem Altar parteitaktischer Spielchen zu opfern.

Die Aufforderung unseres Oberbürgermeisters zum Bürgerentscheid betrachte ich als Druckmittel auf den Rat endlich zu handeln, denn er hat die Pflicht, Verwaltungsabläufe zu gewährleisten, was bei dem derzeitigen Zustand des Rathauses nicht mehr lange der Fall sein wird. Das Gebäude der West-Immo ist eine Alternative für die Verwaltung der Stadt Mainz und wäre auch bestimmt eine gute Übergangslösung. Aber sie stellt keine Alternative für eine gute Ratsarbeit sowie als repräsentativer Verwaltungssitz einer Landeshauptstadt dar. Wie soll Demokratie in einer Alternative funktionieren, in der es keine kurzen Wege zwischen der Verwaltung und den politisch handelnden Personen gibt und wie soll ein Pendeln zwischen zwei Ausschusssitzungen zu leisten sein, wenn diese nicht mehr im Valencia-Zimmer oder im Haifa-Zimmer parallel tagen, sondern in den Bürgerhäusern Finthen und Hechtsheim? Deshalb wird eine Lösung nur unter Einbeziehung des jetzigen Rathausstandortes zu finden sein.«

 

David Dietz

1801_politik_dietz

»Schon seit ‚Jockels Zeiten‘ ist das Rathaus ein einziger Zankapfel in der Stadt. Vielleicht liegt der Zustand des ‚Fuchsbaus‘, verursacht durch eine jahrzehntelange Vernachlässigung, auch darin begründet. Das ideale Zeitfenster zur Sanierung stand vor fünf Jahren offen, als die Gremien mehrheitlich grünes Licht gegeben und die Freigabe der entsprechenden Kosten genehmigt hatten. Dieses Fenster ist nun fest verschlossen und die Kosten sind weiter gestiegen.

In dieser Situation kann ein Bürgerentscheid, der natürlich nur eine Grundsatzfrage betreffen kann, zur Befriedung beitragen. Kritiker eines solchen Entscheids argumentieren mit der Komplexität des Themas, die einer solchen Regelung nicht gerecht werde und der kulturellen Bedeutung des Rathauses. Beide Punkte sind zutreffend, erfassen dabei aber nicht das gesamte Bild. Auch wenn die Grundsatzentscheidung gefällt ist, werden Politik und Verwaltung mit einem Rattenschwanz von Folgekonsequenzen zu tun haben, die Entscheidungen der gewählten und hauptamtlichen Akteure erfordern und die dann Verantwortung übernehmen werden, wie sie es immer getan haben. Die möglichen Bürgerentscheide, vor denen wir stehen, werden einen spannenden Lerneffekt mit sich bringen und können die Mainzer Kommunalpolitik beleben. Also, lernen wir und diskutieren über die Zukunft des Rathauses mit der gebotenen Ernsthaftigkeit!

Contra Bürgerentscheid sprechen sich die stellvertretende Ortsvorsteherin der Altstadt, Renate Ammann (GRÜNE) und Hannsgeorg Schönig, Fraktionsvorsitzender der CDU aus.

 

Renate Ammann

1801_politik_ammann

»Da die Instandhaltung und Sanierung eines existierenden Rathauses eine Aufgabe der laufenden Verwaltung und der gewählten VertreterInnen der Bürgerschaft ist, gibt es keine sinnvolle Fragestellung für einen Bürgerentscheid. Der von der Stadtspitze im Alleingang vorgeschlagene Bürgerentscheid ist aus meiner Sicht Feigheit vor einer klaren Entscheidung der dafür gewählten VertreterInnen. Zu kritisieren ist zwar, dass die Verwaltungsspitze und die jeweiligen Baudezernenten jahrzehntelang keine substantielle Instand­haltung/Sanierung betrieben haben (was wir Grünen z.B. auch bei Schulgebäuden immer angemahnt haben!), was nun die Sanierung leider stark verteuert. Dies ist aber kein Grund, jetzt einen mit Sicherheit noch teureren Abriss zu fordern. Nicht jeder/jedem muss die Architektur des Rathauses gefallen, sie ist trotzdem herausragend und das Gebäude steht deswegen auch zu Recht unter Denkmalschutz.

Unter demokratischen Aspekten können die MainzerInnen außerdem stolz sein, nach Jahrhunderten ohne ein eigenes Rathaus als Repräsentanz des Bürgerwillens endlich eines im Herzen der Stadt zu haben. Als Grüne bin ich grundsätzlich gegen den Verkauf öffentlicher Gebäude und Flächen, es wurde bereits viel zu viel städtisches ‘Tafelsilber’ verkauft!«

 

Hannsgeorg Schönig

1801_politik_schönig

»Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) will seit Beginn der Debatte vor fünf Jahren nichts anderes als die Sanierung des Rathauses. Im Prinzip hat die Ampelkoalition bereits im Dezember 2015 einen Grundsatzbeschluss gefasst. Bis heute hat der OB es aber nicht geschafft, alle Fragen zu beantworten und eine realistische Kostenschätzung vorzulegen. Es ist ein Witz, dass Herr Ebling jetzt plötzlich vorschlägt, in dieser Frage die Bevölkerung entscheiden zu lassen, ob das Rathaus saniert werden soll oder nicht. Der Grund für den Sinneswandel ist einfach: es wird immer klarer, dass die Kosten für eine Sanierung aus dem Ruder laufen. Der OB will mit einem Bürgerentscheid die Verantwortung auf die Bevölkerung abschieben. Wenn sich diese nämlich für eine Sanierung ausspricht und die Kosten, die schon heute weit über die jetzt genannten 60 Millionen Euro hinausgehen, immer weiter ausufern, dann kann sich Herr Ebling hinstellen und auf den Bürgerentscheid verweisen.

Es ist ein Zeichen von Schwäche, wenn ein Oberbürgermeister seiner vom Wähler übertragenen Verantwortung in schwierigen Fragen nicht nachkommt und diese stattdessen auf andere abwälzen möchte. Hinzu kommt, dass Herr Ebling bisher überhaupt keine klare Alternative auf den Tisch gelegt hat bzw. eine solche ernsthaft geprüft hat. Das ist aber erforderlich, damit die Bürgerinnen und Bürger eine wirkliche Entscheidung treffen können.«

| SoS