Oh, du fröhliche…
Es war kurz vor Weihnachten, es klingelt, vor der Tür stand ein Nachbar und überreichte mir eine Flasche Wein in einem schönen Geschenkkarton. Es war mir schon ein wenig unangenehm, so richtig kenne ich ihn gar nicht. Er ist viel auf Reisen, angeblich ein »hohes Tier« in einem Düsseldorfer Unternehmen. Nach vielem hin und her (»das ist doch nicht nötig und ich habe ja nichts für Sie«…) habe ich den Karton entgegengenommen.
Dann habe ich doch nicht bis Heilig Abend gewartet und sofort den Karton geöffnet, heraus kam nicht nur die vermutete Flasche Wein sondern zwischen der Holzwolle schaute auch noch ein Zettel hervor. Ein Weihnachtsgruß? Nein, ein rechtlicher Hinweis: »Compliance-Hinweis: Wir möchten Sie und uns mit dem beiliegenden Präsent in keine unangenehme Position bringen. Wir gehen davon aus, dass Sie das Geschenk (im Wert von 9,90 € zzgl. USt.) annehmen dürfen und haben auch bereits die Versteuerung pauschal für Sie übernommen. Sollten Ihre Compliance-Regeln die Annahme untersagen, freuen wir uns, wenn sie das Geschenk einem wohltätigen Zwecke zuführen können. Ansonsten senden Sie es uns bitte mit einem entsprechenden Hinweis zurück. Herzlichen Dank.«
Nachdem ich mit der Hilfe von Herrn Google herausbekommen habe, was Compliance bedeutet, war ich doch ein wenig gekränkt. Ich war jetzt also der »wohltätige Zweck«? Nachdem sich der erste Ärger verzogen hatte, auch dank der guten Flasche Riesling meines Nachbarn, habe ich mir überlegt, ob man das nicht zum Geschäftsmodell ausbauen kann. Ich gründe ein start-up-Unternehmen, nenne mich Chief-Compliance-Terminator und biete den Leid geplagten Unternehmern und Politikern an, ihre Geschenke entgegenzunehmen.
Das hat mich Tage lang beschäftigt, ich habe eine Corporate Identity entwickelt, ein Corporate Design entworfen. Ganz nach dem Grundsatz, Form folgt Funktion, wurde es ein Weinglas. Bis zu dem Moment, als mein Schwager am 2. Weihnachtstag zu Besuch kam. Der wohnt in Oppenheim und erzählte mir die Geschichte seines Bürgermeisters, Marcus Held. Die wird sogar auf einer besonderen Homepage erzählt: www.der-oppenheim-skandal.de.
Was soll ich machen, wenn Menschen wie er, meine Dienstleistung entgegennehmen? Was ist, wenn er mir mit so einem Zettel ein Grundstück überträgt? Und warum hat mein Nachbar schon Schwierigkeiten mit einer Flasche Wein im Wert von 9,90 € netto und dieser Bürgermeister….
| Mogunzius