Das »Raphiniert« in Gau-Algesheim bietet ausgezeichnete, schnörkellose Speisenqualität,
überraschend hochwertige Weine und rustikales Ambiente in einem alten Gutshof

Heute sind wir wieder zu dritt, X und ich befinden sich in charmanter weiblicher Begleitung. Das bringt Abwechslung ins Gespräch und neue Gesichtspunkte bei der Beurteilung der Speisen. Ausgewählt als Ort unserer Zusammenkunft haben wir diesmal das »Raphiniert« in Gau-Algesheim. Wenn man im Innenhof des Anwesens einen der wenigen Parkplätze ergattern möchte, sollte man bei der Anfahrt durch die enge Langgasse (Einbahnstraße) sehr langsam unterwegs sein, um die Einfahrt auf der linken Straßenseite nicht zu verpassen. Ist dies gelungen, steht der Gast sozusagen direkt vor dem Eingang zum Restaurant. Dieses entfaltet im Gastraum sofort seinen rustikalen Charme mit einem schweren alten Holz-Deckenbalken, mit ländlichen Steinplatten auf dem Boden, hellen Holztischen und -stühlen. Ein grauer Metallpfeiler im Art-Deco-Stil sorgt zusammen mit einer Diner-ähnlichen schwarzen Sitzbank für einen attraktiven Stilmix.
Uns fällt direkt auf, dass außer den drei Schoppenweinen alle Tropfen auf der Karte nicht mit dem Erzeugernamen versehen sind. Auf Nachfrage stellt sich heraus: Sämtliche hier ausgeschenkten Kreszenzen stammen vom Weingut des Kronenhofs – so heißt der hiesige Gebäudekomplex. Im Verlauf des Abends wird sich herausstellen, dass dieser Betrieb exzellente Qualitäten zu bieten hat.

Pasta mit ordentlich Garnelen

Aber nun zum Essen. Mister X startet mit frischer Pasta, die außer Nudeln geschwenktes Gemüse, gebratene Garnelen sowie Zitronen-Chili-Pesto und Parmesan enthält (14,50 Euro in der Version als Hauptgericht, zum reduzierten Preis auch als kleinere Vorspeise erhältlich). »Diese leichte Speise ist ungewöhnlich gut gewürzt, und die Meeresfrüchte sind in stattlicher Anzahl vorhanden«, konstatiert der Kenner. Unsere Begleiterin genießt derweil den kleinen saisonalen Blattsalat, der mit gebratenen Champignons und gerösteten Kürbiskernen veredelt ist (6 Euro). »Richtig gut, knackig und frisch, vor allem auch der Radicchio«, resümiert unsere Tischnachbarin.
Ich nehme die zweistufige Tagesempfehlung, die auf einer Kreidetafel im Eingangsbereich angekündigt wird. Der erste Teil besteht aus Pfälzer Kartoffelsuppe mit Shrimps zu 4,50 Euro. Ein solche Kartoffelsuppe habe ich meiner Erinnerung nach zuvor noch nie gegessen. Sie enthält knackfrisches Gemüse, zahlreiche frische Kräuter, winzige Krabben und präsentiert sich grandios cremig.

Bei der Ente stimmt fast alles

X widmet sich im Folgenden der krossen Entenbrust mit Pilzen, Rahm, Semmelknödel und Cumberland-Sauce (17 Euro). »Hier stimmt fast alles. Das Geflügelfleisch hat perfekte Konsistenz, der Rahm ist angenehm leicht, und die Champignons und Austernpilze schmecken fein. Lediglich der Knödel erscheint mit ein bisschen zu fest«, urteilt er mit wohlwollendem Gesichtsausdruck.

Veganes Räucher-Tofu mit Rheinhessen-Wok

Die Dame an unserem Tisch greift zum veganen Räucher-Tofu mit Cashew-Kernen (10,80 Euro), das mit einem so genannten Rheinhessen-Wok und Petersilie-Dip kombiniert ist. Der »Wok« besteht hauptsächlich aus Reis, der Dip hat eine Quark- oder Joghurt-Basis.
Unsere Begleiterin ist geschmacklich nicht überwältigt von dieser Speise (ist auch schwierig bei Tofu), lobt aber, dass das »Raphiniert« immerhin ein veganes Gericht anbietet.
Auf meinem Teller kommt nun der zweite Teil der Tagesempfehlung zum Zuge, nämlich das »zarte Hirschragout an Apfelrotkohl und Kartoffelknödel« zu 15,80 Euro. Das Fleisch ist unglaublich zart, lässt sich locker mit der Gabel zerteilen. Rotkraut, Kloß und Rotweinbirne ergänzen den Geschmack des Wilds vortrefflich. Nachdem alle Münder abgeputzt sind, treffen sich unsere Blicke. Sie sprechen eine eindeutige Sprache: Eine derart hohe Qualität bei so hohem Genusswert hatten wir hier nicht erwartet. | Lou Kull

Fazit:

Das »Raphiniert« ist allemal den Weg von Mainz oder anderswo in Rheinhessen wert. Auf unprätentiöse Weise wird hier handwerklich ausgezeichnete Küche geboten, die die Geschmacksknospen verwöhnt – und das bei einem unschlagbaren Preis-Genuss-Verhältnis. Das einzige, was uns verbesserungswürdig erscheint, ist die Präsentation mancher Speisen, die aufgrund der relativ klei­nen Teller bisweilen zu massig wirken.
Der Service ist ausgesprochen freundlich, unaufgeregt und kompetent. Der alte Gutshof, in dem sich das Restaurant befindet, strahlt rustikale Gediegenheit aus und wirkt anheimelnd. Fast durchweg begeistert sind wir von den ökologisch erzeugten Weinen des Kronenhofs. Probiert haben wir von den Weißweinen ausschließlich trockene 2015er, und zwar den Basis-Riesling zu 3 Euro für das 0,2-Liter-Glas, der ein einfacher, guter Essensbegleiter ist. Der superbe Steinert-Riesling alte Reben (5,80 Euro) überzeugt mit Geschmeidigkeit, Schmelz und mineralischer Nase. Sein gleichstarkes Pendant mit feiner Säurestruktur und lebendiger Frische ist die Riesling Spät­lese (4,50 Euro). Herausragend zeigt sich der 2014er trockene Johannisberg Frühburgunder (5,20 Euro). Allein der auf der Weinkarte als »Hammer-Wein« angepriesene 2014er Rothenberg Spätburgunder Alte Rebe (7,50 Euro) enttäuscht etwas, da er uns nicht wirklich sortentypisch erscheint.

ESSEN8,0
TRINKEN8,0
SERVICE8,0
AMBIENTE7,5
PREIS/LEISTUNG9,0
GESAMT30,5 : 5 = 8,1 KAPPEN
Raphiniert
Langgasse 8
55435 Gau-Algesheim
Tel. 0 67 25 / 30 29 911
raphiniert@kronenhof.de
www.raphiniert-kronenhof.com
Öffnungszeiten:
Di bis Sa 17 bis 23 Uhr
So und feiertags 11 bis 23 Uhr
Mo Ruhetag