Das »Proviantamt« in der Schillerstraße bietet hervorragende Speisenqualität,
ein unglaubliches Weintableau und drinnen wie draußen ein attraktives Ambiente.
Mister X ist gespannt wie ein Flitzebogen, und ich bin es nicht minder. Wie wird sich das »Proviantamt« unter neuer Führung wohl entwickelt haben? Wir stellen das an einem der wenigen sonnigen 2016er Abende fest und ziehen – dies vorweggenommen – ein höchst positives Fazit.
Da das Wetter dazu einlädt, nehmen wir im Freiluftbereich Platz, der biergartenähnlich möbliert ist. Pflanzenmodule mit Weinreben, Efeu, Lavendel und anderem wirken optisch schön und lockern den Restaurant-Vorplatz angenehm auf. Drinnen ist umfangreich renoviert worden, der große Raum links des Eingangs befriedigt das Bedürfnis nach moderner Umgebung, während rechter Hand eher traditionelles Gewölbe-Feeling herrscht. Verbunden ist dieser Bereich mit der Rheinhessenvinothek, die auch direkt vom Platz her betreten werden kann. Circa 400 rheinhessische Gewächse von etwa 130 Weingütern sowie eine repräsentative Auswahl von Weinen aus den Great Wine Capitals bilden ein Angebot, wie man es anderswo so kaum finden dürfte.
Sehr respektable Hausweine
Im Restaurationsbetrieb werden vier sehr respektable Hausweine offeriert: Riesling, Weißburgunder, eine Cuvée aus Dornfelder und Spätburgunder – allesamt trocken ausgebaut – sowie eine feinherbe Rosé-Cuvée aus den besagten roten Rebsorten. Durch die Bank werden pro 0,2-Liter-Glas 2,90 Euro berechnet, die 0,75-Liter-Flasche kostet jeweils 9,10 Euro. Ein ausgesprochen günstiges Preis-Genuss-Verhältnis. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich jeden in der Vinothek vorrätigen Wein kommen zu lassen – und zwar flaschenweise zum Außer-Haus-Preis plus 10 Euro Korkgeld.
Mister X nimmt zunächst einen kleinen Beilagensalat zu 2,90 Euro, der diverse Blattsalate, Gurke, Karotte, Kraut und Paprika in unterschiedlichen Farben aufweist. »Ich kann nur sagen: Für diese Qualität ist dieses Salat-Arrangement ausgesprochen preisgünstig«, lautet sein Kommentar. Ich erfreue mich derweil an dem Wildkräuterblattsalat mit gratiniertem Ziegenkäse und Blütenhonig (12,50 Euro). Dazu wird ein unaufdringlichliches wie wohlschmeckendes Dressing in einer kleinen Bügelflasche gereicht, dunkles, kräftiges Brot rundet den guten Gesamteindruck ab.
Eine köstliche Nockerlsupp’
X legt vorspeisenmäßig nach, und zwar mit der Grießnockerlsupp’ (3,80 Euro). Dieses Gericht auf Rindsbouillon-Basis findet seine ungeteilte Zustimmung: »Die Suppe schmeckt kräftig, ist aber keineswegs zu stark gesalzen. Die Nockerl präsentieren sich wunderbar zart, dabei absolut nicht knatschig, das fein geschnittene Gemüse in der Brühe hat einen prima Biss.«
Bezüglich der Hauptspeisen drehe ich den Spieß um und gleiche mit 2:1 in diesem Segment zum 3:3 aus. »Fish und Chips« auf rheinhessische Art ist mal was ganz anderes, nämlich zwei Stücke in einen leichten, zarten Bierteig gehüllter Tagesfisch, dazu gebratene Maisgrieß-Chips – ähnlich einer Polenta in länglich gezogener Quaderform. Außerdem finden sich auf dem Teller eine Sauce tatare und ein kleiner Salat. Dieses Ensemble kostet 10,80 Euro und ist damit wiederum ausgesprochen preisgünstig.
Das »Wirtschafts-Schnitzel« (9,80 Euro), das ich danach nehme, ist ein gut ausgebackenes, zweiteiliges paniertes Schweineschnitzel in Filetqualität mit Zitrone und Pommes frites. Gemeinsam mit der Jägersoße (1,50 Euro) ergibt sich ein wahrlich köstliches, bodenständiges Essen. Die selbstgemachte Soße wird übrigens in einer Saucière mit ganzen frischen Pilzen serviert.
Perfekt gegartes Rumpsteak
Mister X ist währenddessen mit seinem »Mainzer Rumpsteak« beschäftigt. Dabei handelt es sich um gegrilltes Roastbeef mit Bratkartoffeln, Kräuterbutter und Schmorzwiebeln (19,80 Euro). »Der Garpunkt dieses circa drei Zentimeter starken Fleischstücks ist perfekt getroffen, lediglich beim Schneiden empfinde ich eine gewisse Festigkeit. Die Bratkartoffeln munden ausgezeichnet.« Soweit X’ Kommentar. Der Himmel verdunkelt sich. Es ist der perfekte Zeitpunkt, um zu bezahlen. Mister X und ich wechseln einen Blick, der Wiederkommen verheißt.
Fazit:
Das »Proviantamt« hat unter neuer Leitung und nach gründlicher Renovierung enorm gewonnen. Die Qualität der angebotenen Speisen ist sowohl bezüglich des Materials als auch der Zubereitung und der optischen Präsentation weit überdurchschnittlich. Den Service durch einen Auszubildenden empfanden wir als sehr freundlich und bemüht, wenn auch noch nicht durchweg professionell. Mit Fug und Recht darf man das Weinangebot als sensationell bezeichnen, wenn man als Gast die Weine der Rheinhessenvinothek mit einbezieht. Die Weitläufigkeit der Liegenschaft bietet jedem das geeignete Plätzchen, um sich wohlzufühlen. Summa summarum ist das »Proviantamt« ein enormer Gewinn für die Mainzer Gastronomieszene. | Lou Kull
ESSEN | 8,0 |
TRINKEN | 9,5 |
SERVICE | 7,5 |
AMBIENTE | 8,5 |
PREIS/LEISTUNG | 8,5 |
GESAMT | 42,0 : 5 = 8,4 KAPPEN |