Die Betreiber legen Wert auf Weingüter aus der – noch – zweiten Reihe. Bei Verwendung hochwertiger regionaler Speisezutaten darf die Ausführung bisweilen verfeinert werden.

 

In der Mainzer Altstadt bewegt sich kulinarisch einiges. Erst kürzlich besuchten wir das Weinhaus Bluhm von Pierre Stadelmann in der Badergasse – und waren begeistert –, heute ist das Weinhaus Zum Beichtstuhl unser Ziel. Beide Etablissements sind Ur-Mainzer Kultstätten, die in diesem Jahr eine dezente, aber deutliche Wandlung erfahren haben.

Wie im »Bluhm« wurde auch im »Beichtstuhl« darauf geachtet, das altherbrachte Œuvre zu erhalten, was sich in letzgenanntem unter anderem in hoher, dunkler Holztäfelung manifestiert. Klein und gemütlich – so präsentiert sich der untere Gastraum auch weiterhin. Vor dem Gebäude stehen einfache Sitzgarnituren. Exakt dort nehmen Mister X und ich Platz. Unser Service-Begleiter durch den Abend ist Peter Sonntag, seines Zeichens Sommelier und Weinakademiker. Frank Bröcker, ehemals im »Goldstein« und im »Löwen« in Gonsenheim aktiv, ist der Inhaber des Lokals, das erst wenige Monate unter seiner Leitung steht.

Scheurebe wieder der bessere Sauvignon blanc

Da der »Beichtstuhl« nicht umsonst den Namenszusatz »Weinhaus« trägt, möchten wir von Sommer wissen, wie sein Konzept aussieht. Im Prinzip ist es einfach und dabei wirkungsvoll. Sommer versucht die Perlen unter den noch nicht so bekannten rheinhessischen Weingütern zu finden und dann seinem Publikum zu präsentieren. Das scheint zu gelingen. Auf der Weinkarte lesen wir Newcomer-Namen wie Schmitz/Nackenheim oder Krämer/Gau-Weinheim, sodann aber auch Raddeck/Nierstein und Braunewell/Essenheim, die bereits über reichlich Renommée verfügen. X und mich überzeugt besonders die 2015er trockene Scheurebe »Edition Beichtstuhl« von Krämer. »Das ist mal wieder der bessere Sauvignon blanc«, wie mein immerwährender Begleiter vortrefflich formuliert.

Mehr als 30 Ausschankweine und eine ähnlich große Zahl an Flaschenweinen von ausgesuchter Qualität hält der »Beichtstuhl« für seine Gäste vor. Das macht es uns einfach, in puncto Wein eine hohe Note zu ziehen. Apropos: Von Peter Sommer erfahren wir, dass gerade auch junge Gäste zunehmend fündig werden im hiesigen Wein-Tableau, das neben rheinhessischen einige Pfälzer und ausländische Kreszenzen aufweist.

Kräftige, intensive Brühe vom Tafelspitz

Aber zum Essen sind wir ja auch hier. X wählt zunächst die Tafelspitzbrühe mit Kräuterflädle für 5,40 Euro. »Die Brühe schmeckt kräftig und intensiv, Flädle, Frühlingszwiebeln und Petersilie passen gut dazu«, merkt der Meister an. Mein Carpaccio von der roten Bete mit karamellisiertem Ziegenkäse und Walnusskrokant (7,90 Euro) ist geschmacklich fein, wiewohl der Käse deutlich verliert, weil er kalt ist. Auf Rücksprache mit dem Service wird er nacherhitzt, was ihm auch nicht wirklich guttut, da die Oberfläche zumindest eines Käserondells nun ein leichtes Brand­aroma aufweist, das das gesamte Käsestück durchdringt.

Kartoffelrösti mit hausge­beiztem Caipirinha-Lachs, Limettenschmand und kleinem Salat (13,50 Euro) steht nun bei Mister X auf dem Hauptspeise-Programm. »Der Lachs ist schön fest, das Rösti saftig«, höre ich von vis-à-vis. »Für meinen Geschmack dürfte der Rösti-Klotz aber deutlich flacher ausfallen, und eine etwas liebevollere Drapierung des Salats könnte ich mir ebenfalls vorstellen«, fügt X an.

Vor mir stehen derweil feine glacierte Bandnudeln mit Kirschtomaten, Rucola und gerupftem Büffelmozzarella (12,50 Euro) auf dem Tisch. Diese Speise empfinde ich als rundum in Ordnung und bin es zufrieden. »Warten wir mal ab, wie sich die Küche entwickelt«, lässt mich mein Begleiter beim Gehen halblaut wissen, »die kleinen handwerklichen Fehler, die uns heute Abend aufgefallen sind, sollten sich ohne größere Mühe abstellen lassen.«

Fazit:

Das Weinhaus Zum Beichtstuhl ist sicherlich ein nicht uninteressanter neuer Mosaikstein in der Mainzer Altstadt-Gastronomie – vorausgesetzt, dass die Küche ihre selbst gestellten Ansprüche konsequenter umsetzt. Das verwendete Material jedenfalls ist einwandfrei, nach Aussage der Betreiber des »Beichtstuhls« verwendet man nach Möglichkeit nur Fleisch von freilaufenden Tieren, und man bevorzuge Produkte aus der Region. Interessant ist es für den Gast, sich die Tagesangebote anzuschauen. Als wir im »Beichtstuhl« sind, gibt es schottische Ochsenbacke mit Aligot (Kartoffelstampf) und karamellisierten Möhren zu 18,90 Euro sowie Blutwurst­risotto mit gebratenem Zander und Birnen zum gleichen Preis. Das klingt nach bodenständiger Küche mit einer gewissen Rafinesse. Die Weinkarte erfreut gerade auch den ambitionierten Weintrinker, und wir finden es gut, dass offensichtlich lediglich solche Tropfen auf das Tableau gelangen, die mit Spürsinn und Bedacht ausgesucht worden sind.    | Lou Kull

ESSEN7,5
TRINKEN8,5
SERVICE7,5
AMBIENTE7,5
PREIS/LEISTUNG7,5
GESAMT38,5 : 5 = 7,7 KAPPEN
Weinhaus Zum Beichtstuhl
Kapuzinerstraße 30
55116 Mainz
Tel. 0 61 31 / 553 81 11
www.zumbeichtstuhl.com
Öffnungszeiten:
Mo bis Sa ab 16 Uhr,
So Ruhetag