In der Genusswerkstatt im Atriumhotel haben im letzten Jahr Freiräume, Können, Kreativität, Fleiß und ein starkes Team die Küchenentwicklung vorangetrieben.
Den Respekt und die Liebe zum Produkt spürt man auf jedem Teller! Mit Hingabe zelebriert Helge Straub-Schilling die Ausarbeitung und Darbietung der neun Genussabfolgen in der Genusswerkstatt des Atriumhotels.
Der kleine, elegante Gastraum empfängt den Gast im intimen Kreis. Die einzelnen Gänge werden vor unseren Augen vom Chef und dem fleißigen Küchenteam zu kleinen Kunstwerken bereitet, serviert und erklärt. Die charmante, kenntnisreiche, junge Sommelière Maike Witfang stellt liebevoll die passenden, feinfühlig ausgesuchten Weine vor. Die Weinkarte des Atriumhotels ist außerordentlich umfangreich und international – da kann Maike aus dem Vollen schöpfen.
Hier sind wir gut aufgehoben und werden sogleich mit einem prickelnden Blanc de Blancs Sekt vom Gut Hermannsberg begrüßt. Dazu feiert die Küche eine »Hommage an die rheinhessische Heimat«: es gibt den Geschmack von Trauben, Zwiebelkuchen, Reh, Wacholder, Spargel, Fenchel und Haselnüssen in unterschiedlichen Texturen als mundgerechte, bezaubernde Miniaturen zu verkosten. Das erweckt bereits unser größtes Entzücken!
Brot, Wein und Königfisch
Weiter geht es mit einem lauwarmen Roggen-Dinkel-Sauerteigbrot von der Bäckerei Vetter, dem noch die feine Nussbutter und der kräftige Spundekäs‘ zur Seite stehen. Dazu schenkt uns Maike bereits den Riesling Halenberg 2020 aus der Großen Lage vom Weingut Emrich-Schönleber ein. Der hat leicht erdige, mineralische Töne, man schmeckt ganz leicht das Holz. Er gesellt sich wunderbar zum nächsten Gang, dem Sashimi-Kingfish – als Scheiben und als Tatar – (dry-aged), der, kombiniert mit grünem Apfel, Kohlrabi und mit Schnittlauch (Öl und Mayonnaise) in einem herrlichen Sud, seinen Schwerpunkt durch ein großes Löffelchen Kaviar vom sibirischen Stör findet.
Kam der hervorragende Kingfish vom Lieferanten aus Köln, so stammen Gemüse und Obst aus dem Ort, von Axel Weil, oder vom Permakulturhof Sehl oder einfach aus dem Garten, das Fleisch oder der Fisch von Fam. Ochsenschläger oder von Fam. Mohnen. Regionalität und Nachhaltigkeit stellen oberste Prinzipien der Genusswerkstattküche dar, Lieferketten sind immer nachvollziehbar. Die Saison bietet »Kraut und Rüben«: Kopfsalat (Vinaigrette), rote und gelbe Bete (ganz und als Mousse), Zuckerrüben und roh marinierte Futterrüben, Ur-Karotte (fermentiert), Schafgarbe (sehr intensiv) werden als ausdrucksstarke heimische Gemüse wunderschön präsentiert mit einem weichen Wachtelei als Krönung.
Sellerie, Saibling und Blumenkohl
Maike hat uns dazu den eigenwilligen Demeter-Sauvignon Blanc 2023 von Moritz Kissinger aus Uelversheim eingeschenkt. Die ungewöhnlich lange Lagerung auf der Hefe hat ihm die überbordende Fruchtigkeit der bekannten Sauvignon Blancs genommen. Er gefällt uns und gesellt sich hervorragend zum Gemüse. Dem Sellerie ist ein Solo-Auftritt gegönnt. In Salzteig gegart, als Crème und als kräftige Essenz (darin fermentierte Kirschpflaumen aus dem Hotelgarten) paart er sich mit Feigenkompott, mit Pfifferlingen, Roggencrumble und einem Gierschblatt zum trockenen Attila Silvaner 2021 vom Weingut Heiligenblut, der mit seinen alten Reben fast dominierend, aber dennoch harmonisch mit dem Sellerie kämpft. Interessant wird es nun beim Stückchen vom confierten Saibling, der himmlisch zart in Weißweinschaum und köstlichem Petersiliensud ruht. Er zerschmilzt auf der Zunge und begleitet im Mund die schmackhaften Texturen des Blumenkohls, der uns dabei frittiert, als Essenz, als Püree, kombiniert mit Traube, geräucherter Mandel und Borretschkresse begegnet. Eine phantastische, beglückende Komposition! Der klassisch holzig ausgebaute Chardonnay Drei Dörfer 2022 vom Weingut Franz Keller ergänzt den Gang sehr harmonisch – optimal.
Butterzarte Pfaffenstückchen
»Ein Narr lässt es liegen« – Sot-l’y-laisse -, das Beste vom Geflügel, die sogenannten Pfaffenstückchen, die hat uns Helge Straub-Schilling als ersten Teil des Riedgockels butterzart zubereitet. Sie sind glasiert mit einer aromatischen Geflügel-Trüffel-Jus, umgeben von intensivem hellgrünen Erbsenpüree zu zartem, süßen Mais, abgeflämmt und als knuspriges Maisgriesklößchen. Dazu knuspern wir Chips aus Hühnerhaut. Ein vorzüglicher Hauptgang – extrem sterneverdächtig –, der begleitet wird vom Bourgogne Rouge La Taupe 2020 aus der Domaine Chavy-Chonet, einem würzigen, dunklen, von Hand gelesenen Burgunder und der zeigt sich zum Essen ganz mild.
Er gefällt auch zum zweiten Teil des Riedgockels. Da haben wir ein Stückchen der hervorragenden, zarten Brust mit krosser Haut in einer sehr konzentrierten Jus mit Lärchenhonig. Die Lärchentriebe dabei schmecken süß-sauer, die Petersilienwurzel gibt es abgeflämmt, als lockigen Chip und als Crème, die eingelegten Vogelbeeren erfreuen mit ungewohntem neuen Aroma. Auf allen Tellern haben uns regelrechte Kunstwerke begeistert, die neben ihrem Anblick allesamt ungeahnte Aromen bereithielten.
Süßes Finale in Rot und Gold
Unsere Sommelière zeigt einen eigenen, überraschenden, guten Stil. Nun hält sie noch die Riesling Spätlese 2024 Rothenberg vom Weingut Gunderloch für uns bereit. Die überzeugt mit zurückhaltender, angenehmer Süße. Denn nun kommen die Desserts. Aus Joghurt- und Himbeermousse strahlt uns da hochglänzend unter Pfirsichgelee auf köstlichem Mürbeteig ein kleines Küchlein entgegen. Tagetes, Himbeeren und vor allem Lavendel leisten ihren blütenparfümierten Beitrag. Himmlisch!
Und schließlich bekommen wir noch einen »Traum in Rot«: dunkle Waldbeeren, tiefrotes, phantastisches Brombeereis, eine dunkelrote Waldbeersauce, glänzende Tropfen vom Johannisbeerholzöl, ein rotes Spitzenbiskuit und rote Veilchenblüten. Inmitten thront ein Vollmilchschokoladenkranz, der mit seiner Süße die säuerliche Beerensauce auffängt. Den Abschluss zum Kaffee bilden Sauerrahmkugeln, weiße Schokolade, Erdbeergel, Madeleines mit Kakaonibs, Aprikosenfruchtgummi mit Thymian und Sanddorn…
| Lou Kull
Fazit
Die Weiterentwicklung der Küche im Verlauf des vergangenen Jahres ist atemberaubend. Genügend Raum zur Entwicklung, Freiheit im Tun, gepaart mit enormem Potential an Können und Kreativität, Fleiß und ein starkes Team – das sind die Garanten für Erfolg. Für uns qualitativ: absolute Sterneküche!
Reservierung ist unbedingt erforderlich.
ESSEN | 10,0 |
TRINKEN | 10,0 |
SERVICE | 10,0 |
AMBIENTE | 9,5 |
PREIS/LEISTUNG | 10,0 |
GESAMT | 49,5: 5 = 9,9 KAPPEN |