Im Pankratz in Hechtsheim entscheidet die Natur jeden Tag aufs Neue, was auf den Tisch kommt. Die Küche verwendet Zutaten aus der Region und hat einen hohen eigenen Anspruch.

Am Anfang steht das Grundprodukt. Für Küchenchefs eine Binsenweisheit. Für Gäste ein Glücksfall, wenn es dem Koch gelingt, mit Kreativität, Handwerkskunst und nicht zuletzt feiner Zunge die Vielfalt der Aromen so freizulegen und zu präsentieren, dass jedes Gericht für sich ein Original mit unverwechselbarem Charakter ist. Diesem hohen Anspruch stellt sich das Pankratz-Team. Der frühere Bauernhof in der Hechtsheimer Ortsmitte entwickelt sich seit Jahren zu einem Hort der Gaumenfreuden. Naturnähe prägt den Hofladen mit seiner Fülle von Produkten aus der Region. Die Natur, so formuliert es das Pankratz über sich selbst, soll auch jeden Tag aufs Neue bestimmen, was auf den Tisch kommt.

Die Gäste des stylish-schicken Restaurants in der Nachbarschaft zum Hofladen können also nie sicher sein, was sie an diesem Abend erwartet. Das ist spannend, mitunter aber auch irritierend, wenn man etwa versuchen möchte, den passenden Lieblingswein zum jeweiligen Gericht zu finden und nicht einfach die pauschale Getränkebegleitung mit und/oder ohne Alkohol zu buchen. Ein Glas Wein bestellen? Im Prinzip ja, aber nur aus den fünf Weinen, die die alkoholische Begleitung vorsieht. Die Auswahl der großen Weinkarte gibt es nur flaschenweise. Sie ist geprägt von ökologisch orientierten Winzern, die naturnah produzieren wollen, indem sie auf Spontangärung warten, auf Filtration und Schwefelzusatz verzichten oder den Wein vor der Filtrierung vegan schönen.

Nachdem Mister X mit Freude vernommen hat, dass ihn 16 Menü-Gänge erwarten, er aber keine Ahnung hat, was, fragt er die Sommelière um Hilfe bei der Weinauswahl. Sie empfiehlt ihm für den kulinarischen Blindflug (»das ist nun mal unser Konzept«) einen naturnahen Mosel-Riesling (0,1 l für 8 €) aus der fünfteiligen Getränkebegleitung. Für Mister X eher eine Enttäuschung. »Ein sortentypischer Riesling ist das jedenfalls nicht«, hadert er später mit der Wahl. Ich entscheide mich für die andere Empfehlung, eine Cuvée aus Dornfelder und Portugieser (ebenfalls 8 € für 0,1 l), mit kräftiger Kirschnote, aber wenig Körper und wenig Gerbsäure. Ob der Wein zum Essen passen wird? Wahrscheinlich teils ja und teils nein.




Aromatischer Einstieg

Die Gänge des Menüs (donnerstags 100 € / freitags und samstags 120 €) kommen nacheinander zügig auf den Tisch. Die Service-Mitarbeitenden, die sich alle mit Vornamen vorstellen und auch den Gast duzen, gehen am Tisch jeweils in Hockstellung und stellen den Gang im Detail vor. Mit einer Sauerteigpizza (belegt mit violetten Kartoffelscheiben und Ricotta) sowie einer stark reduzierten und deshalb ungemein fruchtigen Tomatenkaltschale gelingt ein aromatischer Einstieg. Da auch das Tartelette mit Knoblauchcrème und Gurkenblüte sowie die in Tempurateig frittierte gefüllte Zucchiniblüte mit den Fingern zu essen sind, liegen feuchte Waschlappen zum Abwischen der öligen Finger bereit. Ein in der Schale pochiertes Eigelb mit Mais (zum Glück mit Löffelchen) rundet die Vorspeisenfolge ab. Später gibt es auch Besteck.

Baba Ghanoush

Einer Ceviche von Lachsforellenhäppchen im Stachelbeersud folgen ein eher geschmacksneutrales Auberginen-Mus nach Art eines Baba Ghanoush und süße Schmorzwiebeln auf Spargelstracciatella (allerdings ohne Spargelgeschmack). Dann nach Ansicht der Küche der wichtigste Gang: Brot und Butter. Das Brot aus 19 Jahre altem Sauerteig mit kräftiger Kruste, die gesalzene Butter aus Jersey-Milch. Dazu gibt eine gedruckte Information Aufschluss über Philosophie und Werdegang der Brot- und Butterbereitung. Gut, dass wir das jetzt auch wissen.

Mister X erfreuen eher die nachfolgenden Gänge: halb gegartes Filet von Lachsforelle in einer schaumigen Wein-Buttersauce mit perfektem Spiel von Süße und Säure. Danach eine Aroma-Bombe: Ochsenherztomate, über Holzfeuer leicht angeräuchert und dabei mit »Tomatenlack« (der Tomatenkaltschale vom Beginn) bepinselt, in einer Tomaten-Buttersauce. Großes Kino! Routinierter Hauptgang-Abschluss: Brust und Keule vom Riedgockel in würziger Jus.

Nach gut zwei Stunden das Ende der Aromenreise: Kakigori (geschabtes Wassereis) mit Johannisbeersaft und Apfelessig, Blaubeeren mit Haferstreuseln, mit Feigenblatt-Eis mit Amarena-Kirschen sowie Kouign Amann, ein bretonisches Gebäck aus Croissant-Teig.

| Lou Kull

ESSEN8,0
TRINKEN7,5
SERVICE8,0
AMBIENTE9,5
PREIS/LEISTUNG7,5
GESAMT40,5: 5 = 8,1 KAPPEN

Fazit

Wer zum Dinner ins Pankratz fährt, lässt sich auf ein Abenteuer ein. Nach der Umgestaltung ist das kleine Restaurant mit offener Küche und dem Innenhof eine der schönsten Mainzer Gastronomie-Adressen. Die Küche setzt auf eine nachhaltige und konsequent regionale Produktpalette. Gut so, aber wenn Kreativität mitunter zu Lasten intensiver Aromen und neuer Geschmackserlebnisse geht, wird es schwierig. Freunde des so genannten Naturweins ohne Hilfsmittel und Zusätze sind hier richtig. Eine Karte mit offenen Weinen fehlt aber. Der Service hilft bei der Reise durch den langen Abend. Bei 16 Gängen steht eine Küche, die durchgängig Maßstäbe setzen will, enorm unter Druck. Bei wenigen – aber nicht bei allen – Gängen ist das Ergebnis gelungen. Dieses Risi­ko einzugehen, zumal bei einer Preisgestaltung aus der obersten Etage, ist mutig.

Pankratz
Lindenplatz 6
55129 Mainz-Hechtsheim
Telefon: 06131 957780
www.restaurantpankratz.com
post@restaurantpankratz.de
Öffnungszeiten
Morgens: Mi bis Sa ab 9 Uhr.
Abends: Do bis Sa ab 19 Uhr.
Reservierung dringend empfohlen
Achtung: Sommerpause
bis 6. August 2023