Nicht nur in unserer Stadt, in unserem Land, sondern auch bei unseren europäischen Nachbarn hat die Politik das Fahrrad entdeckt. Fangen wir bei unseren Nachbarn an: Frankreich will bis 2027 rund zwei Milliarden Euro in eine bessere Infrastruktur rund ums Fahrrad investieren. Ziel sei es, das Rad als Alternative zum Auto attraktiver zu machen. Im Bund gibt es einen »nationa­len Radverkehrsplan 3.0«, die CDU/­CSU schwärmt in einem Antrag vom »Fahrradland Deutschland«, unsere Landeregierung will mehr Radverkehr, »in einem guten und klugen Verkehrsmix ist das Fahrrad nicht mehr wegzudenken.« Und Mainz? Hat ein fahrRad Büro, einen Bürgermeister der auf dem Rad unterwegs ist, ein Fahrradparkhaus und eine Umweltdezernentin, die mehr Platz für Radfahrer zulasten des motorisierten Individualverkehrs fordert und damit nahtlos an ihre Vorgängerin Katrin Eder anschließt.

Auf den ersten Blick müsste großer Jubel ausbrechen, denn es gibt in unserem Land mehr Drahtesel (81 Millionen) als PKW (48 Millionen). Es hat also nahezu jeder Einwohner ein Fahrrad.

Im Mainzer Straßenbild dominieren jedoch immer noch die Autos, Bilder wie in Amsterdam oder auch Berlin, wo man im Berufsverkehr glaubt in ein Radrennen geraten zu sein, sieht man nur am 1. Freitag im Monat, wenn die Mainzer Radler zu ihrer monatlichen Aktion aufbrechen.

Zugegeben, es tut sich einiges bei uns in der Stadt, aber nicht an der Hauptachse, am Rhein. Wer schon einmal von Laubenheim nach Mombach geradelt ist, kann ein Lied davon singen. Der Weg ist für Fußgänger, Jogger, Hunde und Radfahrer Stress pur.

Von Laubenheim bis zum Winterhafen kein Radweg, sondern »gemischte Nutzung«. Ab dem Fort Malakoff wird es richtig abenteuerlich. Wenn man die Graffiti-Mauer umfahren hat, dabei weder Fußgänger, Hunde noch Jogger umgefahren hat, beginnt ein Asphaltstreifen, der als Fahrradweg gekennzeichnet ist. Jogger, Fußgänger mit oder ohne Rollator, Kinderwagenschieber etc. müssen über das Kopfsteinpflaster. Wollen sie nicht, machen sie nicht, was durchaus verständlich ist.

Fischtorplatz: wenn die Winzer und ihre Konsumenten da sind, unbedingt absteigen. Adenauer-Ufer: hier kann man sich aussuchen, ob man die Toilettentür vor den Kopf kriegen, Tauben überfahren oder mit eisschleckenden Kindern zusammenstoßen will.

Dann folgt eine schwerwiegende Entscheidung: oben am Hilton vorbei oder unten? Unten versuchen Fremdenführer verzweifelt Kreuzfahrer höheren Alters weiterzubilden und Saugwagen leeren die Schiffstoiletten, oben ist Slalomfahren höchsten Schwierigkeitsgrades gefordert.

Parallel zur Peter-Altmeier-Allee wieder gemischte Nutzung, Radfahren in Schrittgeschwindigkeit bis zum Zollhafen, ab da einmal durchatmen und Kraft sammeln für die Fahrt nach Mombach. Ab Höhe Kaiser-Karl Ring bis zum Erdal-Kreisel: höchste Lebensgefahr!

Die Rheinufergestaltung hätte die Möglichkeit gegeben den Radfahrern ab Th.-Heuss-Brücke bis zum Zollhafen eine eigene Trasse zu schaffen, die Ausrede unserer grünen Umweltdezernentin, warum das nicht geht, ist nicht nachvollziehbar. Eine große Chance wurde versemmelt.

Dafür sollen sich die velo-Fahrer jetzt darüber freuen, dass die Hindenburgstraße eine Fahrradstraße geworden ist. Freuen tun sich nur die, die sich freuen, die Autofahrer zu ärgern.

Einigen wir uns darauf, dass es genug Deppen gibt, sowohl unter den Autofahrern als auch den Radfahrern. Können wir nicht die Verkehrsachsen anschauen, bei denen es keine Konflikte gibt, wo man mit kleinen Kindern ohne Autoverkehr radeln kann? Laut Landesregierung ist der »Fahrradverkehr längst ein bedeutender Faktor für Wirtschaft und Tourismus«. Wo, bitte, wollen denn Touristen Fahrrad fahren, durch die Hindenburgstraße?

Wer es nicht schafft Fußgängern, Joggern und Radfahrern am Rhein eine entspannte und damit konfliktfreie Fortbewegungsmöglichkeit zu schaffen, der sollte mit Superlativen wie »Fahrradstadt Mainz« zurückhaltend umgehen.

»Politik ist wie Fahrrad fahren. Es geht um Balance, sonst fällt man auf die Nase«

| Mogunzius