Erschütternde Bilder von riesigen Plastikseen im Meer, Berichte über gesundheitliche Folgen von Plastik im menschlichen Körper: Das Thema ist omnipräsent. Dennoch kaufen immer weniger Menschen in »Unverpackt-Läden« ein.

»Wenn es so weiter geht überlebt unser ›Unverpackt Mainz‹ nächste Weihnachten nicht.« Klare Ansage. Abdelmajid Hamdaoui ist nicht der erste, der daran denken muss, seinen »Unverpackt-Laden« zu schließen. Immer weniger Kundinnen und Kunden füllen immer weniger Müslimischungen und Nudeln, Waschpulver und Haushaltsreiniger, Eier, Gewürze und Schokolade in mitgebrachte Behältnisse. Besonders dramatisch ist der Umsatzrückgang zwischen Juni 2021 und Juni 2022 um 36,17 Prozent, sagt Hamdaoui, der nur noch seiner festangestellten Ehefrau Imane ein Gehalt bezahlt. Er selbst arbeitet schon lange »ehrenamtlich« im eigenen Geschäft.

Im Juni 2015 hatte die Familie Hamdaoui in der Kurfürstenstraße den ersten »Unverpackt Mainz« eröffnet. Der kam bei der Kundschaft so gut an, dass seit Januar 2019 ein größeres Ladenlokal in der Heidelbergerfaßgasse das deutlich erweiterte unverpackte Bio-Sortiment beheimatet. Im September 2020 eröffnete Hamdaoui den »Unverpackt Wiesbaden« in der Albrechtstraße – dann kamen die Pandemie-bedingten Einschränkungen und der Ukraine-Krieg mit den bekannten finanziellen Auswirkungen. Seit Mitte Juli verbreitet Hamdaoui über Social Media »Hilferufe«. Die Resonanz sei nicht schlecht und er sei sehr dankbar, meint er. Allerdings brauche er für das Fortbestehen des »Unverpackt Mainz« und »Unverpackt Wiesbaden« nicht nur »Unterstützungseinkäufe«, sondern Kundschaft, die regelmäßig einkaufe – und die sich bestimmt über die aktuellen Preisreduzierungen bei einzelnen Warengruppen und die Rabattangebote freut.

»Wir geben noch mal Gas«

In Nieder-Olm eröffneten Rebecca und Florian Koss mit Gabriela Ziegler ihr Geschäft »Unverpackt-Rheinhessen« im März 2021 – mitten in der Corona-Pandemie. »Wir erreichen nicht die Umsatzzahlen, die wir uns erhofften und hatten zwischenzeitlich auch mal überlegt, ob wir es beenden«, sagt Florian Koss. »Wenn wir uns selbst faire Löhne bezahlen würden, ließe sich das wirtschaftlich nicht mehr darstellen.« Damit die Kundschaft in Rheinhessen nicht nach Nieder-Olm fahren muss, hat das Team sogar ein »Unverpackt-Mobil« angeschafft und bietet verpackungsfreie Biowaren auf den Wochenmärkten in der Region an. »Zwei Wochen nach dem Start ging der Ukraine-Krieg los und es folgte – Kaufzurückhaltung«, sagt Koss.

Am Essen sparen?

Die Leute müssten ihr Geld zusammenhalten – andererseits scheine aber Geld für Urlaub und Elektronik da zu sein, beobachtet er. »Deutschland ist ein Land, in dem Lebensmittel nicht die Wertschätzung erfahren, wie in anderen europäischen Ländern – hier wird eher am Essen gespart, als an anderem.« Koss weiß, dass unverpackte Bio-Lebensmittel teurer sind – allerdings spiele bei Preisvergleichen die Qualität der Nahrungsmittel ebenso eine Rolle, wie die Vermeidung von Plastikmüll auch unter gesundheitlichen Gesichtspunkten gesehen werden müsse: »Wir nehmen im Durchschnitt fünf Gramm Mikroplastik täglich auf – das ist vergleichbar mit einer Kreditkarte – wer würde schon bewusst täglich eine Kreditkarte verspeisen?« Bereit aufzugeben, ist das »Unverpackt Rheinhessen«-Team noch nicht und baut darauf, dass mit Sommeraktionen, Sonderangeboten und der bewährten Bonuskarte die Kundschaft wieder zahl­reicher und stetiger Geld für unverpackte Biolebensmittel ausgibt.

| SoS

Der Mainzer Umweltladen (Steingasse 3-9) informiert bis 31. August 2022 in der Ausstellung »Unterwegs im Verpackungsdschungel«
über Verpackungstypen und Abfallvermeidung im Alltag. www.mainz.de/umweltladen
Übrigens: Plastik kann auch fett machen, berichtete mdr-Wissen im Januar 2022 und beruft sich auf eine Studie der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Trondheim, die  zeigt, Plastik enthält mehr Dickmacher als bisher angenommen.

Verpackungsfrei: Einmal ohne, bitte