Angeblich waren schon immer viele Menschen gegen rechts; jetzt trauen sie sich auch endlich in die Öffentlichkeit.

Manchmal dauert es lang, bis ein Fass überläuft. Weil die Flüssigkeit allmählich hinein tröpfelt. Seit Jahren wird die deutsche Politik und Gesellschaft mit rechtspopulistischen, rassistischen und antisemitischen Aussagen und Handlungen konfrontiert: Tropfen für Tropfen. Unsagbares, das »Nie wieder« gedacht und gesagt werden sollte, ist wieder überall zu hören und zu lesen. Kam es von ganz weit rechts, schien das normal. Als es aus der Mitte der Gesellschaft zu tröpfeln begann, wunderten sich anfangs Viele. Dann war auch die Empörung über falsche Behauptungen a la Asylbewerber:innen nehmen anderen Zahnarzttermine weg, rasch verflogen.

Die Menschen, denen immer unheimlicher wurde, wussten weder wie ihnen geschah noch wie sie dagegen angehen sollten. So viele Behauptungen sind einfach so irratio­nal – das müssen die Leute, die sie von sich geben, doch selbst merken!? Begreifen die Wähler:innen der AFD, dass die deutsche Wirtschaft gar nicht funktionieren kann, wenn die migrantischen Arbeitskolleginnen »ausgewiesen« werden? Verstehen sie, dass gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland nicht nach Deutschland kommen wollen, weil die »Willkommenskultur« hier so mies ist? Mal ehrlich: Hätten Sie Lust Ihre Heimat zu verlassen und in einem Land zu arbeiten, in dessen Parlament rassistische Aussagen gegenüber Einwandernden »normal« sind? Unvernünftig, irrational, unlogisch – gleich, wie solche Debatten genannt werden, sie sind populär, bestimmten manchmal das Nachrichtengeschehen. Immer noch schwieg das Volk. Bis die Vertreibung von Millionen Menschen, die nicht urdeutsch sind, ganz klar formuliert war – das Fass lief über. Auf einmal spielten Erklärungsversuche für dieses ekelhafte, diese Gesellschaft und das demokratische System bedrohende Geschwurbel keine Rolle mehr. Hunderttausende in ganz Deutschland gehen auf die Straße.

Schlagartig geriet alles in Bewegung. Parlamente und einzelne Abgeordnete positionieren sich eindeutig, Unternehmen trennen sich von Investoren, die Bundesinnenministerin kündigt an, die finanziellen Verbindungen zu rechtsterroristischen Vereinigungen prüfen zu lassen… Das hätte alles schon viel früher geschehen können! Bitter für diejenigen, die seit vielen Jahren viele Zusammenhänge dokumentiert haben, noch bitterer für all die Opfer von Rechtsterroristen. Und jetzt? Müssen wir üben! Im Alltagsleben unsachlichen, falschen Behauptungen widersprechen, auf Menschen mit Migrationshintergrund zugehen, sich nach Mitstreiter:innen umschauen (dabei hilft, die politischen Kategorien »links/rechts« zu hinterfragen) und weiter auf Straßen und Plätzen zu zeigen: »NieWieder33: Demokratie schützen – Rechtsextreme stoppen«. So lautet auch der Aufruf des DGB für den 3. Februar 2024, 12 Uhr Ernst-Ludwig-Platz, Mainz.

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