Die Stadt Mainz strebt an, bis 2035 klimaneutral zu werden; das kann nur gelingen, wenn die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 um 95 % und der Endenergiebedarf um 50 % reduziert werden.

Wichtige Stellschrauben für diese Reduktionen sind die Energie- und Wärmeversorgung sowie der Verkehrssektor. Mit dem im September 2023 veröffentlichten Wärmemasterplan 2.0 sind in Mainz erste Weichen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung gestellt; der Mainzer ÖPNV soll bis 2035 klimaneutral werden, wobei der Ausbau des Straßenbahnnetzes eine wichtige Rolle spielt.

Die Orientierungshilfe: Der Wärmemasterplan 2.0

Auch in Mainz wird ein Großteil der Wärmeversorgung mit fossilen Brennstoffen gedeckt, der Ausstoß von Klimagasen im Wärmebereich ist beträchtlich. Mehrere zehntausend Haushalte und Gewerbebetreibende in Mainz heizen mit Erdöl, Kohle oder Erdgas. Eine Wärmewende ist zwingend notwendig, um das Ziel, Klimaneutralität bis 2035 erreichen zu können.

Anfang September 2023 hat die Bundesregierung mit dem Gebäudeenergiegesetz GEG  (»Heizungsgesetz«) einen gesetzlichen Rahmen geschaffen, der u.a. alle Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohner:innen verpflichtet bis zum 30. Juni 2026 eine Wärmeleitstrategie zu erarbeiten. Voraussetzung für die jeweilige Wärmeplanung ist die Dokumentation des Ist-Zustands, verbunden mit einer Analyse von Potenzialen – dem Machbaren. Diese Aufgabe hat der Energieversorger Mainzer Stadtwerke AG mit der Vorlage des Wärmemasterplans 2.0 erfüllt; Mitte September 2023 wurde er den Gremien und den Medien, sowie Ende September in einer Online-Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt. Beauftragt vom Mainzer Stadtrat erarbeitete das Unternehmen mit Experten der GEF Ingenieur AG ein Gutachten, in dem die Grundlagen für die klimaneutrale Wärmewende in Mainz skizziert werden.

Dieser »Wärmemasterplan 2.0« dient den kommunalen Planer:innen zur Erarbeitung der Wärmeleitstrategie bis 30. Juni 2026 und den Bürger:innen als Orientierungshilfe: In den begleitenden Karten der Stadtteile sind jene Gebiete ersichtlich, in denen z.B. der Anschluss an das Fernwärmenetz wahrscheinlich ist, oder in denen sich dieser Anschluss nicht rentieren wird, in denen z.B. Nahwärmenetze Sinn machen oder individuelle Lösungen mithilfe von Wärmepumpen ins Auge gefasst werden sollten. Wer also in Erwägung zieht, sein Heizungssystem zu erneuern, kann sich informieren, welche Technik/Versorgungsart  infrage kommt und welche eher nicht. Wobei zu berücksichtigen ist, dass die Gebiete, in denen das Fernwärmenetz ausgebaut wird, nicht von jetzt auf gleich angeschlossen werden können. Der Ausbau braucht Zeit und kostet Geld.

Basis des Wärmemasterplans 2.0 sind der aktuelle und der künftig zu erwartende Wärmeverbrauch, die bereits vorhandenen Leitungsnetze für Fernwärme und Erdgas, die jeweiligen städtebaulichen Gegebenheiten und die Gebäudestrukturen in den einzelnen Stadtbezirken. Die GEF Ingenieur AG konnte zum Teil auf Daten aus dem 2015 erarbeiteten 1. Wärmemasterplan zurückgreifen; viele Daten mussten allerdings aktualisiert werden: das Hauptaugenmerk lag dabei auf dem älteren Gebäudebestand, denn hier ist das CO2- Einsparpotential am größten. Die ermittelten Daten wurden von der GEF gewichtet, um eine Gesamtbewertung der einzelnen Heiztechniken (Luft-Wärmepumpen, Erdwärmepumpen, Fernwärme, Erdgas, Wasserstoffgas-Kessel, Holzpellets) zu erreichen und zu einer Reihenfolge (Ranking) der klimafreundlichsten und aus Sicht der Verbraucher:innen günstigsten Lösung zur Wärmeerzeugung zu kommen.

In diesem Ranking liegt die Fernwärme auf dem ersten Platz. Nächstbessere Varianten sind laut den Gutachtern Luftwärmepumpen, gefolgt von Erdwärmepumpen, Holzpelletskessel und Wasserstoff-geeigneten Gaskessel. Reine Erdgaskessel oder Ölheizungen erfüllen die neuen verbindlichen ökologischen und rechtlichen Kriterien des GEG nicht und stellen deshalb keine mittel- und langfristigen Alternativen mehr in der Wärmeerzeugung dar.

Die Stadtteilkarten im Wärmemasterplan 2.0 weisen farblich gekennzeichnet Fernwärme-Vorranggebiete, Fernwärme-Eignungsgebiete, Gebiete vorrangig für Dezentrale Versorgung und Gebiete für Dezentrale Versorgung aus und bieten damit eine Orientierungshilfe. Grundsätzlich gilt, Fernwärme eignet sich vor allem in Gebieten mit hohem Wärmeverbrauch wie beispielsweise bei einer Blockbebauung; für Ein- und Zweifamilienhäuser ist die Fernwärme kaum geeignet.

Bei der Medienpräsentation griff die Mainzer Umwelt- und Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger die Feststellung von Dr. Stefan Richter, Vorstand der GEF Ingenieur AG auf: Die klimaneutrale Wärmewende in Mainz zu schaffen, werde die größte Infrastrukturmaßnahme nach dem Zweiten Weltkrieg. In Kombination mit der Erneuerung der Energienetze und den Investitionen in den Ausbau der Trinkwasserinfrastruktur müssen die Mainzer Stadtwerke AG zudem viel Geld in die Hand nehmen, um all diese Investitionen leisten zu können. MSW-Vorstand Dr. Tobias Brosze nannte einen »dreistelligen Millionenbetrag« als wahrscheinlich erforderlich und wies gleichzeitig auf Förderinstrumente hin, die vom Land, dem Bund und aus EU-Mitteln für den Ausbau und die Transformation der Wärmenetze bereit gestellt werden.

Klimaneutraler ÖPNV: die Straßenbahn hilft!

»Klimaschutz und Mobilitätswende erfordern einen deutlichen Anstieg der Fahrgastzahlen«, sagt Jochen Erlhof, Geschäftsführer der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) im Gespräch mit dem MAINZER.

»Wir wollen 2030 mit 75 Millionen Fahrgästen 30 % mehr befördern als 2019. Das können wir in Mainz fast ausschließlich über den Ausbau des Straßenbahnnetzes erreichen. Straßenbahnen brauchen auch nur eine Fahrerin/einen Fahrer und transportieren deutlich mehr Fahrgäste als ein Bus, weshalb wir erhebliche Personalkosten sparen können. Der Stadtrat hat im Juni 2020 Vorgaben für den Ausbau des Mainzer Straßenbahnnetzes gemacht: Die Verbindung Münsterplatz – Hauptbahnhof West durch die Binger Straße, die Anbindung Heilig-Kreuz-Viertel (HKV) und der Innenstadt mit der Haltestelle Höfchen: damit steigt die Attraktivität der Straßenbahn insgesamt, das gesamte Netz wird flexibler, es entstehen neue Verbindungen und Umstiegsmöglichkeiten – auch durch die Anbindung der Neustadt und die Anbindung der Unikliniken, dem größten Arbeitgeber in Mainz an die Trasse zum HKV! Insgesamt ist das, was wir jetzt planen und bauen deutlich weitergehend als die Mainzelbahn, es entsteht ein richtiges Netz. Die neuen Straßenbahnfahrzeuge werden größer, barrierefrei sowie klimatisiert sein und fahren als bewährte E-Mobilität vor Ort emissionsfrei, ohne neue Ladeinfrastruktur oder aufwendige Akkus!«

Kosten und Förderungen für den klimaneutralen ÖPNV

Bei den Straßenbahnen müssen aktuell die 6 alten Hochflurfahrzeuge (Baujahr 1984) und einige der 16 GT6-Bahnen (Baujahr 1996) ersetzt werden, bis etwa 2030 alle 22 Fahrzeuge. Für die ersten 10 Fahrzeuge gibt es schon eine Unterstützung der Stadt von 12 Mio. €, die Gesamtkosten werden mit 90 Mio. € veranschlagt. Für den Ausbau werden voraussichtlich weitere 8 neue Bahnen gebraucht.

Seit Ende 2022 sind 23 E-Busse eingesetzt, die Kosten von 23 Mio. € wurden vom Bund mit ca. 9 Mio. € gefördert und die Stadt Mainz steuerte weitere 10 Mio. € bei, blieben für die MVG 3 Mio. €.

»Ab 2035 wollen wir nur noch klimaneutrale Busse einsetzen«, sagt Erlhof. Aktuell sind es 23 E-, und ein Brennstoffzellenbus, 5 weitere werden von der ESWE übernommen, auch für diese Fahrzeuge bekommt die MVG Geld von der Stadt, macht 29 klimaneutrale Busse; ab 2025 sollen planmäßig jedes Jahr 10 weitere Busse angeschafft werde. Da der Bund derzeit den Neukauf von ÖPNV-Fahrzeugen mit alternativen Antrieben fördert, hat die MVG eine För­derskizze für 30 Busse eingereicht – und hofft auf eine positive Zusage. Vom Land RLP sind aktuell leider keine Förderungen für klimaneutrale Fahrzeuge im ÖPNV zu erwarten.

Die Stadt Mainz beteiligt sich auch mit Zuschüssen an der vom Bund geförderten Grundsanierung des Straßenbahnnetzes in Gonsenheim/Finthen mit 4 Mio. €. »Die Gelder, die uns die Stadt für Fahrzeuge und Straßenbahnbaumaßnahmen gibt, sind wirklich nachhaltig angelegte Mittel«, bilanziert Erlhof. Mit den Zuschüssen wird die MVG durch eine Reduzierung der Abschreibungen über 10 bis 20 Jahre entlastet.

Gemeinsam mit den Kosten des Straßenbahnausbaus, der heute aber höher gefördert wird als noch bei der Mainzelbahn, dürften die Kosten für den Ausbau und einen klimaneutralen ÖPNV in Mainz insgesamt bei 400-500 Mio. € liegen; große Teile könnten durch Zuschüsse, in erster Linie des Bundes aber auch des Landes, abgedeckt werden; es bliebe ein Eigenanteil von etwa 200 Mio. € für die MVG und den Stadtwerkekonzern.

| SoS

www.mainzer-stadtwerke.de/nachhaltigkeit/klimaschutz
www.m-wie-zukunft.de/meine-strassenbahnstadt