Sprache verändert sich; manche verwirrt das, andere wollen, dass alles so bleibt, wie sie es gelernt haben.

»Aber sehr gerne, die Dame!« Als älteres Semester empfinde ich die Ansprache ungewöhnlich. »Damen« waren (und sind) für mich Frauen, die Wert auf Konventionen legen, eher unpraktisch gekleidet und frisiert sind – das ist KEINE Wertung oder gar Ablehnung. Aber ich fühle (!) mich nicht als Dame. Muss nun allerdings hinnehmen, dass ich immer häufiger als solche angesprochen werde. In Restaurants zum Beispiel. Manchmal kann ich mir dann den Blick auf meine »sportlichen« Schuhe nicht verkneifen oder eine Hand geht automatisch ins Fahrtwind-verstrubbelte Haar. Garantiert huscht in solchen Momenten ein ironisches Grinsen über mein Gesicht. Wer für Änderungen in der Ansprache der Kundschaft verantwortlich ist, weiß ich nicht. An »Die Dame« werde ich mich ebenso gewöhnen wie an das schon sehr lange verbreitete »Sehr gerne«. Es gehört eben zum Vokabular in Dienstleistungsberufen und muss auf Sinnhaftigkeit nicht hinterfragt werden.

Anders bei Wortschöpfungen wie »Entschwendung«. Der Begriff stand in einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung Mainz-Bingen; eingeladen wurde zu einem Workshop über Einbau und Funktionsweise von Hygienespeichern – die zur ENTschwendung beitragen sollen. Es geht dabei um Energieeffizienz, um das Gegenteil von VERschwendung, was mit der Vorsilbe ENT ausgedrückt werden soll. Weder Wörterbücher noch Suchmaschinen geben Auskunft zur Entschwendung. Wobei sich der Sinn aus dem Textzusammenhang ergibt – ob die Kreation eines solchen Begriffs sinnvoll ist, mögen die Urheber:innen entscheiden.

Gender-Zeichen

Die deutsche Sprache lässt einiges mit sich machen, manches erschließt sich erst beim Nachdenken und oft braucht es die Kenntnis von Slang- oder Fachsprachen, um den Sinn verstehen zu können. Meist wird derlei achselzuckend hingenommen. Werden aber Binnen I, Doppelpunkt und Sternchen verwendet, scheint damit die deutsche Sprache gleich unterzugehen. Die Heftigkeit mit der das generische Maskulin verteidigt wird, erscheint oft grotesk – wobei es eine Tatsache gibt, die auch den Befürworterinnen (inklusive der männlichen) Bauchschmerzen bereitet: Menschen mit Leseschwächen haben Probleme mit den Gender-Zeichen inmitten eines Wortes. Alle anderen könnten problemlos verstehen, was ausgedrückt wird – wenn sie denn wollten. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und gewöhnt sich an »Die Dame« und an »Entschwendung« – warum nicht an die Radelnden und die Fußgänger:innen?

Wir leben in Zeiten, in denen so vieles so unaussprechlich geworden ist und jeder Mensch für sich selbst täglich nach Worten suchen muss, um klarzukommen. Auch in diesen Zeiten sollen Advent und Weihnachten Hoffnung spenden. Das wünscht Ihnen das MAINZER-Team.

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