Die Küchenanstrengungen im »RheinTisch« neben dem Parlament sind bemerkenswert. Frühstück, Mittagstisch sowie Kaffee und Kuchen werden angeboten.

»Schau mal, da drüben. Vier Männer im dynamischen Abgeordnetenlook mit Jogi-Löw-Gedächtnisschal. Die verhandeln bei einer Flasche Sprudel bestimmt gerade die Corona-Lockerungen«. Mister X schaut kurz auf und brummt nur: »Ist ja auch nicht verwunderlich. Ein paar Schritte von hier ist der Plenarsaal«.

Mittagszeit: der Gastraum im »RheinTisch« ist gut gefüllt. Neben den Bediensteten aus Landtagsverwaltung und nahe liegenden Ministerien, die an Sitzungstagen die Gelegenheit zum Arbeitsessen nutzen, fallen Menschen im Rentenalter auf, die regelmäßig zum Mittagstisch kommen.

Die fünf Gerichte, die hier im täglichen Wechsel angeboten werden, bewegen sich preislich in der Welt einer gut geführten Behörden- oder Werkskantine.

Im modernen Zweckbau, der wie ein Bauhaus-Quader am historischen Deutschhaus-Ensemble angeklebt wirkt, reichen die Fensterflächen vom Fliesenboden bis zur Decke in fünf, sechs Metern Höhe und fluten den riesigen Gastraum mit Licht. Dem Gast eröffnet sich der ungehinderte Blick auf das benachbarte Schloss und die Peterskirche. Wohl extra für Parlamentarier ist der Blick auf das Abgeordnetenhaus, das zur Arbeit ruft.

Wie in modernen Hotelsälen sind die Räume teilbar, mit Konferenz- und Kommunikationstechnik ausgestattet. Weiße Flächen, helles Holz und schwarzes (Kunst-)Leder als Wandpolster und auf den Stühlen verleihen dem Raum kühle Eleganz.




Ambiente zum Wohlfühlen

Die Tische sind zweckmäßig mit Platz-Sets, Pfeffer- und Salzmühlen und frischen Blumen eingedeckt. Das alles ist durchaus zum Wohlfühlen. Allein, solche Riesenräume mit glatten Flächen sind Akustikhöllen. Wenn es voll wird, ist man bei lautstarkem Geplapper und Geklapper dann doch an Kantine oder Bahnhofshalle erinnert.

Im »RheinTisch« ist Tempo angesagt, was bei der Öffnungszeit für den täglichen Mittagstisch von 11.30 Uhr bis 14.00 Uhr nicht verwundert. Kaum sitzen wir am Tisch mit schönem Rundumblick, fragt der flotte Service schon nach unseren Wünschen. Da wir uns auf der Website über den Wochen-Menüplan schlau gemacht haben, bringt uns das nicht in Verlegenheit. Putenschnitzel mit Paprikagemüse und Pommes (6,50 Euro), Schweine-Medaillons in Pfefferrahm mit Mandel-Broccoli und Kartoffelgratin (8,50 Euro) und Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster sollen es sein. Einzig bei der Tagessuppe müssen wir auf die täglich neue Karte schauen. Rosenkohlcrèmesuppe mit Croutons (1,50 Euro) gibt es heute.

Gefühlt eine Minute später stehen die hausgemachte Zitronenlimonade im Schraubglas mit Trinkhalm (Glas 0,4 l für 3 Euro) und die dampfende Suppe auf dem Tisch. Also doch Kantine? Weit gefehlt.

Hauptgewinn: zwei saftige Schweinemedaillons

Samtig weich und mit intensivem, leicht süßen Rosenkohlaroma erfüllt die Rosenkohlcrèmesuppe alle Ansprüche, selbst an eine ambitionierte bürgerliche Küche. Dass die Croutons aus der Convenience-Tüte kommen, stört da nicht den sehr guten ersten Eindruck. Und das für 1,50 Euro! Gut gelaunt nehmen wir es mit den Hauptgängen auf. Dem pampigen Gesichtsausdruck von Mister X beim hübsch präsentierten, aber ebenso pampigen Kaiserschmarrn folgt eine Aufhellung beim panierten Putenschnitzel. Das angekündigte Paprikagemüse entpuppt sich als veritables und schmackhaftes Ratatouille, die beiden Schnitzelchen sind unter der Wärmelampe ein wenig trocken, dafür die Pommes ein wenig weich geworden. Geschmacklich aber ein anständiges, schnelles Mittagessen.

Den Hauptgewinn habe diesmal ich gezogen. Zwei saftige Schweinemedaillons, rosa gebraten, werden begleitet von giftgrünem (sauber blanchiert und in Eiswasser abgeschreckt) bissfesten Broccoli mit Mandelblättchen, dazu gibt es ein wunderbar muskatiges und rahmiges Kartoffelgratin mit einer würzigen Pfeffersoße. Kompliment. Dass die Mascarpone-Pumpernickel-Tarte als Dessertversuch dagegen deutlich abfällt – Schwamm drüber.

Beim Bezahlen erfahren wir noch: Ab sofort gibt es täg­lich von 9 bis 11.30 Uhr Frühstück im RheinTisch. Die sonnenverwöhnte Terrasse am Eingang sieht dazu schon verlockend aus.

| Lou Kull

ESSEN7,5
TRINKEN7,5
SERVICE7,5
AMBIENTE7,5
PREIS/LEISTUNG9,0
GESAMT39,0 : 5 = 7,8 KAPPEN

Fazit

»Genuss im Landtag«, so titelt der wöchentliche Menüplan des »RheinTischs«. Ein Versprechen, das vom Landesparlament eher selten eingelöst wird, im angegliederten Restaurant aber werktäglich. Was die Küche unter hohem Zeitdruck für eilige Abgeordnete im Pausenmodus und Stammgäste im Pensionsmodus abliefert, ist bemerkenswert. Der Service ist entsprechend flink. Die Getränkekarte ist reich bestückt, alle Weine und Sekte kommen vom Weingut Merl in Großwinternheim, das für seine rheinhessische Qualitätsarbeit anerkannt ist. Das Preis-Leistungsverhältnis ist nicht zu toppen. Und das im Landtag!

RheinTisch
Restaurant im Landtag
Platz der Mainzer Republik 1
55116 Mainz
Telefon 06131 2 08 26 30
genuss@rheintisch.de
www.rheintisch.de

Öffnungszeiten
Frühstück 9.00-11.30 Uhr
Mittagstisch 11.30-14.00 Uhr
Nachmittag (Kaffezeit) 14.00-16.00 Uhr