Am 28.Mai 2021 war der Tag der Nachbarn, es soll an so einem Tag ein Zeichen für eine gute und lebendige Nachbarschaft gesetzt werden, sagen die Initiatoren. Ich kann mich nicht beklagen, zumindest nicht bis vor kurzem. Wir haben im selben Jahr unsere Häuser gebaut und auch die beiden Kinder, die jeder von uns hat, sind zusammen aufgewachsen, in den Kindergarten und die Schule gegangen.

Wir waren schon fast so weit, den Zaun zwischen unseren Grundstücken niederzulegen. Zu dieser revolutionären Tat, ganz gegen deutsche Tugenden gerichtet, kam es dann doch nicht. Warum weiß ich nicht mehr so genau, ich glaube, Anlass war der Zungenkuss-Versuch des Nachbarjungen an meiner Tochter.

Die Kinder wurden älter und am 18. Geburtstag bekam der Nachbarssohn ein Auto geschenkt, damit er zum Studieren in die Uni fahren kann. Also wurde im Vorgarten ein Baum gefällt und ein weiterer Parkplatz angelegt. Da konnte ich natürlich nicht zurückstehen und habe gleich zwei Parkplätze angelegt, meine Kinder wollen ja auch mal ein Auto haben – was sie aber nicht wollten.
Dann, eines Morgens, gehe ich ins Badezimmer und muss, weil es so dunkel ist, das Licht anmachen. »Passt auf, ein Gewitter zieht auf, es ist ganz dunkel draußen«, verkünde ich. »Ja, ein Gewitter, aber ein anderes als Du denkst«, antwortet meine Frau mit einem seltsamen Blick.

Ich gehe vor die Tür und erstarre. Quer über beiden »Kinderparkplätzen« steht ein riesiges Wohnmobil. Mein Nachbar stellt mir das Monster vor: »Ein Hymer Tramp S, mein Einstieg in die Welt des mobilen Reisens auf gehobenen Niveau«. 739 cm lang und 296 cm hoch.

Nur ein bis zwei Tage, bis er einen Stellplatz gefunden habe, solle er dort stehen, bettelte er. Daraus wurden dann acht Wochen Dunkelheit im Bad. In den nächsten Wochen tauchten die Ungetüme in der ganzen Siedlung auf. »Das war schon immer unser Traum.« »Wir wollen endlich wieder unsere Freiheit genießen«. »Endlich Urlaub in den eigenen Wänden«. »Ich hatte in meiner Jugend mal einen VW-Bus«.

Zum Glück hatte ich gelesen, dass eine »Womo-Demonstration« stattfindet. Den Nachbarn habe ich motiviert, teilzunehmen. In der Zwischenzeit mietete ich mir zwei Kleinwagen und während er beseelt demonstriert hat, stellte ich sie auf meinen Parkplätzen ab. Seitdem spricht er nicht mehr mit mir.

Die Wohnmobil-Branche boomt, der Hersteller Knaus Tabbert hat bekanntgegeben, dass sich die Aufträge verdoppelt (!) haben. Aber wohin mit den Kolossen in den Städten? Mein Nachbar hat jetzt einen Stellplatz gefunden, im Hunsrück, für 150 € im Monat. Das erhöht nicht gerade die Flexibilität mal »ganz spontan über’s Wochenende nach Frankreich zu fahren«, aber ich kann die Mietwagen zurückgeben.

Ich bin der Auffassung, solche »Womos«, insbesondere die über 5 m, dürfen nur verkauft werden, wenn der Käufer einen Stellplatz nachweisen kann. Der ruhende Verkehr ist schon seit Jahren eine Herausforderung, die Invasion von mobilen Wohn-Alternativen verkraften wir nicht mehr.

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Mogunzius: Kleinstaaterei