Der Herbst hat angefangen und den November-Blues gleich mitgebracht. Das Miteinander der Sommermonate löst sich gerade in Sturmböen auf.
Die Wahrnehmung, dieser Corona-Wahnsinn geht vorbei, trug uns durch den Sommer. Bei Sonnenschein und hohen Temperaturen muss niemand den Realitäten ins Auge schauen. Jetzt sind sie da. Die Infektionszahlen steigen und draußen ist es ungemütlich. Chöre suchen verzweifelt Proberäume für den Winter, Gymnastikgruppen können nicht mehr auf der Wiese turnen, vieles was draußen stattfand, muss jetzt rein. Vereine, Genossenschaften und Wohnungseigentümer/-innen suchen Räume für ihre Versammlungen und konkurrieren mit Firmen, die Platz für Weihnachtsfeiern suchen. Hoffentlich bleiben die Pflegeheime offen, können die Kinder in Kitas und Schulen gehen, die Geschäfte ihre Herbst-/Winter-Kollektionen verkaufen. Die Mainzer Gastronomie darf ihre Außenbewirtschaftung fortsetzen, den ganzen Winter hindurch. Ob die Servicekräfte Schlechtwetter-Zulagen bekommen? Der Weihnachtsmarkt wird über die halbe Innenstadt verstreut. Der Wochenmarkt zieht wohl auf den Ernst Ludwig-Platz um, wir gewöhnen uns ständig an Neues. Zwangsläufig.
Die Erfahrung, über einen längeren Zeitraum »abgeschnitten« zu sein, wirkt nach. Dabei ging es uns in Deutschland noch »gold«. In anderen Ländern brauchte es einen Hund, um vor die Tür zu dürfen. Wir konnten die ganze Region per Pedes erkunden. Oder auf dem Fahrrad. Jetzt zieht es um die Ohren und die Hände frieren fast ab.
Schlimme Auswirkungen
Diese Corona-Pandemie wird schlimmere Auswirkungen auf unser Leben in den nächsten Jahren haben, als wir es uns vorstellen – wollen.
Die schlechten Nachrichten aus dem Amt für Statistik in Bad Ems reißen nicht ab. Das Bruttoinlandsprodukt von Rheinland-Pfalz sank im ersten Halbjahr 2020 um 5.7 % gegenüber dem ersten Halbjahr 2019. Die Umsätze im Gastgewerbe lagen im Juli 2020 um 15% niedriger als im Juli 2019… Es ist Aufgabe der Statistiker/-innen uns diese Tatsachen vor Augen zu halten. Der November-Blues im Oktober drückt aufs Gemüt.
Beim Bummeln durch die Stadt – leere Stühle. Es ist zu ungemütlich, um draußen Mittag zu essen. Manche Gastronomen wollen rundum geschlossene Pavillons um ihre Sondernutzungsflächen aufstellen und Öfchen oder Heizstrahler. Wolldecken gibt es garantiert. Vielleicht sogar Wärmflaschen. Wir haben uns an digitale Formate gewöhnt, horrende Summen für Webcams und Headsets ausgegeben, einen weitaus größeren Teil unseres Lebens ins Internet ausgelagert, als uns lieb ist – Bedenken wegen des Datenschutzes wurden massenhaft über Bord geworfen. Gewöhnen wir uns auch daran, bei 5 Grad abends in der Lieblingskneipe zu sitzen, eingehüllt in eine Wolldecke, neben den Füßen einen Heizstrahler? Der Mensch ist ein Herdentier. Er braucht andere Menschen – leibhaftige.
| SoS