Dieselfahrverbot und Senkung der Stickoxidwerte, Green City Masterplan und Koalitionsvereinbarung, Radkonsens und Bypad: Viele Komponenten zur Förderung des Radverkehrs in Mainz.

Fahrradfahren tut der Umwelt gut und gesund ist es auch. Zumindest für diejenigen, die sich mit dem motorisierten Verkehr arrangieren können. Die Mainzer Radverkehrsförderung steht immer dann auf der Agenda geht es um die »Mobilitätswende« sowie um die Reduzierung der Stickoxidwerte, damit das Verwaltungsgericht kein flächendeckendes Dieselfahrverbot anordnet. Möglichst viele Radler/-innen sollen dazu beitragen, dass der motorisierte Verkehr weiter funktionieren kann. Eine große Verantwortung. Zumal die Radverkehrsinfrastruktur viele das Fürchten lehrt. Die Radverkehrspolitik verantwortet in Mainz eine Dezernentin, die Mitglied der Grünen ist. Katrin Eder hat seit ihrem Amtsantritt 2011 immer wieder die Bedeutung des Radverkehrs für die Umwelt und für den Umbau des Mobilitätskonzepts unterstrichen. Geld, um die Radverkehrsinfrastruktur zu verbessern oder gar auszubauen bekam sie grundsätzlich zu wenig. Immerhin wurde ihr nicht auch noch die Stelle der Radverkehrsbeauftragten gestrichen. Franziska Voigt muss alleine die Belange der Radverkehrspolitik bearbeiten.

Schwung für die Förderung des Radverkehrs versprach 2018 der M3 Green City Masterplan. Der Masterplan wurde vom Stadtrat einstimmig und ohne Enthaltung als »Basis für die weiteren Arbeiten an der Luftreinhaltung in der Stadt Mainz und als Grundlage für die Antragstellung in künftigen Förderaufrufen des Bundes« im Juli 2018 beschlossen. Er beinhaltet u.a. ein Radverkehrs-Stufenkonzept/Radrouten/Wegweisung, die Attraktivierung Radverkehr durch sichere Abstellanlagen, Angebote an Sharing-Systemen (Fahrräder, E-Pedelecs, Miet-/ Verleihsystem) und Kommunikation, sowie die übergreifende, verbindende Radverkehrsinfrastruktur/ Lückenschlüsse (Stadt Wiesbaden, Landkreise Mainz-Bingen und Groß-Gerau). Im ersten Entwurf des Green City Masterplans M3 waren die Maßnahmen zur För­derung des Radverkehrs mit insgesamt 9,7 Millionen Euro beziffert, für die Förderanträ­ge hätten gestellt werden müssen. Alle Maßnahmen hätten bis 2020 abgeschlossen sein sollen.

Im Februar 2019 wurde der Zwischenbericht zur Umsetzung des M3 veröffentlicht. Unter den im Handlungsfeld Mobilität eingereichten Beiträgen zu Umsetzungsaktivitäten findet sich das Radbügelkonzeptes zur Optimierung des Radparkens (bis 2019), die Erarbeitung von Leitlinien für den Radverkehr in der Stadt Mainz (das Bypad-Audit sollte bis 2019 beendet sein), die Errichtung des Fahrradparkhauses am Hbf West (Mitte 2019 hätte es eröffnet werden sollen), die Pendlerradroute Mainz – Ingelheim – Bingen (erste Maßnahmen waren für 2019 vorgesehen), die Stadtteilradrouten: Radverbindungen zwischen den Stadtteilen und der Mainzer Innenstadt (die Umsetzung der Stadtteilrad­routen Mainz Oberstadt sowie Mainz-Finthen/Gonsenheim sollte im Frühjahr 2019 erfolgen), Teilnahme am Bundeswettbewerb Klimaschutz durch Radverkehr 2018 (die Projektskizze für eine Fahrradspindel an der Kaiserbrücke wurde von der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundes abgelehnt), Transformation meinRad – 2018 (der Förderantrag wurde abgelehnt), Zertifizierungsangebot als Fahrradfreundlicher Arbeitgeber (Ansprechpartner: ADFC Mainz-Bingen).

Radverkehrsbüro und Stellplatzsatzung

Anlässlich der »Bürgerbeteiligung Radkonsens« im Oktober 2019 sagte die Mainzer Verkehrs- und Umweltdezernentin, ihr werde immer vorgeworfen, sie habe kein Konzept zum Radverkehr und stellte fest, das habe sie gleichwohl, aber nicht ausreichend kommuniziert. Eder fasste zusammen, was sie in jüngster Zeit für den Radverkehr erreicht habe und was auf ihrer Radverkehrs-Agenda stehe: Das Fahrrad-Parkhaus am Bahnhof West wird gebaut; zahlreiche Fahrradbügel in der Innenstadt wurden aufgestellt; das sternenförmige Radrouten-Konzept wird umgesetzt und soll später durch Querverbindungen ergänzt werden. Die Radwege sollen mit Symbolen auf dem Boden markiert werden; weitere Aufstellflächen an den Ampeln sind geplant. Eder sprach auch davon, dass die Stellplatzsatzung geändert werden solle, jeder Neubau müsse Radabstellanlagen vorweisen. Die Grünen-Politikerin kündigte im Oktober 2019 zudem an, ein »Rad-Büro« mit bis zu fünf Mitarbeiter/-innen einrichten zu wollen.

Als ein Ergebnis der Kommunalwahl 2019 sind die Grünen stärkste Fraktion im Mainzer Stadtrat. Die Aushandlung eines Koalitionsvertrags mit SPD und FDP dauerte bis Februar 2020. Zur Förderung des Radverkehrs und der Radverkehrsinfrastruktur gibt es viele (gute) Absichtserklärungen. Konkret wird es bei den Sachmitteln für den Radverkehr: sie sollen auf 500.000 Euro pro Jahr verdoppelt werden. Außerdem soll ein Radverkehrsbüro aufgebaut werden. Die Anzahl der Stellen ist nicht konkretisiert. Zwei Stellen hatte die ADD mit dem Doppelhaushalt 2019/20 genehmigt, sie wurden bereits ausgeschrieben.

Ob das Radverkehrsbüro tatsächlich mit fünf Stellen besetzt werden kann, wie Katrin Eder ankündigte, ist offen. Die gewünschten drei weiteren Stellen dürften zur Verhandlungsmasse in den Etatberatungen für den nächsten Doppelhaushalt gehören. Es ist zu erwarten, dass auch andere Dezernate aufgrund wachsender Aufgaben zusätzliche Stellen einfordern. Außerdem müssen die Stellen von der ADD genehmigt werden. Offen ist auch, ob der Wunsch von Katrin Eder, die Stellplatzsatzung so zu ändern, dass bei Neubauten Radabstellanlagen vorgeschrieben werden, erfüllt wird. Im Koalitionsvertrag vom Februar 2020 heißt es, die Stellplatzsatzung sei »zeitnah zu modernisieren, Konzepte wie Carsharing und moderne Mobilitätskonzepte sowie E-Mobilität sollen Berücksichtigung finden«. Der Begriff »Radabstellanlagen« fehlt hier.

Bürgerbeteiligung: »Empowerment« für den Radverkehr?

Sowohl im Green City Masterplan M3 von 2018 wie im Koalitionsvertrag von 2020 ist das Bypad als Beteiligungsprozess für Bürger/-innen genannt. Beschlossen wurde das Verfahren schon im Juni 2018 vom Mainzer Stadtrat. Als erste öffentliche Veranstaltung fand im Oktober 2019 die »Bürgerbeteiligung Radkonsens« statt. Normalerweise sollen in einem »Bicycle Policy Audit« auch politische Vertreter und Verbände mitwirken.

An der Veranstaltung im Oktober 2019 nahmen nur diejenigen teil, die zufällig oder über die Vernetzungswege der Fahrrad-Szene in Mainz davon erfahren hatten. Total überrascht und auch begeistert waren die Organisatoren/-innen um Verkehrsdezernentin Katrin Eder von dem Andrang: etwa 150 Menschen kamen und brachten viele Ideen und konkrete Vorschläge mit. Ob und was davon umgesetzt werden kann soll am 11. März 2020 in der zweiten »Bürgerbeteiligung Radkonsens« konkretisiert werden. Inwieweit auch diejenigen Verbände und Organisationen in den »Radkonsens« eingebunden werden, die einer Förderung des Radverkehrs zulasten des motorisierten Individualverkehrs skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, bleibt abzuwarten.

Das Bypad ist ein Verfahren zur Erhebung des Ist-Zustands der Radverkehrspolitik und zur Definition von Maßnahmen in einer Kommune. Radverkehrspolitik soll effizient gestaltet werden. Nach Bewertung des Ist-Zustands werden verbindliche Qualitätsziele in einem Plan definiert. Damit ist es möglich, die Entwicklung des Radverkehrs systematisch zu betreiben und zu beobachten. Im Ergebnis soll ein »Punkteplan zur Förderung des Radverkehrs« entstehen, Qualitätsmerkmale für die Weiterentwicklung des Radverkehrs werden für die Stadt Mainz festgelegt. Die Maßnahmen sind konkret benannt und beinhalten messbare Ziele. Durch die Beteiligung der verschiedenen Akteure soll ein abgestimmter Gesamtplan entstehen. Verkehrsdezernentin Eder kündigte im Oktober 2019 an, diesen »Punkteplan« vor oder direkt nach der Sommerpause 2020 dem Mainzer Stadtrat zum Beschluss vorlegen zu wollen.

| SoS

Mitten auf dem Fahrradweg